Die Gerhart Haupmann-Schule in der Ohlauerstrasse in Kreuzberg wurde erstmals im Dezember 2012 besetzt, die Besetzung wurde anschließend vom Bezirk geduldet. Als im Sommer 2014 eine Räumung versucht wurde, besetzten Aktivist*innen das Dach der GHS. Daraufhin besetzte die Polizei den Kiez, verprügelte Aktivist*innen, verweigerte Journalist*innen den Zugang, spazierte mit einer Maschinenpistole durch die Gegend, machte die gesamte Nachbarschaft zur militarisierten No-Go-Zone und probte den Ausnahmezustand.
Am 02.07.2014 unterzeichneten die Aktivist*innen und die Vertreter*innen des Bezirks schließlich eine Vereinbarung. Darin war festgelegt, dass die Besetzer*innen in der Schule bleiben können und dort ein selbstverwaltetes Zentrum von Refugees für Refugees, ein antirassistischer Freiraum, entstehen sollte.
Schon nach kurzer Zeit fing der Bezirk allerdings an, die Rechtmäßigkeit der Vereinbarung anzuzweifeln und begann gegen die Aktivist*innen zu klagen. Zwei Mal gewannen die Aktivist*innen. Diesen Sommer jedoch wurde die Vereinbarung in der nächsten Instanz vom Gericht aus unerfindlichen Gründen als zeitlich beschränkt interpretiert. Dementsprechend darf der Bezirk die Schule räumen lassen und wird dies auch tun. Die Gerichtsvollzieherin hat sich für den 11. Januar 2018 angekündigt.
Langsam regt sich erneut Widerstand gegen diese rassistische Verarsche und die anstehende Räumung. Im Dezember demonstrierten Black Lives Matter Berlin zusammen mit den Aktivist*innen aus der Schule gegen strukturellen Rassismus. Für den 29.12. ist ein Plenum im Bethanien einberufen worden, dass Aktionsmöglichkeiten rings um die anstehende Räumung diskutieren will.
Timeline der Ereignisse 2014:
https://de.squat.net/2014/06/28/berlin-raeumung-der-von-refugees-besetzten-schule-in-der-ohlauer-strasse/
Aktueller Stand:
https://www.taz.de/Archiv-Suche/!5463761&s=ohlauer/
AUFRUF:
Bewegungsfreiheit statt Staatsgewalt! Aufruf zu Solidarität mit den Bewohner*innen der Gerhart-Hauptmann-Schule
Am 11. Januar soll die Gerhart-Hauptmann-Schule geräumt werden. Es ist zwar in den letzten drei Jahren etwas ruhiger um die Ohlauerstraße geworden, aber die Relevanz der Kämpfe dieser Gruppe ist nach wie vor groß. Lange vor der ‘Willkommenskultur’ zeigte der March of Freedom, in dem Hunderte Geflüchtete aus Würzburg demonstrierend in die Hauptstadt zogen, nicht nur die dringende Notwendigkeit einer Änderung im gesellschaftlichen Umgang mit Geflüchteten. Auch zeigte diese Bewegung, dass Geflüchtete sich selbst den Status politischer Subjekte erkämpfen und ihre Forderungen in der Öffentlichkeit vertreten. Sichtbarkeit und Stimme, die ihnen von der weiß-deutschen Mehrheitsgesellschaft traditionell verweigert wird; die polizeiliche Räumung ist ein Teil dieses herrschaftlichen Umgangs. Damit haben die Besetzer*innen vom O-Platz und aus der Schule einen bedeutenden und nachhaltigen Einfluß auf eine ganze Generation von Aktivist*innen hinterlassen. Der aktivistische Kampf war stark, mutig und lebendig. Mit der Besetzung des Oranienplatzes verwandelten sie Kreuzberg für mehrere Monate in einen experimentellen Raum. Mit den Hungerstreiks am Brandenburger Tor, am Alexanderplatz und an der Gedächtniskirche erreichten sie große Kreise und Einfluß.
In den mehr als fünf Jahren seit dem Camp auf dem Oranienplatz haben die Aktivist*innen sich gegen Erpressungen, Spaltungen und Lügen behaupten müssen. Nach der angedrohten Räumung im Sommer 2014 war das letzte Mittel, das ihnen gelassen wurde, die Drohung mit dem eigenen Tod. In der tagelangen Dachbesetzung erkämpften sie sich gegen ein Großaufgebot der Polizei und extremen Druck von Seiten der rot-schwarzen Landes- und der grünen Bezirkspolitik das Recht in der Schule zu bleiben. Und trotz des Drucks blieben sie standhaft und haben uns gezeigt wie Selbstorganisation weitergehen kann. Ihr Kampf war eine der größten politischen Bewegungen in der Geschichte der BRD. Sie wurde inzwischen von den folgenden Asylrechtsverschärfungen der Großen Koalition und der völkischen Bewegungen um Pegida in den Hintergrund gedrängt. Die Relevanz der damaligen Bewegung ist dadurch aber nicht gesunken, im Gegenteil: Die Orte des Kampfes verschoben sich von der Gerhart-Hauptmann-Schule an die Balkan-Route, nach Idomeni, Calais oder in die Willkommens-Initiativen und Behörden in jeder deutschen Kleinstadt. Die Bewegung vom O-Platz hin zur Schule hat nie aufgehört, sie hat nur den Ort gewechselt. Jetzt kehrt sie zur Schule zurück und damit zu einem der Kristallisationspunkte unseres Kampfes um Bewegungsfreiheit.
