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[Thessaloniki – Griechenland ] Linkes Squat “Libertatia” von FaschistInnen angegriffen und abgebrannt

Angriffe aus Demo von 40.000 „aufrechten“ Griech*innen

Es war ca. 16 Uhr am Nachmittag, die antinationale Gegendemo wurde gerade aufgelöst, als uns die Nachricht erreichte, dass nach einer Serie von Angriffen auf solidarische Häuser das linke Squat Libertatia abgebrannt wurde.

Der Namensstreit um das Nachbarland von Griechenland schwelt schon lange. In den 90er Jahren gingen hunderttausende Menschen in Griechenland auf die Straßen, um ihren Unmut kundzutun. Im Kern wird der Name Mazedonien alleinig der Region Nordgriechenlands zugeschrieben. Auch die „Nationalität“ Alexanders des Großen wird in Frage gestellt. Mazedoniens orthodoxe Bevölkerung wird auch aufgrund der Religion als griechisch angesehen und eines der Banner auf der Demo in Thessaloniki am 21. Januar 2018 trug die Aufschrift „WIR sind Mazedonien“.

Zu der Demo rief ein sehr unterschiedliches Spektrum auf, von christlich-orthodoxen Priestern bis zu nationalistisch-konservativen Oppositionsparteien und Rechtsextremen; die Stimmung auf dem Platz war geprägt von tausenden blau-weißen Flaggen, martialisch auftretenden Neo-Nazis aber auch Familien mit Kindern.

Mazedoniens Bestreben in die NATO aufgenommen zu werden oder der EU beizutreten, wird von Athen mit seinem Veto-Recht blockiert. Es werden Forderungen geaeussert, dass Mazedonien seinen Namen vollständig ändern soll, auf griechischen Landkarten wird es als „ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien“ bezeichnet. Auch Alexis Tsipras aeusserte sich, angesichts der fortschreitenden Verhandlungen mit der NATO, man solle in Betracht ziehen, dass es ein „Nord-Mazedonien“ oder ein „Neu-Mazedonien“ geben könne, um diesen „nationalen Unsinn“ zu beenden.

Wie das Libertatia in eigenen Stellungnahmen schreibt, haben die Angriffe auf die besetzten Häuser im Schutze dieser Massendemonstration stattgefunden und ist auch nur durch die Deckung dieser nationalistischen Menge möglich gewesen. Die Stimmung in Thessaloniki kippte an diesem Tag, hin zu einem Klima der Angst und Repression. Migrantischen* Freunden wurde empfohlen nicht aus dem Haus zu gehen. Später am Abend wurde berichtet, dass maskierte und mit Knüppeln bewaffnete Rechtsextreme auf Motorrädern durch die Stadt patrouillierten.

Ein Mob aus 60-70 Faschisten und Fußball-Hooligans griff unter anderem das soziale Zentrum Skoleio („Schule“) mit Steinen an und wurde von der anwesenden Polizei nicht daran gehindert. Das Libertatia berichtet von einem ersten Angriff, der abgewehrt werden konnte. Später wurde das Libertatia ein zweites Mal von einem Mob mit Banner in Anwesenheit von Polizeikräften angegriffen. Dieses Mal flogen Bengalos, die aufgrund der chemischen Reaktion extrem schwer zu löschen sind, in das Haus. Protestierende Nachbar*innen wurden beschimpft und zum Teil auch beworfen. Die Polizei stand währenddessen mit einem Streifenwagen und einem Auto der Zivilpolizei daneben und griff nicht ein.

Im Zuge dessen brannte das Libertatia vollständig aus.

Das Kollektiv des Libertatia rief daraufhin zu einer Solidaritätsdemonstration am darauffolgenden Tag auf. Diese war kraftvoll, energisch und lautstark. Gegen Ende der Demonstration griff die Polizei die DemonstrantInnen mit Tränengas an. Im Zuge von kleineren Rangeleien wegen einer Blockade durch die Polizei wurden fünf Protestierende festgenommen, der Gerichtstermin für eine eventuelle Untersuchungshaft findet am Freitagvormittag, 26.01.18, statt.

 

Stellungnahme des Libertatia:

Solidarity demonstration for the squat Libertatia

Squat Libertatia’s statement regarding today’s arson

Today – Sunday, January 21th – around 1.30pm and just before the
nationalist gathering for Macedonia, fascist teams who took part in it
realized several attacks on occupied spaces.
First, they attacked the free social space "Σχολείο" and they were
rejected with success by our comrades. Then, they approach our squat,
provoking some damages on the facade and the fence. These damages were
fixed immediately by the members of our collective, who then decided to
join the antinationalist gathering in Kamara. About two hours later, a
group of some 60/70 fascists attacked again our squat with molotov
cocktails and distress flares, which provoked the fire. At this time,
there were no-one left in the building as everyone were in the gathering
in Kamara. While the attack was going on, there were so many cops in
plain clothes and vans of the antiriot police (τα ΜΑΤ) who were staying
next to the squat. They covered the attack without intervening.
The resistance of the neighborhood must be noticed, as some people went
to their balconies and screamed at the fascists, who replied insulting
them and throwing flares to them. When the fascists tried to head again
towards Σχολείο, the police was already there holding the place,
covering the fascists and locking the comrades inside the building.
Don’t be fooled: these attacks and the setting on fire of the building
couldn’t have happened without the « support » of the gathering for
Macedonia. They were going there and they were coming back from there.
All the far-right and neo-nazi groups were calling for this gathering
but no-one gave a fuck about it, offering them social legitimacy and
public space so they could express and act freely. We know very well
that all this couldn’t have happened under other circumstances and
that’s why everyone should clarify its position regarding fascism. All
these energies from such actual and real groups work as supplements for
the repression from the State agains those who fight and resist for
something better. Everyone should have a stand regarding the arson of a
building with more than a century of history which has been abandoned
for decades. The arson of a building that we, anarchists, libertarian
communists and revolutionnaries, have decided to renove and maintain,
first to cover housing needs of proletarians, migrants and people who
are expelled by the State and Capitalism and also in order to create a
radical political space where people can grow together and promote a new
libertarian culture. It must be clear to everyone that we are here
talking about a criminal act, which could have ended with tragic
consequences, i.e deaths.
These attacks doesn’t mean that we will stop fighting against the State,
capitalism and fascism. No attack can manage neither terrorizing us nor
making us do curtsey for any fascist, but with conscience and
determination, for a society of equality and freedom, we will continue
to fight our ideal.

THE FASCIST ATTACKS WON’T STAY UNANSWERED
LET’S RAISE DIKES AGAINST THE FASCIST THREAT
FOR ANARCHY AND LIBERTARIAN COMMUNISM
DEMONSTRATION ON MONDAY 01/22 AT 6PM IN FRONT OF THE SQUAT

during the demo 5 people got arrested
the court is at friday
we need any kind of political solidarity
also there is a need of economical support (fistrly for the court money
- that could be around 6000 Euros - secondary to start rebuilding the
squat)

there will be more feedback the next days.

For anarchy and libertarian communism

Libertatia, collective for libertarian communism

p.s.

