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[Harmanli21] Prozess gegen die Harmanli21 erneut verschoben

Wir dokumentieren einen Bericht vom 2. Prozesstag gegen die angeklagten Harmanli 21 vom 5. Juni 2018 von unseren Genoss*innen von bordermonitoring Bulgaria.

Banner in the court: „Freedom for the 21 migrants from Harmanli“

On the 5th of June 2018 the trial against the Harmanli 21 was postponed again. As last time, 10 of the 21 accused migrants were present. The hearing started with people in attendance to support the migrants. They took out a sign saying “Azadi” (the word for “freedom” in several languages. They also showed a banner in support of all the persecuted, saying “Freedom for the 21 migrants from Harmanli” in Bulgarian. Afterwards they were expelled from the court room. One of the migrants was rudely silenced by the judge for thanking the protestors.

The supporters claimed that they are not a part of an organization and just people, who came in solidarity. Some media did not quote their banner correctly afterwards and some media reports following the events on the very same day noted that among the supporters were foreigners and not everyone spoke Bulgarian language. A journalist challenged the protesters with a question about police being injured during the riot. One of them answered, by stressing the fact that a 15 year-old boy was in a coma after police violence following the riot and no police has been investigated or accused until today.

The hearing continued with only two out of the 10 present migrants disagreeing with starting the trial right away. The statements of all the lawyers were pleading against a start – they argued that one month has not passed since the start of the search for the 11 missing migrants. The trial was postponed until August 7th, 2018 at 13.30 h in the Regional court in Harmanli.

[Harmanli21] “Im Schlaf verprügelt”

Wir dokumentieren einen Artikel von Matthias Fiedler von bordermonitoring.eu, zuerst erschienen in jungle world 2018/21 (am 24.05.2018). Zu finden auch unter: https://jungle.world/artikel/2018/21/im-schlaf-verpruegelt

In Bulgarien beginnt Anfang Juni ein Prozess gegen Asylsuchende, denen vorgeworfen wird, 2016 im Flüchtlingslager Harmanli ­randaliert zu haben. Damals gab es zunächst friedliche Proteste gegen die katastrophalen Unterbringungsbedingungen.

Die bulgarische Stadt Harmanli am Fluss Mariza, der in Griechenland Evros genannt wird, liegt an einer wichtigen Transitroute nach Istanbul und hat etwas mehr als 20 000 Einwohner. Sie ist nur einige Dutzend Kilometer vom Dreiländereck zwischen Bulgarien, Griechenland und der Türkei entfernt. Seit 2013 gibt es auf einem ehemaligen Militärgelände am Stadtrand ein Lager für Flüchtlinge, das derzeit etwa 2 710 Plätze hat. In den ersten Monaten nach Eröffnung des Lagers mussten Flüchtlinge notdürftig in Zelten unterkommen und sich am offenen Feuer wärmen. Schrittweise wurden die fensterlosen Gebäude renoviert und zusätzlich Container auf das Gelände gestellt.

Geschehnisse im Lager, die sich im Jahr 2016 ereigneten, beschäftigen zurzeit die bulgarische Justiz. Anfang September 2016 forderten Anwohnerinnen und Anwohner, das damals völlig überfüllte Lager zu schließen. Unterstützt wurden sie von der rechtsextremen Partei Bulgarische Nationale Bewegung (IMRO) und anderen rechtsextremen Organisationen. In der Stadt kursierten Gerüchte, die Flüchtlinge hätten Seuchen und bedrohten die Einwohner. Die Proteste wurden größer und der Druck auf die lokale Verwaltung stieg.

Schließlich verhängte sie im November 2016 eine permanente Ausgangssperre über das Lager, die vom Gesundheitsministerium in Sofia mit einer Quarantänemaßnahme gerechtfertigt wurde. Später stellte sich jedoch heraus, dass eine derartige Maßnahme gar nicht nötig gewesen wäre. Die Asyl­suchenden protestierten gegen die Abriegelung des Lagers, ihre vollständige Isolierung von der Außenwelt und die Zustände im Lager. Nach zwei Tagen Ausgangssperre griffen manche Protestierende zu Gewalt. Einige Asylsuchende hatten sich mit Steinen bewaffnet und warfen sie auf die Polizei, die das Lager großräumig abriegelte. Die Beamten antworteten mit Knüppeln und dem Einsatz von Wasserwerfern. Der Einsatz erstreckte sich bis in die darauffolgende Nacht. Freiwillige Helferinnen und Helfer erhielten Anrufe von Flüchtlingen, die sagten, sie hätten geschlafen und seien unvermittelt von der Polizei angegriffen worden, obwohl sie gar nicht am Aufstand beteiligt gewesen seien. Zahlreiche Fotos wurden noch in derselben Nacht in sozialen Netzwerken veröffentlicht, die Flüchtlinge mit blutenden Kopfwunden und Verletzungen am Körper zeigten. Rechtsextreme bedrohten diejenigen, die die Bilder veröffentlicht hatten.

Die Behörden gaben später an, dass 300 Asylsuchende während der Krawalle verhaftet worden seien. Am 28. November 2016 ließen sie verlauten, dass sich 50 afghanische Flüchtlinge bereit erklärt hätten, in das Land zurückzukehren. Um das Lager in Harmanli wurde ein über zwei Meter hoher Metallzaun mit Stacheldraht gebaut. Knapp 300 Polizisten, die am Einsatz beteiligt gewesen waren, erhielten Geldprämien, die Vorwürfe gegen die Polizei wurden nicht überprüft.

Im März 2018 äußerte sich eine Sprecherin des UNHCR Bulgarien zu den Lebensbedingungen in den offenen Unterkünften für Asylsuchende: Die hygienischen Zustände seien weiterhin mangelhaft und der Schutz von Asylsuchenden sei nicht ausreichend gewährleistet. Seit den Ausschreitungen von Harmanli nimmt die Staatliche Agentur für Flüchtlinge (SAR) in Bulgarien Menschen in Haft, deren Asyl­verfahren noch nicht entschieden sind.