Wenn am 11. Januar die Polizei anrückt, um die ehemaligen Besetzer*innen gewaltsam aus ihren Wohnungen zu zerren, dann kulminiert darin der langjährige Kampf der Bewohner*innen und Unterstützer*innen gegen die staatstragende Politik der Kreuzberger Grünen. Denn entgegen der damaligen Vereinbarung eines Wohnrechts der Besetzer*innen schikanierte der Bezirk die Bewohner*innen und versuchte die staatliche Kontrolle zurück zu bekommen: Security-Personal schränkte die erkämpfte Bewegungsfreiheit sofort ein und gerichtlich wurde nach einer Zwangsräumung gesucht. Nach mehr als drei Jahren haben die Grünen nun den Räumungstitel, den sie schon immer wollten. Wir wollen das nicht lautlos hinnehmen. Die Geflüchteten-Bewegung hat uns gezeigt, in welch produktivem Verhältnis der Kampf der direkt Betroffenen und Unterstützer*innen sein kann. Die Formen, die dieses Verhältnis annimmt, hängen auch von der konkreten Situation ab. Mit der letzten Demonstration am 16. Dezember stellten die ehemaligen Besetzer*innen ihren Kampf selbst in den größeren Kontext von rassistischen Politiken und kapitalistischer Stadtpolitik.
Nehmen wir ihren Aufruf zur Solidarität aufs Neue auf!
Achtet auf Ankündigungen
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Freedom of Movement instead of State Violence. Call for Solidarity with the Inhabitants of the Gerhart-Hauptmann-Schule
On January 11, the Gerhart-Hauptmann School is to be evacuated. Although it has become a little quieter around the Ohlauerstraße in the last three years, the relevance of the group’s struggles is still there. Long before the ‘welcome culture,’ the March of Freedom showed (in the demonstration of hundreds of refugees from Würzburg to the capital) not just the urgent need for change in the social interaction with refugees. The movement also showed that refugees can achieve the status of political subjects and represent their demands in public. Visibility and voice are traditionally denied by the white-German majority society; the police eviction is a part of this attitude. The squatters of the O-place and the school have thus had a significant and lasting influence on a whole generation of activists. The struggle was strong, courageous and lively. With the occupation of the Oranienplatz, they turned Kreuzberg for several months in an experimental space. With the hunger strikes at the Brandenburg Gate, Alexanderplatz and at the Gedächtniskirche they reached large circles and influence.
In the more than five years since the camp on the Oranienplatz, the activists had to face blackmail, divisions and lies. After the threatened eviction in the summer of 2014, the last option left to them was the threat of their own death. In the day-long occupation of the roof, they fought against a large contingent of the police and extreme pressure from the red-black coalition and the green district policy to obtain the right to stay at school. And despite the pressure, they remained firm and showed us how self-organization can continue. This struggle was one of the biggestpolitical movements in the history of the BRD. She was pushed into the background by the tightening of asylum policies by Grand Coalition and the nationalist movements around Pegida. However, the relevance of the movement did not decrease. On the contrary, the places of struggle shifted from the Gerhart Hauptmann School to the Balkan Route, to Idomeni, Calais or in the welcome initiatives and authorities in every German town. The movement from O-space to the school never stopped, it just changed place. Now it returns to school and thus becomes once again one of the crystallization points of our struggle for freedom of movement.
When on January 11 the police come to forcibly drag the former squatters out of their home, it is the culmination of the long-standing struggle of the inhabitants and supporters against the state sponsored policy of the Green Kreuzberg politicians. Contrary to the once agreed upon right of residence of the squatters, they were harassed as the state tried to regain control: security personnel restricted freedom of movement and judicially a forced eviction was sought. After more than three years, the Greens now have the eviction title they always wanted. We won’t accept this without making noise. The refugee movement has shown us what a productive relationship between the struggles of those directly affected and supporters can look like – also dependent on the concrete situation. During the last demonstration on the 16th of December, the former squatters themselves put their fight into the larger context of racist policies and capitalist urban policy.
Let us renew our call for solidarity!
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