-please forward the e-mail to other collectives or individuals
-usefull links: https://www.facebook.com/libertatiasquat/
                http://libertatiasquat.blogspot.gr/

[Thessaloniki] Besetzung Libertatia von Faschist*innen niedergebrannt

Am vergangenen Sonntag (21. Januar 2018) wurde in Thessaloniki (Griechenland) am Rande einer Großdemo griechischer Nationalist*innen die Hausbesetzung Libertatia von Faschist*innen niedergebrannt. Wir dokumentieren eine Stellungnahme der Besetzer*innen (Quelle: https://barrikade.info/Stellungnahme-der-Besetzung-Libertatia-Thessaloniki-745):

Thessaloniki: Besetztes Haus von Faschisten niedergebrannt – Stellungnahme der Besetzung Libertatia

Heute, am Sonntag, dem 21.1.2018, um circa 13.30, kurz bevor die nationalistische Demonstration für den Namen Mazedonien anfing, haben faschistische Gruppen, welche an dieser Demo teilnahmen, eine Serie von Angriffen auf verschiedene Besetzungen in Thessaloniki begonnen. Nachdem sie das freie, soziales Zentrum und Besetzung „Scholio“ angriffen, wo sie mit Erfolg zurückgeschlagen werden konnten, griffen sie unsere Besetzung an und verursachten Schäden am Zaun und an der Fassade. Diese Schäden wurden von Mitgliedern unserer Gruppe sofort wieder repariert. Unsere Gruppe entschied sich danach, an der anti-nationalistischen Versammlung am Kamara teilzunehmen. Nach etwa zwei Stunden wurde unsere Besetzung von einer Gruppe von 60–70 Faschisten erneut angegriffen. Dieses Mal mit Molotowcocktails und Bengalen, wodurch das ganze Haus in Brand gesteckt wurde. Zu diesem Zeitpunkt befand sich niemand im Gebäude, wegen der Versammlung am Kamara. Während der ganzen Attacke auf die Besetzung waren Zivilpolizisten und ein Bus der Spezialeinheit MAT vor der Besetzung parkiert. Sie schützten den Angriff und zeigten keine weitere Reaktion. Die Reaktionen der Nachbarschaft müssen erwähnt werden. Die Leute standen auf den Balkonen und schrieen die Faschisten an. Diese schimpften Beleidigungen zurück und warfen auch auf die Nachbarn Bengalen. Als die Faschisten danach erneut die Besetzung „Scholio“ angriffen, legte die Poliziei dieselbe Parteilichkeit an den Tag: die Angreifer wurden beschützt und die GenossInnen des „Scholio“ wurden in ihrem Gebäude eingeschlossen.

Wir sollten uns nicht täuschen: Ohne der Mazedonien-Demo wären diese Angriffe der Faschisten nicht möglich gewesen, denn diese Demo war ein Schutzraum für die faschistischen Angriffe. Die Angreifer gingen zu dieser Demo und kamen von ihr wieder zurück.
Alle rechtsextremen und Neonazi-Gruppen riefen zu dieser Demo auf, aber niemand kümmerte dieses Faktum. Ihnen wurde dadurch soziale Legitimität und öffentlicher Raum geboten, um sich auszudrücken und zu handeln. Wir sind uns ganz genau bewußt, dass diese Dinge unter anderen Umständen nicht möglich gewesen wären, und deswegen muss jeder und jede darüber nachdenken, wie er sich gegen Faschismus stellen kann. Diese Aktionen paramilitärischer Gruppen funktionieren als Unterstützung der staatlichen Repression gegen alle Menschen, die kämpfen, und für etwas Besseres einstehen. Denken wir alle darüber nach, wer von der Brandstiftung an einem Gebäude mit einer mehr als hundertjährigen Geschichte profitiert, welches für mehrere Jahrzehnte leergestanden ist. Ein Gebäude, das wir als Anarchisten, libertäre Kommunisten und Revolutionäre entschieden, zu besetzen und zu renovieren, einerseits um den Bedarf an Wohnraum von Proletariern, Immigranten und Leuten, die von Staat und Kapital angegriffen werden zu decken, anderereits um einen freien Raum radikaler politischer Auseinandersetzungen von Individuen zu schaffen und eine neue, libertäre Kultur zu fördern. Es muss deutlich festgestellt werden, dass es sich um eine kriminelle Aktion handelt, die auch ein weit tragischeres Ergebnis zur Folge gehabt haben könnte, das heißt Tote.

Diese Angriffe werden uns auf keinen Fall aufhalten. Wir werden den Faschisten keinen solchen Gefallen tun, sondern weiterhin mit stählernem Bewusstsein und Trotz für eine Gesellschaft von Gleichheit und Freiheit und unsere Ideale kämpfen! Gegen Staat, Kapital und Faschismus!
Kein Angriff kann uns terrorisieren!

FASCHISTISCHE ANGRIFFE WERDEN NICHT OHNE ANTWORT BLEIBEN!
ERRICHTEN WIR BARRIKADEN GEGEN DIE FASCHISTISCHE BEDROHUNG!
FÜR DIE ANARCHIE UND DEN LIBERTÄREN KOMMUNISMUS!

Demo: 22.1., 18.00 Uhr, vor der Besetzung Libertatia.

Libertatia/Gruppe für den libertären Kommunismus

[Röszke 11] Bericht von Ahmed H.s Prozessterminen am 8., 10. und 12. Januar 2018 in Szeged

Im Jahr 2016 wurde Ahmed in erster Instanz wegen der Proteste gegen die Grenzschließungen am serbisch-ungarischen Grenzübergang Röszke im September 2015 wegen “Terrorismus” zu 10 Jahren Haft verurteilt. Seit dem 8. Januar 2018 wird der Fall von Ahmed H. im Amtsgericht Szeged (Ungarn) in der Revisionsrunde wieder aufgenommen.

Grenzschließung in Röszke. Widerstand. Repression.

Am 15.September 2015 riegelte die ungarische Regierung den zu der Zeit hoch frequentierten serbisch-ungarischen Grenzübergang Röszke auf der Balkanroute mit einem Stacheldraht bewehrten Zaun und massiver Polizeipräsenz ab. Am Folgetag, dem 16.September 2015, kam es zu einem Protest der vielen Menschen, die ihren Weg Richtung Norden fortsetzen wollten und nun festsaßen.

Im Rahmen dieses kollektiven Widerstandes gegen die Abschottung durch den von Ungarn errichteten und von der EU-Politik unterstützten Grenzzaun, wurden elf Personen von der ungarischen Polizei festgenommen und mit dem Vorwurf des „illegalen Grenzübertritts“ und „Vandalismus“ inhaftiert. Zehn dieser als „Röszke 11“ bekannten Angeklagten wurden bereits 2016 zu ein bis drei Jahren Haft verurteilt und sind nun wieder frei. Lediglich Ahmed H., der seine Eltern über die Balkanroute begleiten wollte, jedoch selber bereits seit mehreren Jahren in Zypern lebt, sitzt seit nun mehr als zweieinhalb Jahren im Hochsicherheitstrakt eines Budapester Gefängnisses. Er muss sich gegen den Vorwurf des Terrorismus rechtfertigen – allein und weit entfernt von seiner Frau und seinen Kindern. Die rechte Fidesz-Regierung Ungarns, mit Orban als Staatsoberhaupt, nutzt den Prozess gegen Ahmed H., um ihre ausschweifende rassistische Propaganda gegen Geflüchtete im Land zu untermauern. Als Schauprozess mit nationaler Medienwirksamkeit wird an Ahmed H. ein Exempel statuiert und er selber zum „Prototypen“ eines vermeintlich „gefährlichen muslimischen Flüchtlings“ stilisiert, der eine Terrorgefahr für den ungarischen Staat darstellt.

Wie stark politisch der Prozess aufgeladen ist, zeigte sich allein dadurch, dass die Unterstützer*innen von Ahmed monatelang nach einem Anwalt suchen mussten, der ihn verteidigen konnte. Nahezu unmöglich ein*e Anwält*in zu finden, die den Mut aufbringen konnte, eine Person zu verteidigen, die wegen Terrorismus angeklagt wird. Dazu noch im Kontext von Migration – in einem Staat, der seinen Bekanntheitsgrad in den letzten Jahren vor allem durch Diskriminierung Geflüchteter, diversen Strategien der Abschreckungs- und Abschottungspolitik sowie offenkundiger rassistischer Hetze bis hin zu staatlich ausgebildeten und bewaffneten „Border Hunters“ erlangt hat. Der öffentliche Druck ist immens, sodass selbst das internationale Helsiki Committee ablehnte, Anwält*innen für Ahmed zu stellen. Schließlich wurde ein Anwalt gefunden, der unglaubliche 20 000€ verlangt und Ahmed im Prozess eher mäßig als gut unterstützt. Im Folgenden werden einige Erlebnisse von den Prozesstagen geschildert.