Am 5. Juni soll der Prozess gegen 21 Personen beginnen, die angeklagt sind, an den Ausschreitungen im Jahr 2016 beteiligt gewesen zu sein. Sie werden des Rowdytums und der Zerstörung von Eigentum beschuldigt. Die Behörden beziffern den Sachschaden auf 85 000 Lewa (43 000 Euro). Eigentlich sollte der Prozess bereits im April stattfinden, doch nur zehn der Beschuldigten erschienen damals vor Gericht, woraufhin der Prozess nach 30 Minuten abgebrochen und vertagt wurde. Die zehn Angeklagten waren von der Migrationsbehörde aus der Haftanstalt für Migranten in Ljubimez abgeholt und zum Gerichtsgebäude gefahren worden; den anwesenden Medien erklärten einige von ihnen, dass sie unschuldig seien. Das Gericht erhofft sich nun bis 5. Juni Klarheit über den Verbleib der restlichen Ange­klagten.

Der Fall erinnert an das Gerichts­verfahren gegen 35 Migranten, die auf der griechischen Insel Lesbos festgenommen worden waren. Auch dort hatte es nach einem zunächst friedlichen Protest vor dem Europäischen Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) am 17. und 18. Juli 2017 einen Aufstand im völlig überfüllten Lager Moria gegeben. Die rabiat durchgeführten Festnahmen fanden eine Stunde nach dem Abflauen der Unruhen statt. 32 Asylsuchende wurden im April zu zweijährigen Gefängnisstrafen verurteilt. Viele von ihnen beteuerten vor Gericht ihre Unschuld und gaben an, willkürlich von der Polizei festgenommen und verprügelt worden zu sein.

[Harmanli21] Aufruf zu einer internationalen Woche der Solidaritätsaktionen mit den angeklagten Harmanli21

Wir dokumentieren eine Aufruf von Genoss*innen aus Sofia:

FREE THE HARMANLI 21!

On 24th of April, 2018 was the first hearing against 21 arrested
migrants accused of participation in a violent riot in the so-called
“open camp” of Harmanli, in 2016. The riot broke out when the camp was
put under unlawful quarantine after pressure from the far right’s
anti-immigrant propaganda. 21 Afghani people were sent to court
despite clear evidence of police brutality and of random mass beatings
after the riot. No police was investigated.

The next hearing will be on the 5th of June, 2018 at the Regional
court in Harmanli.

·We are planning a week of local actions in solidarity with the
Harmanli 21 until the new date of the trial.

·We call for solidarity actions in front of each Bulgarian embassy or
consulate, demanding the immediate еnding of the trial, release of the
21 migrants and investigation of the police brutality against the
people in the camp.

The 21 migrants continue to be held in the detention centre of
Lyubimets, facing the threat of deportation back to Afghanistan or of
prison sentence in Bulgaria. The whole trial is totally absent in most
of the media and society in general. We believe that only pressure
from inside and outside can help put this trial out in the public eye,
especially in these last 2 months of Bulgarian presidency of the EU
council.

·The week of actions is from Monday, 28th of May to Tuesday, 5th of
June, 2018.

Apart from that you can help by starting campaigns in your countries
and cities in order to inform your local society about the Harmanly 21
case.

Only united we can resist the brutality of the Bulgarian state and of
“Fortress Europe”!

SOLIDARITY, JUSTICE AND FREEDOM FOR THE HARMANLI 21!

Antifa Sofia and comrades

More information:

1) After the Rebellion of the Voiceless, the Trial comes – FREDOM FOR
THE HARMANLI 21
After the Rebellion of the Voiceless, the Trial comes – FREDOM FOR THE HARMANLI 21

2) Report of the the first day from the trial against the Harmanli 21

http://bulgaria.bordermonitoring.eu/2018/04/26/the-start-of-the-trial-against-the-harmanli-21/ Show
original message

[Harmanli21] Der Start des Prozesses gegen die Harmanli21 in Bulgarien

Wir dokumentieren einen Bericht von Bordermonitoring Bulgaria (http://bulgaria.bordermonitoring.eu/2018/04/26/the-start-of-the-trial-against-the-harmanli-21/):

The start of the trial against the Harmanli 21

On the 24th of April 2018, at 13:30, the first hearing of the trial about the riot in the camp took place at the Regional court in Harmanli. At already 13:00, journalists had gathered in front of the court house. Some of them were calling the accused people “21 pieces“, not people but “pieces“. This is showing the level of professionalism and objectivity the topic of migrants is being handled with by some of the media in Bulgaria. As a van arrived, packed with the accused migrants, which were accompanid by officers from the Migration Directorate, some journalists ran to take pictures and videos of the accused migrants.

As one could see many of the accused people felt very unconfortable with this situation and tried to avoid being filmed or photographed. 10 of the accused migrants were present at court. They are currently waiting in the pre-trial detention in the closed camp in Lyubimets. Another 11 accused were missing. Most of the migrants were represented by public defenders and there was no representative from the State Agency of Refugees (SAR).

The trial did not start yet, and the hearing was no longer than 30 minutes. The argument was searching for and sending letters to the 11 missing people, who did not appear. The authorities in Bulgaria are accusing the migrants in the refugee detention center of a damaging different things in the value of about 85,000 Leva (42,000 Euro). The accusations are hooliganism and property destruction.

Most of the accused migrants claimed that they are innocent and were gathered randomly from the camp in Harmanli by the police. As reported before, when the police and gendarmerie entered the rooms at the night night after the alleged riot and brutally beat up migrants in the camp manypeople were sleeping. The media „professionals“ fail to notice and report on this small detail.

The next hearing will be on the 5th of June, 2018 at the Regional court in Harmanli at 13:30.

[Mazedonien] Aktuelle Infos zur Situation in Mazedonien

Aktuelle Situation in Mazedonien in Bezug auf Migration, Refugees & Aktivismus – Bericht und Interview mit einem Aktivisten aus Skopje von Januar 2018 –

Wie auch Serbien gehört Mazedonien zu den Haupttransitländern entlang der Balkanroute. Tausende von Menschen haben diesen Staat auf ihrer Flucht Richtung EU passiert. Die Fluchtroute von Griechenland, über Mazedonien, Serbien und weiter in den Norden existiert nicht erst seit 2015 – dem sogenannten langen Sommer der Migration – wurde jedoch dadurch besonders sichtbar. Während dieser Zeit sah man tausende Menschen, die zu Fuß entlang den Schienen und dem Highway liefen. Beides verläuft von Süden nach Norden durch das Land.

Nach dem der sogenannte staatlich organisierte „Korridor“ über die Balkanroute beendet und der hoch militarisierte mazedonisch-griechischen Grenzübergang Idomeni im März 2016 endgültig geschlossen wurde, ist die Migration durch Mazedonien nahezu unsichtbar geworden. Staatliche Repressionen und Kriminalisierungen gegenüber Refugees und denjenigen, die ihnen auf ihrer Flucht durch jegliche Art an Unterstützung geholfen haben, haben enorm zugenommen und Mazedonien als Transitland für viele zu einer großen und gefährlichen Herausforderung gemacht. Auch selbstorganisierte, unabhängige aktivistische Gruppen, die monatelang in Mazedonien entlang der Fluchtroute aktiv waren, haben sich mittlerweile aus Repressionsgründen zurückgezogen. Lediglich NGOs wie u.a. Legis können derzeit noch in den offiziellen Transitcamps Gevgeljia und Tabanovce arbeiten.

Die Menschen, die Mazedonien auf ihrer Flucht passieren, wollen nicht dort bleiben, sondern schnellst möglich weiterreisen. Die Wege, die sie mittlerweile nehmen müssen, sind versteckt, weit entfernt von der Straße oder den Schienen und daher oftmals gefährlicher und voraussetzungsvoller was körperliche Fitness und den Gesundheitszustand der Personen angeht. Seit 2015 haben nur sehr wenige Menschen in Mazedonien Asyl beantragt. Es gibt immer wieder rechtswidrige Push-Backs nach Griechenland oder Inhaftierungen von Geflüchteten, die dann in den Abschiebeknast Gazibaba gebracht werden. Von außen kommt dort niemand herein; die Bedingungen sind laut der lokalen Aktivist*innen jedoch katastrophal. Mittlerweile werden immer mehr Fälle publik, von Menschen, die freiwillig umkehren und zurück Richtung Süden reisen, weil es durch die starke Kriminalisierung, Repressionen und Militarisierung insbesondere für Familien oder vulnerable Personen kaum möglich ist ohne Verhaftung, Gewalterfahrungen, Ausbeutung oder Push-Backs Mazedonien, Serbien und Ungarn zu passieren.

Generell ist die sozialpolitische Lage in Mazedonien angespannt, repressiv und für viele Menschen von alltäglicher Prekarität geprägt. Neben Bosnien gehört Mazedonien zu den ärmsten Ländern Europas. Das Sozialsystem stellt keine Unterstützungsgelder bereit, sodass alle Menschen abhängig von Lohnarbeit sind, deren finanzielles Outcome eine geringfügige Beschäftigung kaum zulässt. Als Konsequenz bedeutet das für linke Aktivist*innen und politisch Aktive, dass neben der Lohnarbeit nur wenig Zeit für politische Arbeit und Aktivismus übrig bleibt. Auch die nötigen finanziellen Mittel, die für politische Arbeit gebraucht werden, fehlen: z.B. für das Zahlen der monatlichen Miete für das Soziale Zentrum oder für den Druck von Flyern, Postern, die Fahrtkosten zu wichtigen Treffen oder das Organisieren von Veranstaltungen und Protesten. Die meisten Kosten werden über Crowdfunding-Kampagnen gedeckt oder von anderen solidarischen europäischen Gruppen unterstützt. Die linke Bewegung in Mazedonien besteht daher hauptsächlich aus Einzelpersonen, die es schaffen sich nebst ihrer Arbeitsstelle noch politisch zu engagieren. Laut ihnen nimmt die Anzahl aktiver Menschen – jenseits von NGOs – jedoch eher ab. So hat eine der wenigen linksradikalen Gruppen in der mazedonischen Hauptstadt Skopje in den letzten Jahren mehrere Mitglieder verloren. So stehen natürlich die wenigen Aktivist*innen im besonderen Fokus der Polizei und der staatlichen Repressionen.

Über ein Jahrzehnt hatte die nationalistische Partei die Mehrheit in Mazedonien. Das hat sich durch die letzten Wahlen 2017 zum Glück geändert, sodass mittlerweile nur noch etwa drei Gemeinden nationalistische Lokalregierungen haben und der Rest des Landes von den „Sozialdemokraten“ regiert wird, was die sozialpolitische Gesamtsituation jedoch nur mäßig verbessert. Im Frühjahr 2016 kam es trotz der repressiven Grundstimmung zu Massenprotesten in Mazedonien, nachdem knapp 60 Politiker*innen und hochrangige Beamte, die der Korruption und teilweise des Wahlbetrugs beschuldigt waren, begnadigt wurden. Im Zuge dessen wurden Verschwörungstheorien laut, die auch in Serbien und Ungarn existieren; nämlich die Annahme, die Proteste seien vom Ausland organisiert und gesteuert (namentlich durch George Soros). Letztendlich jedoch waren die Proteste aus Sicht einiger Aktivist*innen aus Skopje ein Erfolg, denn es wurden gerichtliche Verfahren gegen die Begnadigten aufgenommen.

Interview mit einem Aktivisten aus Skopje

1. Kannst du etwas zur Situation von Refugees in Mazedonien erzählen? Welche Refugee-Camps spielen in diesem Land eine Rolle?