Erster Prozesstag: 08. Januar 2018

Am ersten Prozesstag waren viele internationale Unterstützer*innen und Presse vor Ort, vor allem ungarische Staatsmedien. Ohne Registrierung war es schwer in den Gerichtssaal zu kommen. In Fußfesseln wurde Ahmed H. um kurz nach 9:00 Uhr morgens am Montag von zwei vollvermummten Polizisten in den Gerichtssaal geführt. Um das rechte Handgelenk trug er eine Handschelle mit befestigter Leine, an der einer der Beamten ihn permanent festhielt. Jegliche Interaktionsversuche zwischen Ahmed und seinen Unterstützer*innen wird von den Polizist*innen vor und nach dem Prozess unterbunden – und sei es nur der Austausch eines Lächelns. Bei solchen Versuchen wurde Ahmed sofort von den Polizisten außer Sichtweite gezogen. Der Richter fokussierte die Aussagen von Ahmed H. und befragte ihn zur Situation an der Grenze; wo die Grenze angefangen habe, was er gemacht oder zur Polizei gesagt habe, ob er Steine geworfen habe, was nicht bewiesen werden konnte. Aus Ahmeds Perspektive wurde klar, dass die Situation sehr unübersichtlich war und die Ansagen der Polizei schwer zu verstehen waren. Er betont,  die Polizei nicht bedroht, sondern im Gegenteil als Kommunikationsperson fungiert zu haben. Ahmed H. habe die Polizei gebeten, die Menge wegen der vielen Kinder und kranken Menschen passieren zu lassen. Anschließend wurden Aussagen von Polizist*innen vorgelesen, die am 16. September 2015 am serbisch-ungarischen Grenzübergang Röszke eingesetzt waren. Diese waren in großen Teilen widersprüchlich. Viele hatten Ahmed nicht gesehen bzw. konnten zu den Vorwürfen gegen ihn keine Aussagen machen.

An diesem ersten Prozesstag stellte die Regierung eine Homepage online, auf der stand „Ahmed H. ist ein Terrorist“.

Zweiter Prozesstag: 10. Januar 2018

Auch am zweiten Prozesstag hatten sich im Gerichtssaal etwa 25 internationale Unterstützer*innen eingefunden – viele davon Mitglieder der „Free the Röszke 11- Kampagne“ sowie Amnesty International zur kritischen und solidarischen Prozessbegleitung und –beobachtung. Im Zentrum des zweiten Prozesstages, der mit Pausen über sechs Stunden andauerte, standen Analysen eines vierstündigen Videos vom 16. Septembers 2015 am serbisch-ungarischen Grenzübergang Röszke. Der Richter ging das Video akribisch durch, zeigte Szenen in Slow-Motion, gezoomt oder angehalten. Gestoppt wurde das Video allerdings vor dem polizeilichen Angriff auf die Protestierenden, die sich in der weiteren Chronologie des Tages abspielten. Der Richter führte während des gesamten Prozesstages durch das Beweismaterial, was eigentlich Aufgabe der Staatsanwaltschaft gewesen wäre. Die offensichtliche Motivation des Richters und Staatsanwaltes war Ahmed als Rädelsführer des Protests und alleiniger Urheber der Auseinandersetzungen zu identifizieren bzw. bei ihm vermeintliche Anzeichen und Verhaltensweisen zu erkennen, die auf „Terrorismus“ hindeuten sollten. Durch immensen Druck und endlosem Nachhaken versuchten sie ihn dazu zu bringen sich auf dem Video als Person, die Steine werfen soll zu identifizieren.

Am Vortag der Videoaufnahmen – am 15. September 2015 – war der Grenzübergang Röszke durch einen Zaun von ungarischer Seite geschlossen worden, sodass tausende Menschen auf der Flucht auf der serbischen Seite stecken blieben und ihren Weg nicht fortsetzen konnten. Auf den tonlosen Videoaufnahmen konnte man sehen, wie sich gegen Mittag des 16. Septembers zuerst verhalten und dann immer stärker Protest auf serbischer Seite formierte. Auf ungarischer Seite – hinter dem neuen Grenzzaun – stand eine lose Polizeikette, die sich verdichtete, als die Protestierenden gegen das Tor im Zaun drückten und Transparente hoch hielten. Die Polizist*innen setzen ihre Helme auf. Ein Übersetzer vermittelte zwischen Polizei und Protest, im Laufe des Protestes wurden Wasserwerfer und Räumpanzer an das Grenz-Tor gefahren.

Der Richter und der Staatsanwalt interpretierten Handzeichen der Protestierenden (nicht Ahmed) in dem Sinne, dass Menschen, die mit ihren Fingern ein „V“ zeigten oder eine offene Hand, also eine „5“, dass diese Handzeichen ein Aufruf bzw. ein Countdown an die Menschenansammlung bzw. Polizei bedeuten sollten, wie viele Minuten es noch seien bis die Grenze „gestürmt“ werden sollte. Anzumerken ist hier, dass das Fehlen des Tons bei den Videoaufnahmen keinerlei ganzheitliche Abbildung der Situation darstellt und außerdem Menschen – unabhängig von Nationalität und weltweit – Handgesten zur Kommunikation verwenden.

Lange Zeit war Ahmed H. auf den Videoaufnahmen nicht zu sehen. Als er zu sehen war, verhielt er sich eher unauffällig. Dennoch stoppte der Richter das Video immer wieder, um Ahmed an der „Leine“ nach vorn führen zu lassen und ihm heran gezoomte Aufnahmen lange zu zeigen, bis er selber nicht mehr sicher sagen konnte, ob er auf dem Bild zu sehen sei oder nicht. In den Szenen, in denen Ahmed zu erkennen war, machte er beruhigende Gesten zur Menschenmenge und zur Polizei. Szenen, in denen er angeblich Steine werfen sollte, waren verwischt von Tränengas und Wasserwerfer und sehr unscharf.

Später am Nachmittag des 16. Septembers hatten es die Protestierenden geschafft gemeinsam und friedlich das Tor des Zauns zu öffnen, woraufhin sich schwer gepanzerte Polizei mit Helmen und Schilden positionierte, massiv Tränengas in die Menschenmenge sprühte und Wasserwerfer einsetzte. Nun standen sich Polizei und Protestierende Auge in Auge gegenüber.

Als später in den Videoaufnahmen ein Mikrofon erschien, das von verschiedenen Menschen in der Menge umher gereicht wurde, versuchte der Richter erneut zu identifizieren, ob Ahmed H. in das Mikrofon spricht. Der Fakt, dass Ahmed durch das Mikrofon versucht hat, die Menschenmenge zu beruhigen und Panik zu verhindern, wie er es selber im Prozess sagte, fiel wenig ins Gewicht – im Gegenteil schien das tonlose Video für den Richter und den Ankläger eines der vielen isolierten Einzelteile zu sein, die als Beweise für Terrorismus verpackt werden können.

Der Prozesstag war lang und anstrengend. Ahmed H. sitzt seit mehr als zweieinhalb Jahren in Isolationshaft in Budapest und wirkte erschöpft. Nach vier Stunden Videoanalyse und Befragungen fragte Ahmed: „What kind of terrorist am I, who is doing nothing for hours?“ – während Richter und Ankläger unaufhörlich versuchten aus einzelnen Momentaufnahmen, Verhaltensweisen oder Aussagen zusammenbasteln, bis daraus das Bild eines Terroristen gezeichnet werden kann.