Insgesamt ist die Situation hier ziemlich hart. Es gibt zwei Camps an der Grenze, eins im Süden und eins im Norden, und außerdem ein Asylzentrum in der Hauptstadt [Skopje]. Wie viele Menschen in den Camps sind, ist schwierig zu sagen, da es oft von Tag zu Tag variiert. An manchen Tagen sind in den Grenzcamps 30 Menschen, an anderen nur zwei oder drei. Die Refugees kommen und gehen – meist auch weil sie sehen, dass das Asylsystem nicht funktioniert – oder sie realisieren, dass es kaum eine Möglichkeit gibt weiterzureisen und dann entscheiden informell zurück nach Griechenland zu gehen. Sogar aus Serbien gehen manche Refugees informell zurück nach Griechenland und durchqueren dabei Mazedonien, weil das auch in Serbien das System so schlecht funktioniert. Die Leute sehen also letztendlich in Griechenland noch eine Chance auf Relocation oder darauf, Asyl zu bekommen. Da Griechenland im Vergleich zu Serbien und Mazedonien ein EU-Staat ist, wurden diese beiden Länder ohnehin immer eher als Transitstaaten betrachtet. Doch selbst wenn Refugees in Mazedonien bleiben wollen würden, ist das mazedonische Asylsystem ein ziemlich schlimmes und langsames. Nur einer Handvoll Menschen wurde bisher temporärer, subsidärer Schutz zugestanden. Die Camps an den Grenzen sind geschlossen, das heißt die Menschen darin können nicht frei ein- und ausgehen außer in Begleitung vom Roten Kreuz. Das bedeutet, dass Refugees dadurch in diesem Land quasi unsichtbar sind. Darüber hinaus ist das einzige Asylzentrum in der Hauptstadt [Skopje] außerhalb des Zentrums gelegen und nicht gut erreichbar für z.B. NGOs oder Individuen, denen ohnehin nicht erlaubt ist, das Asylzentrum zu betreten. Refugees können das Asylzentrum zwar auch verlassen, sind allerdings meist nicht wirklich daran interessiert, an öffentlichen Debatten oder bewusstseinsschaffenden Kampagnen teilzunehmen aus Angst vor Stigmatisierung, weil sie nicht dauerhaft in Mazedonien bleiben möchten. Viele Refugees fürchten, sich öffentlich zu zeigen oder einzubringen könnte weitere Schwierigkeiten nach sich ziehen. Sprich: Sogar die Sichtbarkeit derjenigen, die entschieden haben in Mazedonien zu bleiben, ist somit kaum existent. Es gibt Kontakt zu Organisationen und sozialen Bewegungen, jedoch sind die meisten Refugees – wie gesagt – eher zurückhaltend was öffentliches Engagement betrifft – vor allem wenn es sich gegen Rassismus und Xenophobie kämpft. Es ist ein Teufelskreis. Die Lebensbedingungen im Asylzentrum bezüglich Essen, Heizung etc. sind schlecht. In den Grenzcamps sind die Umstände ein bisschen besser. Nicht was das Essen angeht, doch es gibt zumindest eine Heizung und Internet. Auf der anderen Seite wird die Bewegungsfreiheit dort komplett eingeschränkt.

2. Wie hat sich die Situation seit 2015 verändert?

Der Ausnahmezustand wurde bis zum 30.Juni 2018 verlängert. Im Jahr 2015 konnten die Menschen auf der Flucht noch durch Städte reisen, aber nachdem die EU-Grenzen 2016 [März] geschlossen hat, schloss auch Mazedonien seine Grenzen. Seither ist die Anzahl an Refugees in Mazedonien stark zurückgegangen. Das bedeutet jedoch nicht, dass generell die Migration durch Mazedonien beendet ist. Es wird mittlerweile bloß wesentlich stärker kriminalisiert, wenn Refugees durch Städte kommen. Deshalb wählen die Menschen, die jetzt durch Mazedonien kommen, eher Wege über Felder oder Berge, die gleichzeitig aber auch nicht zugänglich für Organisationen oder Solidaritätsstrukturen sind. Die Unterstützungsarbeit – insbesondere durch Mazedonier*innen – welche 2015 noch möglich war und an der viele Ortsansässige auf zumindest humanitäre Art und Weise beteiligt waren, wird zunehmend staatlich kriminalisiert. Mittlerweile wird alles kontrolliert und lediglich ausgewählte registrierte NGOs haben die Befugnis Refugee-Camps zu betreten und Unterstützung anzubieten, während informelle Solidaritätsstrukturen gar keinen Zugang mehr haben.

3. Wie ist die gesellschaftliche Stimmung sowie die Wahrnehmung und der der öffentliche Diskurs bezüglich Migration und Refugees zur Zeit? Was hat sich verändert in den letzten Jahren?

Was Migration angeht folgt Mazedonien dem globalen Trend. Im Jahr 2015, als Hilfe durch Ortsansässige und Aktivist*innen noch nicht in dem aktuellen Ausmaß kriminalisiert wurde, gab es [in Mazedonien] zahlreiche Menschen, die Refugees unterstützen wollten. Als sich der allgemeine Diskurs eine migrationsfeindliche Wendung nahm, nutzten auch rechtspopulistische Politiker*innen vor der letzten Wahl 2017 den Anti-Migrationskurs stark. Der Fokus ihrer gesamten [Wahl-]Kampagne lag schließlich darauf, eine Propaganda zu verbreiten nach dem Motto: „Tausende Refugees kommen nach Mazedonien, um sich dort niederzulassen, unsere Jobs wegzunehmen , unser Land zu islamisieren etc.“ Das folgte anderen rechtspolitischen Parteien der EU und der USA. Natürlich ist es in der Realität so, dass niemand herkommt, um sich hier niederzulassen. Doch rechte Parteien nutzten diesen Diskurs als ein verzweifeltes Angebot, um die Wahlen zu gewinnen, die sie offenkundig im Oktober 2017 verlieren würden, nachdem im Juni die sozialdemokratische Partei die Regierung übernommen hatte. Wie vorher beschrieben, ist die Sichtbarkeit von Refugees im Land extrem niedrig, was bedeutet, dass Xenophobie und anti-migrantische Ressentiments zunehmen. Die öffentliche Wahrnehmung von Geflüchteten war besser als sie 2015 noch in der Lage waren durch die Städte zu reisen und dadurch mehr Kontakt zu Ortsansässigen hatten. Heutzutage scheint Xenophobie langsam wieder stärker zu werden, obwohl das Thema Refugees kein allzu heikles Thema mehr ist.

4. Wie sind die Repressionen und Kriminalisierungen gegen Refugees, unterstützende Strukturen und selbstorganisierte Aktivist*innen? Hat sich das in den letzten Jahren verändert?

Wie schon erwähnt waren lokale Menschen und Aktivist*innen 2015 in der Lage Refugees zu helfen, die durch ihre Städte kamen. Trotz Repressionen und Kriminalisierung, die es zu dem Zeitpunkt auch schon gegeben hat, ist es jetzt viel schlimmer geworden. Die Geflüchteten, die [Mazedonien] jetzt durchqueren, tun dies so versteckt und durch wilde Gebiete, dass sie für Aktivist*innen quasi unzugänglich sind – und selbst wenn sie zugänglich wären, würde kaum jemand den Mut haben dorthin zu gehen. Man kann eigentlich nur in den Camps oder beim Asylzentrum mit Refugees in Kontakt kommen, jedoch nur ausgewählte NGOs (s.o.) haben die Erlaubnis dahin zu gehen. Es gibt keinen Raum für Selbstorganisation. Es ist als wenn das System so strukturiert wurde, dass jeglicher Versuch von Selbstorganisation im Keim erstickt wird.

5. Wie ist es in Mazedonien mit Geflüchteten oder zum Thema Migration und Antirassismus zu arbeiten?

Erklärt unter Punlt 4. Ich kann nur hinzufügen, dass es besonders hart ist ein Bewusstsein in der Gesellschaft zu schaffen, weil der beste Weg dafür ist, die Menschen selber auf öffentlichen Veranstaltungen sprechen zu lassen. Wie schon erwähnt, wird ihnen das kaum ermöglicht oder sie möchten es lieber nicht tun.

6. Wer arbeitet zu den oben genannten Themen hier?

Derzeit gibt es in den Camps NGOs – und es gibt auch welche, die nicht so schlecht sind. Außerdem gibt es in der Hauptstadt Skopje das Dunja-Kollektiv, das durch Veranstaltungen Öffentlichkeit zu den Themen schafft. Das ist jedoch ein selbstorganisiertes Kollektiv und keine NGO und hat damit keinen Zugang zu den Camps. Darin sind Aktivist*innen organisiert, die sehr aktiv in dem Bereich waren, als Geflüchtete noch erreichbar waren. In Bezug auf internationale Volonteers ist Mazedonien wie ein schwarzes Loch, wenn es um Migration geht. Sie brauchen ein Freiwilligen-Visum und waren nie wirklich (zumindest öffentlichkeitswirksam) in der Lage innerhalb des Landes zu helfen. Die Behörden sind was dieses Freiwilliges-Visum angeht sehr streng.

Quellenverweise & mehr Infos:

http://www.spiegel.de/politik/ausland/mazedonien-in-der-krise-land-in-aufloesung-a-1087967.html

https://ffm-online.org/osteuropa/mazedonien/

[Bulgarien] Prozessbeginn gegen Harmanli21 am 24. April

The Harmanli local district court had scheduled the court hearing against 21 Afghans, who are accused of taking part in the riot in November 2016 to start on 24th of April 2018 in Harmanli, Bulgaria.

After the riot, that broke out following a protest against quarantine measures, inhabitants of the camp Harmanli (Bulgaria) accused the gendarmerie of using brutal violence. They publicly stated that the gendarmerie stormed houses while some people were sleeping, who had nothing to do with the riot. Pictures with many injuries were shared by the asylum seekers.

The court hearing will take place on the 24th of April 2018 in Rayonen Sad – Harmanli (РАЙОНЕН СЪД) at Yanko Sakazov Street 1, 6450 Tsentar, Harmanli, starting at 1.30 pm.

Show your Solidarity!

Source: http://bulgaria.bordermonitoring.eu/2018/03/31/court-hearing-scheduled-for-the-harmanli-21/

[Bulgarien] Die Harmanli 21 – angeklagt wegen “Riot”

Wir dokumentieren einen Bericht von Bordermonitoring Bulgarien:

Local District Prosecutor’s Office indicts 21 asylum seekers for a
riot at Harmanli’s refugee camp

A Local District Prosecutor’s Office decided to indict 21 asylum seekers
for “hooliganism with boldness and cynicism concerning the riot which happened in December 2016 in Harmanli’s refugee camp. The riot broke out after authorities closed Bulgaria’s
biggest refugee camp, because of a quarantine issue.

Before the closing of the camp neo-nazi and right wing protesters
gathered on a regular basis in front of the camp to demonstrate against
foreigners. The authorities obeyed the orders from the xenophobic and
racist groups and parties and closed the camp for several days.

After the riot broke out on the 24th of November 2017, the camp was
stormed in the following night by a special unit of the gendarmerie.
According to several civil rights organizations, volunteers and refugees
many people in the camp were attacked and heavily injured without being
involved in the riot

Krassimir Kanev, the head of the Bulgarian Helsinki Committee (BHC), who
was beaten up himself by unknown people during the middle of the night
in October 2016 stated:

Lots of completely innocent refugees were chased in their rooms,
attacked and severely beaten up by the police in the course of that
operation. Nor is there any prosecution of those who closed the
Harmanli center on the instigation of nationalists, turning it into
a prison for several days, which provoked the riot. Instead, we are
going to have several rioters prosecuted for destruction of property
and hooliganism

The Center for Legal Aid – Voice in Bulgaria (CLA) condemned „the
absence of investigation of the police use of force against the
asylumseekers

Bordermonitoring Bulgaria (BMB) shares the concerns which were raised by
the BHC and the CLA. The aim of the prosecution cannot justify the
possible unlawful acts of the police, the State Agency for Refugees
(SAR) and the the Health Inspectorate, which should be investigated by
an independent agency.