Soliaktion: Flashmob in Szeged

Am Donnerstag, den 11. Januar 2018, gab es einen spontanen Flashmob in Szeged in Solidarität mit Ahmed. Die internationalen Unterstützer*innen machten mit Flyern, Transparenten und Redebeiträgen in Ungarisch auf die Situation von Ahmed und den Prozess aufmerksam. Nach wenigen Minuten wurden sie von einem massiven Polizeiaufgebot u.a. Zivilpolizist*innen mit Nazi-Klamotten eingekreist und mehrere Stunden festgehalten. Nach einer Personalienfeststellung und dem Einzug aller Flyer und Transparente sowie der Lautsprecherbox, wurden sie schließlich freigelassen, mit der Ansage, dass nach dem/der „Anführer*in“ des Protestes gesucht werde. Dieser Vorfall war nicht der erste dieser Art und zeigt einmal mehr, dass auch die bloße Unterstützung von Ahmed und der Widerstand gegen die Politik der ungarischen Regierung massiv kriminalisiert werden. Am gleichen Abend fand eine Infoveranstaltung von Menschen der FreetheRöszke11-Kampagne in einem Szegeder Café für lokale und internationale Interessierte statt.

Dritter Prozesstag: 12. Januar 2018

Am dritten Prozesstag patroullierten bereits morgens Polizisten vor dem Gerichtsgebäude, die Unterstützer*innen wurden im Gebäude von Zivilpolizist*innen kontrolliert und während dem Prozess im Gerichtssaal abgefilmt. Die Atmosphäre war angespannt. Nachdem Ahmed H. hereingebracht worden war, zeigte der Richter verschiedene kürzere Videos. Auf diesen war Ahmed zu hören, wie er – nachdem die Polizei sich aus der Offensive zurückgezogen hatte – zu den Menschen sagt „Lets clean this space“ und zur Polizei „Thank you“ sagte, ein verletztes Mädchen auf die ungarische Seite trägt und Familien half. Der Richter skizziert es als „auffällig“, dass Ahmed in einer weiteren Videosequenz zu erkennen ist, wie er sich auf den Boden bückt – „I was cleaning“, antwortet Ahmed daraufhin, was er zuvor durch das Megafon gesagt hatte. Auch hier brach das Video ab bevor zu sehen war, wie brutal die Polizei auf die Menschen losstürmte, einprügelte und sie wegschleifte, die nach dem Rückzug der Polizei die ungarische Seite der Grenze betreten hatten.

Grundsätzlich waren in allen Videosequenzen, in denen Ahmed zu sehen war, vor allem seine Bemühungen zu erkennen: einen Dolmetscher zu bekommen, mit der Polizei zu verhandeln, die Menge zu beruhigen oder es waren Sätze zu hören wie „We want only peace“. Auch die Auseinandersetzungen mit der Polizei entstanden erst, nachdem die Menschen stundenlang ausharrten und die Polizei anfing die wartenden und protestierenden Menschen mit Wasserwerfer und Tränengas anzugreifen.

Nach einigen Pausen wurde der Prozess überraschend gegen Mittag beendet und zwei weitere, letzte Prozesstermine für den 14. und 19. März angesetzt. Beim Herausgehen konnten die Unterstützer*innen Ahmed einige Dinge zurufen, vor dem Gericht wurde eine Unterstützerin von Zivilpolizisten herausgezogen, kontrolliert und abfotografiert.

Schlussfolgernd zeigt sich anhand der aktuellen Prozesstermine und den Befragungen, dass dieses Verfahren kein faires und ergebnisoffenes Verfahren ist. Der Grundstimmung gegen Ahmed H. seitens des Gerichts ist in den Befragungen und Beweisaufnahmen voreingenommen und feindlich. Außerdem ist der politische Druck auf das Gericht groß, ihn erneut als „Terroristen“ zu verurteilen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass am 8. April 2018 die ungarischen Parlamentswahlen anstehen. Letzteres lässt vermuten, dass Ahmeds Fall politisch weiterhin instrumentalisiert werden wird.

Ahmed H. soll auch in Zukunft nicht allein stehen und wird weiterhin solidarisch in den folgenden Gerichtsprozessen sowie während seines Gefängnisaufenthaltes begleitet und unterstützt so gut es geht. Daran können sich alle beteiligen!

Schreibt Briefe an Ahmed:
Verein zur Förderung feministischer Projekte
Kleeblattgasse 7
1010 Vienna
Austria

Spendet für die Solidaritäts-Kampagne:
Empfänger:  Rote Hilfe e.V. Ortsgruppe Frankfurt
IBAN: DE24 4306 0967 4007 2383 90
BIC: GENODEM1GLS​
Betreff: Röszke 11

Mehr Infos:
www.cantevictsolidarity.noblogs.org
www.freetheroszke11.weebly.com
www.helsinki.hu/en

[Röszke 11] Bericht von Ahmed H.`s Prozess am 12. Januar

Nachdem am gestrigen Donnerstag eine spontane Protestkundgebung von internationalen Unterstützer*innen von Ahmed H. in Szeged durch einen massiven Polizeieinsatz, stundenlanger Personalienfeststellung und Einzug aller Flyer und Banner beendet wurde, ging am heutigen Freitag, den 12.1., der Prozess gegen Ahmed weiter.

                Solidarität aus Zagreb, Kroatien: “Die Sonne scheint für alle! Freiheit für Ahmed!”

Diesmal war von entspannter Atmosphäre nicht viel zu spüren. Vor dem Gericht patroullierten Polizist*innen, im Gericht kontrollierten Zivilpolizist*innen die Unterstützer*innen bereits im Gang und filmten diese während dem gesamten Prozess im Gerichtssaal ab. Ahmed wurde diesmal über die Hintertür hereingebracht.

Nachdem Ahmed gefesselt hereingebracht worden war, zeigte der Richter diesmal mehrere kürzere Videos von Polizist*innen sowie Nachrichtensendern. Dabei lag der Fokus auf Ahmed, wie er in ein Megaphon spricht, und was er zur Polizei und der Menge gesagt hatte. Der Übersetzer erklärte Ahmed habe in Englisch und Arabisch “Please wait” und “Dont throw things” zur Menge und zur Polizei u.a. “We love Hungary”, “We are peaceful” gesagt und einen Dolmetscher gefordert hatte, sowie die Polizei gefragt hatte was sie tun sollten. Es zeigte sich, dass Ahmed durchwegs deeskalierend gehandelt hatte und mit der Polizei verhandeln hatte wollen.

Nach mehreren Pausen war der Prozess überraschend gegen Mittag vorbei und es wurden zwei neue Termine am 14. und 19. März festgesetzt, zu denen auch das Urteil erwartet wird. Beim herausgehen konnten wir Ahmed einige Dinge zurufen, vor dem Gericht wurde eine Unterstützerin von Zivilpolizisten herausgezogen, kontrolliert sowie abfotografiert.

Wir rufen auf zu Solidarität, verbreitet Ahmeds Fall, schreibt ihm, kommt im März nach Szeged!

Mehr Infos, Bankverbindung sowie Ahmeds Adresse zum Briefe schreiben findet ihr hier: freetheroszke11.weebly.com/

Wir werden in den nächsten Tagen einen detaillierteren Bericht zu den letzte Prozesstagen und Ahmeds Fall sowie den Röszke11 veröffentlichen. Dazu haben wir ein Interview mit Aktivist*innen der Free the Röszke11-Kampagne.

Free Ahmed! Migration is not a crime!

 

[Röszke 11] Besuch von Ahmed H.`s Prozess am 10. Januar in Szeged

for english version see: https://cantevictsolidarityenglish.noblogs.org/post/2018/01/11/roeszke-11-the-trial-of-ahmed-h-in-szeged/

Am heutigen Mittwoch, den 10. Januar 2018, waren wir im Gericht in Szeged (Ungarn) und haben Solidarität mit Ahmed gezeigt, der in erster Instanz wegen der Proteste gegen die Grenzschließungen am ungarischen Grenzübergang Röszke 2015 wegen “Terrorismus” zu 10 Jahren Haft verurteilt wurde.

Zum Anfang war es für uns sehr schockierend zu sehen wie Ahmed mit Hand- und Fussfesseln und einer “Hundeleine” von zwei schwer bewaffneten und maskierten Polizisten hereingebracht wurde. Der Prozesstag drehte sich komplett um eine 4-stündige Videoaufzeichnung der Proteste und in langwierigen Foto- und Vedeoanalysen wurde untersucht, wo Ahmed zu sehen ist und ob und wann er durch ein Megafon zur Polizei und den Anderen gesprochen bzw ob er etwas geworfen hat. Es war für uns erschreckend die Geschehnisse noch einmal zu sehen. Der Richter gebärdete sich als ob er selber der Staatsanwalt wäre und legte es merklich darauf an mit seiner Beweisführung Ahmed zu überführen, was ihm mit suggestiven Fragen und immensem Druck auch teilweise gelang. Die ganze Zeit waren wir mit zahlreichen anderen internationalen Unterstützer*innen anwesend und konnten Ahmed im Saal und in den Pausen mit Lächeln, Winken und Zurufen aufmuntern, was von den Polizisten sofort versucht wurde zu verhindern. Auch den nächsten Prozesstag am Freitag, 12. Januar 2018, werden wir solidarisch und kritisch begleiten, danach wird es einen ausführlicheren Bericht auf dem Blog geben.

Verfolgt den weiteren Prozess am Freitag, 12.1.18, live auf Twitter: https://twitter.com/freetheroszke11

und spendet (DRINGEND!) für seinen Anwalt hier:

Account holder: Rote Hilfe e.V. Ortsgruppe Frankfurt
Catchword: Röszke 11
IBAN: DE24 4306 0967 4007 2383 90
BIC: GENODEM1GLS​

oder auf Crowdfunding:

https://www.generosity.com/fundraising/justice-for-ahmed-fundraising-for-defense-lawyer

Solidarität kennt keine Grenzen! Free Ahmed!

Info-Veranstaltungen mit IN FLAMMEN // IN FLAMES in Leipzig und Magdeburg, 5.-6.1.18

In Flammen @ Gieszer 16, Leipzig, Germany

Nach zwei grossartigen Info-Veranstaltungen in Leipzig und Magdeburg, brechen heute mal wieder Leute von der Kampagne auf. Erstmal geht es in Richtung Szeged, Ungarn, zum Prozess von Roeszke 11, in dem Ahmad in Revision geht. Er wurde zu zehn Jahren Haft wegen des Vorwurfs des Terrorismus verurteilt (wir berichteten).

Danke an IN FLAMMEN // IN FLAMES fuer das grossartige Wochenende!

Thank you to IN FLAMMEN // IN FLAMES for such a great weekend!

[Athen] Verfahren gegen die Petrou Ralli 8

Petrou Ralli 8

Im Mai 2017 gab es einen Protest inhaftierter Geflüchteter im Abschiebegefängnis Petrou Ralli in Athen für medizinische Versorgung eines Mithäftlings und gegen die Haftbedingungen; es folgte ein brutaler Polizeieinsatz gegen die Inhaftierten mit vielen Verletzten. 8 Menschen wurden aufgrund ihrer Herkunft (Algerien) verhaftet und angeklagt. Sie sind auf Gefängnisse in ganz Griechenland verteilt, es drohen ihnen mehrere Jahre Haft und Entzug allen asylrechtlichen Schutzes.

Weitere Infos findet ihr hier auf der Seite der griechischen Unterstützer*innen des Hausprojektes Unbuntu Wahhada in Thessaloniki.


Fotos von Katja Lihtenvalner.

Im Folgenden dokumentieren wir einen Aufruf der Unterstützer*innen von Ubuntu Wahadda:

The tragic story of 8 Algerian men from Petrou Ralli

This story of 8 Algerian men is directly connected with two facts: the inhuman living conditions migrants are exposed to in Greek detention centres and their unknown detention status which is completely dependant on police authorities.

“We demand release of 8 migrants, who were beaten, tortured and arrested with accusation of “revolt” in hell of detention facility Petrou Ralli,” was one of the demands from a group of anarchists, who last week occupied the Polytechnic school of Athens, two days before the historic anniversary of the Athens Polytechnic uprising against the military regime of November 17, 1974.

The story of 8 Algerian men is the latest most significant story of police violence in Greek detention facilities.

The Council of Europe’s Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT) reported on the mistreatment by the police officers in the Athens based detention facility Petrou Ralli in its September report. It addresses the authorities to take “rigorous action to counter acts of ill-treatment”.

Cells in Petrou Ralli “filthy, stuffy and infested”

CPT, in its report, describes the cells in Petrou Ralli detention facility as “filthy, stuffy and infested”. Apart from inhuman living conditions police authorities continue to practice “the use of prolonged detention”, reportedly one year or even more.

The conditions in Petrou Ralli were well documented in the video released after a 45-year-old Algerian man died last February.

This rare piece of evidence shows the kind of conditions of the facilities that migrants in Petrou Ralli are staying in:

The document is shocking.

“We asked police more then 4 times to call for a doctor and to help sick migrant. They denied to help,” the migrant in the video describes. He also adds that ill migrants (AIDS, hepatitis) are detained together with migrants who are healthy and as such “at risk”.

What does the police say?

We asked Greek police authorities for comment and to confirm if the video was really taken in Petrou Ralli detention facility.

“Considering the video, it seams that it does show a space, which is very similar to cells on third floor of Petrou Ralli for vulnerable migrants. The wing is not in use to detain migrants due to lack of lighting and ventilation,” was the answer given to us by Greek police authorities.

They add that for the above mentioned video and the incident in it, (the death of an Algerian man) a police investigation was conducted, but is still pending.

The answers of the police authorities are on the contrary to the released video document and to migrant testimonies.

The video very clearly shows that migrants are detained in these dark cells: there is a migrant on video, a mattress on the floor and the testimony of the man who took the video.

Iraqi Kurd Shayan Samad also confirms this in our report for MEE.

“On the second floor there are a few abandoned, dark, very dirty and smelly cells. In these cells there are sick migrants,” she adds.

Brutal police attack

The sick conditions in Petrou Ralli and the prolonged detention without any explanation led a group of men, on 31st of May, to demand answers. On that morning they demanded to talk with the director of the detention facility. Most of them were detained in a sick condition for over 8 months without reasonable explanations.

As the migrants explained to us, police officers answered with the method they usually used: “They promised us that next week someone will deal with our status.” Migrants aware of this daily police routine, feeling desperate and anxious, continued to insist on seeing the director of the police detention facility.

What follows, was one of the most brutal, organised and savage attacks of police officers behind the four walls of a Greek detention facility.

“The group of armed police officers entered cells and started to beat us badly,” deeply traumatized migrants explained to us after the attack. The result was broken arm and head injures as “Coordination of the collectives and individuals against detention” (SSAEKK) reports.

After the attack, the police authorities went further: they arrested 8 Algerian men, and accused them of disobedience and resistance to authorities. They are keeping them detained in different prisons around Greece.