Weitere Infos unter:
<http://bulgaria.bordermonitoring.eu/2018/01/09/local-district-prosecutors-office-indicts-21-asylum-seekers-for-a-riot-at-harmanlis-refugee-camp/>
<https://sofiaglobe.com/2018/01/09/bulgaria-21-asylum-seekers-to-be-indicted-for-riot-at-refugee-camp/>
<http://bulgaria.bordermonitoring.eu/2016/11/24/the-provoked-riot-in-harmanlis-refugee-camp/>.
<http://bulgaria.bordermonitoring.eu/2016/11/22/harmanlis-refugee-camp-under-quarantine/>.
<https://sofiaglobe.com/2018/01/09/bulgaria-21-asylum-seekers-to-be-indicted-for-riot-at-refugee-camp/>
<https://twitter.com/VoiceInBulgaria/status/950641658483355649>„.

Radiobeitrag zur Kampagne im Stadtradio Göttingen vom 4. März 2018

An diesem Sonntag, den 4. März 2018 wurde von 11.00 bis 12.00 Uhr im Stadtradio Göttingen der Beitrag “Still in Solidarity – Antirepressionsarbeit auf der Balkanroute” gesendet.

In der Sendung berichten drei Aktivist*innen der “You can`t evict Solidarity”-Kampagne von der aktuellen Situation für Geflüchtete sowie Unterstützungsstrukturen in Ungarn, Serbien und Griechenland.
Es gibt ein Interview mit einer ungarischen Aktivistin, die vom Gerichtsprozess gegen Ahmed H. der Röszke11 in Szeged (Ungarn) erzählt sowie Informationen zum Fall der Moria35 und der Repression auf Lesbos (Griechenland). Dazu gibts Musik (HipHop) aus Serbien, Griechenland und mehr.
Viel Spaß damit!

Die Sendung gibts hier oder nochmal kommenden Sonntag (11. März 2018) von 11.00 bis 12.00 Uhr auf 107,1 oder als Livestream auf www.stadtradio-goettingen.de.

Für mehr Infos checkt:
www.stadtradio-goettingen.de/programm

[Serbien – Belgrad] Aktuelle Situation von Refugees in Serbien und Belgrad – Ein Bericht von Januar 2018

Im Jahr 2015 im Zeitraum des sogenannten langen Sommers der Migration prägten tausende Menschen, die Serbien als Transitland auf der Fluchtroute passierten und sich auf den öffentlichen Plätzen Belgrads aufhielten, das Bild der serbischen Hauptstadt. Leerstehende Gebäude und Fabrikhallen wurden von den Menschen besetzt, um sie als kollektiven Wohnraum und als Schutz vor Kälte zu nutzen. In zentralen Parks wurde gecampt, geschlafen und auf neue Möglichkeiten der Weiterreise Richtung Norden gewartet.

Mittlerweile sind die Parks leer, besetzte Hallen und Gebäude wurden geräumt und/ oder abgerissen – insbesondere im Frühjahr 2017. Die meisten Menschen wurden in Refugee-Camps außerhalb von Belgrad gebracht. Auch das Camp im südlichen Preŝevo existiert noch immer. Dieses fungierte im Kontext des staatlich organisierten „Korridors“ in den Jahren 2015/ 2016 als Transitcamp, wo Refugees, die gerade die mazedonisch-serbische Grenze passiert hatten, registriert wurden. Zu dieser Zeit war die humanitäre Situation dort katastrophal. Aussagen serbischer Akivist*innen zufolge, scheint das Camp und die Region Preŝevo mittlerweile zu einer Art offenem Gefängnis geworden zu sein, wo etwa 1000 Menschen bereits monatelang festsitzen. Es scheint derzeit sehr schwierig zu sein die Gegend um Preŝevo zu verlassen um weiter zu reisen, da die öffentlichen Reisebusse (unter Druck gesetzt werden) Geflüchteten die Mitfahrt Richtung Belgrad zu verweigern – obgleich die Menschen Serbien bereits betreten und sich dort (ordnungsgemäß) registriert haben. Dass viele Menschen im Süden von Serbien festsitzen und eigentlich nach Belgrad und weiter reisen wollen, eröffnet einen profitablen Markt für mafia-ähnliche Strukturen und Schleuser*innen. Diese können nun hohe Geldbeträge von den Refugees verlangen, die für den Weitertransport auf andere angewiesen sind, da es keine Alternative gibt. Regelmäßig betritt die serbische Polizei das Camp in Preŝevo: Zum Einen werden Menschen von dort aus rechtswidrig in Form von Push-Backs nach Mazedonien abgeschoben, zum Anderen wird ihnen die sogenannte „freiwillige Ausreise“ nach Mazedonien „angeboten“. Informationen über Kriterien, nach denen diese Prozeduren durchgeführt werden, liegen leider nicht vor. Laut Berichten von Refugees nehmen jedoch einige Menschen aus dem Camp das „Angebot“ einer „freiwillige Ausreise“ in Anspruch, da die Chance in einem erneuten Versuch nach Serbien zu kommen, ohne dabei in die Preŝevo-Falle zu laufen, besser seien. Im Norden Serbiens angekommen, macht Ungarns Migrationspolitik es allerdings nahezu unmöglich die Grenze von Serbien nach Ungarn zu passieren ohne entweder von der ungarischen Grenzpolizei und/oder gewalttätigen Grenzjägern aufgegriffen, festgenommen, inhaftiert oder nach Serbien zurück gepusht zu werden. Deshalb probieren viele Menschen mittlerweile wieder die Route über Kroatien. Erst kürzlich saßen hunderte Menschen am serbisch-kroatischen Grenzübergang bei Sid fest. Dort bildete sich für einige Tage ein sogenanntes „wildes“ Camp der Festsitzenden, die gegen das rigide Grenzregime protestierten. Die Polizei reagierte auf den Protest der Menschen, die ihr Recht auf Bewegungsfreiheit forderten, indem sie sie auf verschiedene serbische Refugee-Camps verteilte.