Eight Algerian men (most of them young boys in their 20s) are now awaiting trial as defendants in the brutal police attack, which nothing but confirms, “the ill-treatment” criticised by CPT and reported by migrants and human rights organizations in numerous cases.

The demands from the group of anarchists, that last week occupied Polytechnic in Athens, were not answered.

The 8 Algerian men, victims of a brutal police attack in Petrou Ralli on 31st of May, are still in jail and awaiting trial.

The case nothing but confirms that human life in Greek detention facilities is worth less then a speck of dust. In these migrant prisons inmates are completely dependent on the caprice of sadistic police officers. And not much was done to stop them.

(The question for comments on detention conditions were sent to responsible authorities on 12th of July, 2017. The police authorities answered on 29th of August, 2017.)

(By Katja Lihtenvalner, Athens)

Still in Solidarity! – Bericht zur Antirepressions-Kampagne „You can‘t evict Solidarity“ und Perspektiven solidarischer Arbeit auf der Balkanroute im Januar 2018

Bericht zur Antirepressions-Kampagne „You can‘t evict Solidarity“ und Perspektiven solidarischer Arbeit auf der Balkanroute im Januar 2018

Die Kampagne „You can`t evict Solidarity“ besteht aus unterschiedlichsten Menschen, die in Deutschland und Griechenland wohnen und in antirassistischen und anderen politischen Kämpfen aktiv sind. Viele von ihnen waren in den letzten zweieinhalb Jahren auch auf der Balkanroute, in Griechenland oder an den EU-Außengrenzen aktiv. Zusammen haben sie im Sommer 2016 die Kampagne „You can`t evict Solidarity“ gestartet, in der sie sich für grenzenlose Solidarität mit den (migrantischen) Häuserkämpfen in Griechenland und anderswo einsetzen.

Der Start der Kampagne im Sommer 2016

Im Juli 2016 wurden in Thessaloniki in Griechenland die von Geflüchteten und anderen Aktivist*innen besetzten Häuser „Orfanotrofeio“, „Nikis“ und „Hurriya“ von der Polizei nach Anordnung der dortigen Syriza-Regierung und der griechischen Kirche geräumt. Dabei und bei folgenden Protestaktionen gegen die Räumungen wurden über 100 Menschen verhaftet. Viele der dort lebenden Geflüchteten wurden in Militärcamps gebracht. Einige Tage später, im Juni und August 2016, wurden in Gerichtsprozessen die ersten Menschen zu hohen Geld- und Bewährungsstrafen verurteilt. Die meisten von uns waren auf dem zuvor stattfindenden No Border Camp in Thessaloniki, wo erste Kontakte geknüpft wurden. Nach den Räumungen haben wir uns gemeinsam mit Betroffenen entschlossen, uns zusammenzuschließen, um Geld für die anfallenden Prozesskosten zu sammeln, Öffentlichkeit für die Räumungen zu schaffen und gleichzeitig die migrantischen Häuserkämpfe zu unterstützen. Deshalb ist ein Ziel der Kampagne, weitere solcher Orte auch an anderen Orten zu unterstützen und aufzubauen. Dass dies nach wie vor wichtig ist, zeigen die jüngsten Fälle von Repression gegen die solidarische Bewegung in Griechenland.

Was in Griechenland seitdem passiert ist…

Während die Situation für Geflüchtete in Griechenland sich in den letzten Jahren größtenteils verschlechtert hat und die Lebenssituation der Menschen in Griechenland geprägt ist von der menschenverachtenden Austeritätspolitik der EU, sitzen nun nach der Militarisierung und gewaltsamen Schließung der Balkanroute zusätzlich über 80.000 Migrant*innen in Griechenland fest. Durch die Migrationspolitik der EU, wie dem EU-Türkei-Deal, und der griechischen Syriza-Regierung kommt es zu einer zunehmenden Militarisierung und Repression gegen Geflüchtete und Aktivist*innen. Mehrfach wurde das Asylrecht verschärft, in den überfüllten, griechischen Camps fehlt es meistens an medizinischer Grundversorgung, Versorgung mit Alltäglichem wie Nahrungsmitteln, sowie sanitären Anlagen. Viele Lager bestehen aus abgelegenen, ehemaligen Industriehallen oder Zeltstädten. Hinzu kommt die gewaltvolle Behandlung seitens der Polizei, dem Militär und Securities. Viele Camps gleichen mittlerweile Gefängnissen. Besonders stechen die sogenannten „Hot-Spots“ auf den Inseln Chios, Lesbos und Samos heraus, die seit dem EU-Türkei-Deal für Geflüchtete zu einer Sackgasse geworden sind. So sitzen aktuell über 15000 Menschen auf den Inseln fest – allein über 8000 Menschen unter menschenunwürdigen Bedingungen im Camp Moria auf Lesbos, das für 1500 Personen ausgelegt ist. Immer wieder protestieren die  dortigen inhaftierten Menschen mit u.a. Hungerstreiks gegen die Bedingungen in diesen „offenen Gefängnissen“ und für eine Weiterreise. Diese Proteste werden größtenteils gewaltsam beendet, die Beteiligten monatelang inhaftiert oder abgeschoben, wie z.B. die Petrou Ralli 8 oder die Moria 35.

Aus diesen Gründen wurden und werden nicht nur in Thessaloniki, sondern auch in Athen und anderen griechischen Städten sowie auf den Inseln, Häuser besetzt und von Geflüchteten und anderen Aktivist*innen genutzt, da sie die Möglichkeit bieten ein selbstbestimmtes Leben außerhalb der staatlichen Lager, jenseits von staatlicher Gewalt und jenseits von sexistischen, rassistischen und nationalistischen Kategorien zu führen. Die Häuser sind ein Ort für politische Vernetzung, Selbstorganisation gegen das EU-Grenzregime, sowie Orte der Solidarität und der gegenseitigen Unterstützung, auch durch die griechische Bevölkerung. Damit bilden sie wirkungsvolle Alternativen zu staatlichen und kapitalistischen Repressalien. Die bekannteste von diesen Hausbesetzungen dürfte das ehemalige Hotel „City Plaza“ in Athen sein, in dem seit 2015 über 400 Menschen gemeinschaftlich und solidarisch leben. Auch hier in Deutschland und auf der Balkanroute gab und gibt es mehrere dieser Freiräume und Bestrebungen neue zu schaffen – wie die OM10 in Göttingen oder die (ehemals) besetzten Lagerhallen in Belgrad.

Statt nun die unmenschliche Situation von Geflüchteten zu verbessern setzt die griechische Regierung weiter auf Repression als verzweifelter Versuch eine kraftvolle internationale Solidaritätsbewegung zu zerschlagen. So ließ die Regierung mehrfach Besetzungen auf Lesbos, sowie im März 2017 die Geflüchteten-Besetzung „Alkiviadou“ und die Hausbesetzung „Villa Zografou“ in Athen räumen und 200 Menschen, die dort lebten, festnehmen. Dies mit der Ansage des griechischen Ministers für öffentliche Ordnung, Nikos Toskas, die Räumung besetzter Häuser, die zur Unterbringung von Geflüchteten genutzt werden, voranzutreiben, was die baldige Räumung weiterer Orte wie des „City Plaza“ befürchten lässt. Im April kam es zur Räumung einer weiteren Geflüchteten-solidarischen Besetzung in Thessaloniki, dem „Albatros“, das nach den letzten Räumungen in Thessaloniki im Sommer 2016 entstanden war.. Alle diese Räumungen wurden in Griechenland und anderen Ländern in den Gerichten und auf den Straßen von Protesten hunderter, teilweise tausender solidarischen Menschen begleitet.

Was ist eigentlich los auf der Balkanroute?

Grundsätzlich beobachten wir nicht nur in Griechenland, sondern europaweit, dass die staatliche Politik gegenüber Menschen auf der Flucht, gegenüber Unterstützer*innen und gegenüber Alternativen zu staatlicher Migrationskontrolle immer repressiver wird. Dies war auch schon vor dem sogenannten „Sommer der Migration“ 2015 so, nun sind die Grenzen zwischen den Staaten auf der Balkanroute, wie zwischen Serbien und Ungarn, mittlerweile hochmilitarisiert. Hier werden Geflüchtete von Polizei und Militär mit hochgerüsteter Technik aufgespürt, mit Gewalt am Grenzübertritt gehindert und teilweise monatelang rechtlos inhaftiert. Zum Teil werden an den militarisierten Grenzen Flüchtende erschossen, wie an der Grenze zwischen Bulgarien und der Türkei.

Gleichzeitig erhöht sich der Repressionsdruck auf Geflüchtete, wie in Ungarn, wo Ahmed H., einer von elf im September 2015 im ungarischen Röszke verhafteten Geflüchteten (Röszke11), im November 2016 zu 10 Jahren Haft verurteilt wurde. Er und die anderen wurden bei Protesten an der ungarisch-serbischen Grenze willkürlich aus der Menge heraus verhaftet und wegen Terrorismus und illegalem Grenzübertritt angeklagt.. Zwar wurde dieses Urteil in der nächsten Instanz gekippt, Ahmed ist allerdings weiter in Haft und wartet auf die Berufung.

Trotz alledem nehmen immer noch viele Menschen den gefahrvollen Weg über die Balkanroute auf sich und sitzen daraufhin in „Hotspots“ auf griechischen Inseln oder v.a. in Serbien fest, wohnen teilweise auf der Straße oder werden illegal abgeschoben. Aus der Not besetzte Häuser werden geräumt, wie besetzte Lagerhallen in Belgrad im Frühjahr 2017, und solidarische Aktivist*innen werden als Schleuser*innen verhaftet, wie z.B. im Herbst 2016 in Kroatien. Aufgrund der Militarisierung der Grenzen und der Kriminalisierung von Unterstützung Geflüchteter durch neue Gesetze, z.B. mit hohen Haftstrafen wegen „Schleuserei“, ist es für Aktivist*innen mittlerweile fast unmöglich geworden Menschen auf ihrem Weg direkt zu unterstützen.

Aber es gibt auch sichtbaren Widerstand. Immer wieder protestieren Geflüchtete gegen die Zustände und für offene Grenzen und ihre Weiterreise. So gab es 2016 einen Protestmarsch Geflüchteter von Belgrad an die Grenze zu Kroatien und erst im Dezember ein Protestcamp von Geflüchteten an der serbisch-kroatischen Grenze bei Sid. Diese Proteste werden meistens recht schnell von Polizei und Militär beendet, die Protestierenden auf Camps im ganzen Land verteilt.

Was ist von uns an Unterstützung passiert und was steht aktuell für die Kampagnenarbeit an?

Die Kampagne ist im Herbst 2016 gestartet und wir haben bis jetzt viel Unterstützung durch solidarische Menschen bekommen, die Soli-Parties in vielen Städten organisiert haben, Geld spenden und für Öffentlichkeit sorgen. Dadurch konnten bereits mehrere tausend Euro gesammelt und an Betroffene in Griechenland weitergeleitet werden, für Anwalts- und Gerichtskosten, für verhängte Geldstrafen, sowie für Öffentlichkeitsarbeit zum Thema (Flyer, Aufkleber und Plakate).

Konkret sieht es in Thessaloniki so aus, dass nach den ersten Verurteilungen der Besetzer*innen des „Nikis“ im Juli 2016 nun 2017 weitere Prozesstermine gegen insgesamt 82 Besetzer*innen der „Hurriya“- und der „Orfanotrofeio“-Besetzung stattfanden. Die „Orfanotrofeio“-Aktivist*innen wurden für eine Protestaktion gegen die Räumung durch die griechische Kirche wegen „Störung der Kirchenruhe“ angeklagt und nun im Revisionsprozess freigesprochen. Zusätzlich wurden am 31. Mai fünf weitere Besetzer*innen des „Orfanotrofeio“ vom Gericht von allen Vorwürfen freigesprochen. Der Prozess gegen die 58 „Hurriya“-Besetzer*innen wurde bereits mehrere Male und nun auf September 2018 verschoben. Im Dezember wurden alle 9 Besetzer*innen des „Albatros“ zu 6 Monaten Haft auf 3 Jahre Bewährung verurteilt, sie legen nun Berufung ein.

Diese Prozesse begleiten wir hier und in Griechenland solidarisch und unterstützen dazu Betroffene in neuen Repressionsfällen. Zusätzlich sind in Athen nach den Räumungen der Besetzungen „Alkiviadou“ und „Villa Zografou“ weitere 200 Personen angeklagt. Auch haben wir finanziell das soziale Zentrum für Migrant*innen „Steki“ in Thessaloniki unterstützt, das zwar nicht besetzt, aber von der Schließung durch den griechischen Staat bedroht ist, sowie die verurteilten Besetzer*innen der bereits im Frühjahr 2016 geräumten Besetzung „Turtle Corner“ in Thessaloniki. Gleichzeitig zeigen die jüngsten Entwicklungen in Griechenland und die immer noch offenen Gerichtverfahren, dass die Kampagne notwendig bleibt und wir weiterhin Solidarität und Unterstützung organisieren müssen.

Wie sieht die Zukunft der Kampagne aus?

Wir haben uns im Dezember 2017 getroffen und über die (Neu)Ausrichtung der Kampagne diskutiert. Da die staatliche Repression gegen Geflüchtete auf der gesamten Balkanroute und an den EU-Außengrenzen, nicht nur in Griechenland, zunimmt und nicht vor Grenzen halt macht und es gleichzeitig große solidarische Netzwerke über alle Grenzen hinweg gibt, werden wir die Kampagne erweitern. Wir werden das bisher gesammelte Geld für die noch verbliebenen Prozesse und nicht verurteilten Personen in Griechenland verwenden, am Thema dranbleiben und Öffentlichkeitarbeit machen. Dazu wollen wir verstärkt länderübergreifende Anti-Repressions-Arbeit machen zur Unterstützung von Betroffenen aus antirassistischen Kämpfen an den EU-Grenzen. Dafür wollen wir Öffentlichkeit schaffen und rufen zu Spenden auf. Betroffene, sowie alle Menschen, die Lust auf Mitarbeit an der Kampagne haben, können sich gerne bei uns melden.

Mehr Infos zur Kampagne und Kontakt auf unserem Blog unter www.cantevictsolidarity.noblogs.org.

[Berlin] Drohende Räumung der Refugee-Besetzung in Ohlauer Straße

„You can’t evict a movement!“ – Zur anstehenden Räumung der Ohlauer

Die von Refugees besetzte Gerhart-Hauptmann-Schule in der Ohlauer Straße in Berlin/Kreuzberg soll im Januar 2018 geräumt werden. Langsam regt sich Widerstand dagegen. Unten findet ihr einen Aufruf zu Solidarität mit den Bewohner*innen der Gerhart-Hauptmann-Schule bon “andere zustände ermöglichen”.

Die Gerhart Haupmann-Schule in der Ohlauerstrasse in Kreuzberg wurde erstmals im Dezember 2012 besetzt, die Besetzung wurde anschließend vom Bezirk geduldet. Als im Sommer 2014 eine Räumung versucht wurde, besetzten Aktivist*innen das Dach der GHS. Daraufhin besetzte die Polizei den Kiez, verprügelte Aktivist*innen, verweigerte Journalist*innen den Zugang, spazierte mit einer Maschinenpistole durch die Gegend, machte die gesamte Nachbarschaft zur militarisierten No-Go-Zone und probte den Ausnahmezustand.