Unschwer zu erkennen ist die große Herausforderung, Grenzen entlang der Balkanroute seit der finalen Grenzschließung in Idomeni. Dennoch versuchen es die Menschen weiterhin. Wo Grenzen, Mauern und Zäune ihnen den Weg versperren, müssen Alternativrouten gefunden werden. So gab es in Bosnien im vergangenen Jahr 2017 im Vergleich zu 2016 eine 380 %ige Steigerung an Refugees, die das Land betreten haben, um von dort weiter nach Kroatien und somit in die EU zu gelangen. Die Rolle Serbiens, aber auch die von Mazedonien und Kroatien verdeutlichte sich während der letzten Jahre zunehmend: Diese Staaten fungieren als Pufferzone vor den Toren Europas. Wobei anzumerken ist, dass die Mehrheit der Geflüchteten nicht in diesen Ländern bleiben will, sondern diese nur als Transitländer durchreist auf dem Weg in die nördlichen europäischen Staaten.

Generell kann eine aktive Verdrängung von Geflüchteten aus öffentlichen Räumen durch Isolation und Inhaftierung wahrgenommen werden. Als Konsequenz werden nicht nur diese Menschen und das Thema Migration, sondern auch das Grenzregime mit all seiner Gewalt und Repression unsichtbar gemacht und verschwindet aus dem Bewusstsein der Gesellschaft.

Interview mit einem Aktivisten, der mit Refugees in Belgrad arbeitet.

Das Interview wurde von Aktivist*innen der Anti-Repressionskampagne You cant evict Solidarity aus Deutschland geführt. Neben vielen persönlichen Gesprächen mit No Border-Aktivist*innen in Serbien wurde das folgende Interview per Mail geschickt.

1. Kannst du etwas über die Situation von Refugees in Serbien und Belgrad erzählen?

Heute sind in Serbien etwa 4000 bis 5000 Refugees. Die meisten leben in offiziellen Camps, die im ganzen Land verteilt sind. Zirka 500 Menschen leben außerhalb dieser offiziellen Zentren (Camps) in inoffiziellen Formen von Unterkünften – ob in den sogenannten „Jungles“ nahe der ungarischen Grenze, in verlassenen Fabrikhallen in Sid an serbisch-kroatischen Grenze oder in leerstehenden Gebäuden in Belgrad. Sie haben nur sehr begrenzten Zugang zu grundlegenden Bedürfnissen wie Wasser oder sanitären Anlagen. Jedoch leben alle, ob innerhalb oder außerhalb der offiziellen Camps unter konstant prekären Bedingungen. Die Möglichkeit einen Asylantrag in Serbien zu stellen, bleibt sporadisch und sehr eingeschränkt. Im Jahr 2017 haben lediglich drei Personen einen Refugee-Status in Serbien erhalten, die restlichen Antragsteller*innen wurden abgelehnt. Die meisten jedoch schaffen es gar nicht erst Asyl zu beantragen, weil die juristische und administrative Unterstützung so gering ist und in vielen Camps nicht zur Verfügung steht.

2. Welche (Refugee-) Camps spielen in diesem Land eine wichtige Rolle?

Preŝevo (serbisch-mazedonische Grenze): Der mazedonische Grenzübergang wird weiterhin vom Ministerium für Arbeit verwaltet. Durch die sehr restriktive Überwachung der Bewegungsfreiheit wird es von den meisten Refugees als offenes Gefängnis wahrgenommen. Im Gegensatz dazu sind die Lebensbedingungen und der Zugang zu bestimmten Dienstleistungen besser als in anderen Camps.

Obrenovac/Krnjaca (Camp südlich von Belgrad): Dieses Camp im Süden Belgrads ist vor allem für allein-reisende junge Männer und Kinder unter 15 Jahren, also unbegleitete Minderjährige, gedacht. Diese beiden nicht weit von Belgrad entfernten Camps sind die Hauptorte, um einen Weg aus Serbien heraus zu finden. Die Sicherheit und Lebensbedingungen vor Ort verschlechtern sich seit dem Sommer. Es wird von Banden berichtet und die Menschen, die in den Camps leben erzählen von gewalttätigen Auseinandersetzungen sowie Belästigungen durch die Polizei und den Mitarbeitern des „Kommissariat für Flüchtlinge und Migration“.

3. Wie hat sich die Situation seit 2015 verändert?

Während Serbien früher ein Transitland war, ist es heute eher eine Falle – ein Ort, an dem die Leute feststecken. Allein gelassen und festsitzend, müssen sie somit ein höheres Risiko eingehen um voranzukommen. 2015 war Serbien nur eines von vielen Ländern, welches die Menschen durchquerten um ihre Reise fortzusetzen. Heute ist es immer noch ein wichtiger Knotenpunkt, ist aber auch immer häufiger eine Sackgasse, die nicht mehr zu verlassen ist.

4. Wie ist die Atmosphäre, die Wahrnehmung und der Diskurs in der Öffentlichkeit bezüglich Migration und Refugees im Moment? Hat es sich in den letzten Jahren verändert?                                                                                                         Über den sich verändernden politischen Diskurs in Serbien kann ich etwas erzählen: Dieser hat sich an die anderen V4-Länder ( Vizegrad: Ungarn, Polen, Tschechien und Slowakei) angepasst. Ausländerfeindlichkeit und Diskriminierung haben sich weiter verbreitet. Während Serbien versucht der EU treu zu bleiben und den V4-Ländern nicht öffentlich beitritt, da Serbien sobald wie möglich in den europäischen Markt eintreten möchte.

5. Wie ist die Situation bezüglich Repression und Kriminalisierung von Refugees, Unterstützungsstrukturen und selbstorganisierten Aktivist* innen?

Weiterhin werden solidarische Strukturen häufig kriminalisiert, jedoch geschieht dies mittlerweile subtiler und weniger offensichtlich im Vergleich zu 2016. Damals hat die Regierung einen offenen Brief veröffentlicht, in dem unterschiedliche Organisationen verboten wurde und auch Essen in der Innenstadt anzubieten.

6. Wie ist es mit Refugees oder zu Themen wie Migration/ Refugees/ Anti-Rassismus in Belgrad und Serbien zu arbeiten?

Es ist schmerzhaft aber auch lohnend. Jedoch haben sich die Gegebenheiten sehr verändert; von einer Notsituation hin zu einer anderen Ebene der politischen und humanitären Antwort bzw. Arbeit. Mit anderen Worten kann man sagen, dass das Geld nun direkt in die Ministerien und nicht mehr in den Sektor der Nichtregierungsorganisationen geht. Dadurch entsteht eine großes Loch welches die Verfügbarkeit gewisser Dienstleistungen verschlechtert. Dadurch werden die Politik der serbischen Regierung und die europäische Politik der Exklusion und Diskriminierung legitimiert. Denn für diese ist es besser tausende von Menschen außerhalb der europäischen Grenzen zu halten, als sie in das europäische Asylsystem zu integrieren.

7. Wer arbeitet hier zu diesen Themen?

Obwohl es weiterhin unterschiedliche Organisationen gibt, die immer noch aktiv sind, hat sich die individuelle und selbstorganisierte Reaktion auf die Situation nach mehr als zwei Jahren des Engagements verringert. Was es heute braucht, sind neue Narrative und neue Kämpfe, denn der Kontext hat sich stark verändert. In Serbien sowie in anderen europäischen Ländern braucht es weiterhin neue Formen und Möglichkeiten der Teilhabe, ein Recht auf Wohnraum, Bildung und Arbeit.

8. Welche Informationen bzgl. der Situation von Refugees/ Migration/ Aktivismus in Serbien würdest du gerne noch hinzufügen?

Was wir heute in Serbien sehen, zeigt die sehr komplexen lokalen und regionalen Dynamiken, die durch die europäische Migrationspolitik an den europäischen Außengrenzen entstehen. Die beständige Gewalt an den europäischen Grenzen dient der Abschreckung; zusätzlich werden die erzwungene Unterbringung in Lagern und die Verschlechterung des politischen Diskurses als Strategien zur Legitimierung von Ausländerfeindlichkeit und vermeintlich benötigten Sicherheitsmaßnahmen genutzt, während Inklusion und der Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen nachlassen.

Verweise:                                                                                                                          https://www.neues-deutschland.de/artikel/1074347.die-neue-balkanroute.html http://bordermonitoring.eu/berichte/2017-Mazedonien-Serbien/

http://www.spiegel.de/fotostrecke/fluechtlinge-auf-der-balkanroute-das-spiel-fotostrecke-156822.html

[Bulgarien] Bulgarisch-Türkische Grenze: Staatsanwalt klagt 21 Asylsuchende des “Riots” an

Genoss*innen haben einen Bericht mit uns geteilt. Für mehr Infos kontaktiert mf@bordermonitoring.eu.

Local District Prosecutor’s Office indicts 21 asylum seekers for a
riot at Harmanli’s refugee camp

A Local District Prosecutor’s Office decided to indict 21 asylum seekers
for “hooliganism with boldness and cynicism concerning the riot which happened in December 2016 in Harmanli’s refugee camp. The riot broke out after authorities closed Bulgaria’s
biggest refugee camp, because of a quarantine issue
<http://bulgaria.bordermonitoring.eu/2016/11/22/harmanlis-refugee-camp-under-quarantine/>.
Before the closing of the camp neo-nazi and right wing protesters
gathered on a regular basis in front of the camp to demonstrate against
foreigners. The authorities obeyed the orders from the xenophobic and
racist groups and parties and closed the camp for several days.

After the riot broke out on the 24th of November 2017, the camp was
stormed in the following night by a special unit of the gendarmerie.
According to several civil rights organizations, volunteers and refugees
many people in the camp were attacked and heavily injured without being
involved in the riot
<http://bulgaria.bordermonitoring.eu/2016/11/24/the-provoked-riot-in-harmanlis-refugee-camp/>.
Krassimir Kanev, the head of the Bulgarian Helsinki Committee (BHC), who
was beaten up himself by unknown people during the middle of the night
in October 2016 stated:

Lots of completely innocent refugees were chased in their rooms,
attacked and severely beaten up by the police in the course of that
operation. Nor is there any prosecution of those who closed the
Harmanli center on the instigation of nationalists, turning it into
a prison for several days, which provoked the riot. Instead, we are
going to have several rioters prosecuted for destruction of property
and hooliganism.

The Center for Legal Aid – Voice in Bulgaria (CLA) condemned „the
absence of investigation of the police use of force against the
asylumseekers:
https://twitter.com/VoiceInBulgaria/status/950641658483355649

Bordermonitoring Bulgaria (BMB) shares the concerns which were raised by
the BHC and the CLA. The aim of the prosecution cannot justify the
possible unlawful acts of the police, the State Agency for Refugees
(SAR) and the the Health Inspectorate, which should be investigated by
an independent agency.

See the full post on Bordermonitoring Bulgaria:
http://bulgaria.bordermonitoring.eu/2018/01/09/local-district-prosecutors-office-indicts-21-asylum-seekers-for-a-riot-at-harmanlis-refugee-camp/