Am 02.07.2014 unterzeichneten die Aktivist*innen und die Vertreter*innen des Bezirks schließlich eine Vereinbarung. Darin war festgelegt, dass die Besetzer*innen in der Schule bleiben können und dort ein selbstverwaltetes Zentrum von Refugees für Refugees, ein antirassistischer Freiraum, entstehen sollte.

Schon nach kurzer Zeit fing der Bezirk allerdings an, die Rechtmäßigkeit der Vereinbarung anzuzweifeln und begann gegen die Aktivist*innen zu klagen. Zwei Mal gewannen die Aktivist*innen. Diesen Sommer jedoch wurde die Vereinbarung in der nächsten Instanz vom Gericht aus unerfindlichen Gründen als zeitlich beschränkt interpretiert. Dementsprechend darf der Bezirk die Schule räumen lassen und wird dies auch tun. Die Gerichtsvollzieherin hat sich für den 11. Januar 2018 angekündigt.

Langsam regt sich erneut Widerstand gegen diese rassistische Verarsche und die anstehende Räumung. Im Dezember demonstrierten Black Lives Matter Berlin zusammen mit den Aktivist*innen aus der Schule gegen strukturellen Rassismus. Für den 29.12. ist ein Plenum im Bethanien einberufen worden, dass Aktionsmöglichkeiten rings um die anstehende Räumung diskutieren will.

Timeline der Ereignisse 2014:
https://de.squat.net/2014/06/28/berlin-raeumung-der-von-refugees-besetzten-schule-in-der-ohlauer-strasse/

Aktueller Stand:
https://www.taz.de/Archiv-Suche/!5463761&s=ohlauer/

AUFRUF:

Bewegungsfreiheit statt Staatsgewalt! Aufruf zu Solidarität mit den Bewohner*innen der Gerhart-Hauptmann-Schule

Am 11. Januar soll die Gerhart-Hauptmann-Schule geräumt werden. Es ist zwar in den letzten drei Jahren etwas ruhiger um die Ohlauerstraße geworden, aber die Relevanz der Kämpfe dieser Gruppe ist nach wie vor groß. Lange vor der ‘Willkommenskultur’ zeigte der March of Freedom, in dem Hunderte Geflüchtete aus Würzburg demonstrierend in die Hauptstadt zogen, nicht nur die dringende Notwendigkeit einer Änderung im gesellschaftlichen Umgang mit Geflüchteten. Auch zeigte diese Bewegung, dass Geflüchtete sich selbst den Status politischer Subjekte erkämpfen und ihre Forderungen in der Öffentlichkeit vertreten. Sichtbarkeit und Stimme, die ihnen von der weiß-deutschen Mehrheitsgesellschaft traditionell verweigert wird; die polizeiliche Räumung ist ein Teil dieses herrschaftlichen Umgangs. Damit haben die Besetzer*innen vom O-Platz und aus der Schule einen bedeutenden und nachhaltigen Einfluß auf eine ganze Generation von Aktivist*innen hinterlassen. Der aktivistische Kampf war stark, mutig und lebendig. Mit der Besetzung des Oranienplatzes verwandelten sie Kreuzberg für mehrere Monate in einen experimentellen Raum. Mit den Hungerstreiks am Brandenburger Tor, am Alexanderplatz und an der Gedächtniskirche erreichten sie große Kreise und Einfluß.

In den mehr als fünf Jahren seit dem Camp auf dem Oranienplatz haben die Aktivist*innen sich gegen Erpressungen, Spaltungen und Lügen behaupten müssen. Nach der angedrohten Räumung im Sommer 2014 war das letzte Mittel, das ihnen gelassen wurde, die Drohung mit dem eigenen Tod. In der tagelangen Dachbesetzung erkämpften sie sich gegen ein Großaufgebot der Polizei und extremen Druck von Seiten der rot-schwarzen Landes- und der grünen Bezirkspolitik das Recht in der Schule zu bleiben. Und trotz des Drucks blieben sie standhaft und haben uns gezeigt wie Selbstorganisation weitergehen kann. Ihr Kampf war eine der größten politischen Bewegungen in der Geschichte der BRD. Sie wurde inzwischen von den folgenden Asylrechtsverschärfungen der Großen Koalition und der völkischen Bewegungen um Pegida in den Hintergrund gedrängt. Die Relevanz der damaligen Bewegung ist dadurch aber nicht gesunken, im Gegenteil: Die Orte des Kampfes verschoben sich von der Gerhart-Hauptmann-Schule an die Balkan-Route, nach Idomeni, Calais oder in die Willkommens-Initiativen und Behörden in jeder deutschen Kleinstadt. Die Bewegung vom O-Platz hin zur Schule hat nie aufgehört, sie hat nur den Ort gewechselt. Jetzt kehrt sie zur Schule zurück und damit zu einem der Kristallisationspunkte unseres Kampfes um Bewegungsfreiheit.

Wenn am 11. Januar die Polizei anrückt, um die ehemaligen Besetzer*innen gewaltsam aus ihren Wohnungen zu zerren, dann kulminiert darin der langjährige Kampf der Bewohner*innen und Unterstützer*innen gegen die staatstragende Politik der Kreuzberger Grünen. Denn entgegen der damaligen Vereinbarung eines Wohnrechts der Besetzer*innen schikanierte der Bezirk die Bewohner*innen und versuchte die staatliche Kontrolle zurück zu bekommen: Security-Personal schränkte die erkämpfte Bewegungsfreiheit sofort ein und gerichtlich wurde nach einer Zwangsräumung gesucht. Nach mehr als drei Jahren haben die Grünen nun den Räumungstitel, den sie schon immer wollten. Wir wollen das nicht lautlos hinnehmen. Die Geflüchteten-Bewegung hat uns gezeigt, in welch produktivem Verhältnis der Kampf der direkt Betroffenen und Unterstützer*innen sein kann. Die Formen, die dieses Verhältnis annimmt, hängen auch von der konkreten Situation ab. Mit der letzten Demonstration am 16. Dezember stellten die ehemaligen Besetzer*innen ihren Kampf selbst in den größeren Kontext von rassistischen Politiken und kapitalistischer Stadtpolitik.

Nehmen wir ihren Aufruf zur Solidarität aufs Neue auf!
Achtet auf Ankündigungen

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Freedom of Movement instead of State Violence. Call for Solidarity with the Inhabitants of the Gerhart-Hauptmann-Schule

On January 11, the Gerhart-Hauptmann School is to be evacuated. Although it has become a little quieter around the Ohlauerstraße in the last three years, the relevance of the group’s struggles is still there. Long before the ‘welcome culture,’ the March of Freedom showed (in the demonstration of hundreds of refugees from Würzburg to the capital) not just the urgent need for change in the social interaction with refugees. The movement also showed that refugees can achieve the status of political subjects and represent their demands in public. Visibility and voice are traditionally denied by the white-German majority society; the police eviction is a part of this attitude. The squatters of the O-place and the school have thus had a significant and lasting influence on a whole generation of activists. The struggle was strong, courageous and lively. With the occupation of the Oranienplatz, they turned Kreuzberg for several months in an experimental space. With the hunger strikes at the Brandenburg Gate, Alexanderplatz and at the Gedächtniskirche they reached large circles and influence.

In the more than five years since the camp on the Oranienplatz, the activists had to face blackmail, divisions and lies. After the threatened eviction in the summer of 2014, the last option left to them was the threat of their own death. In the day-long occupation of the roof, they fought against a large contingent of the police and extreme pressure from the red-black coalition and the green district policy to obtain the right to stay at school. And despite the pressure, they remained firm and showed us how self-organization can continue. This struggle was one of the biggestpolitical movements in the history of the BRD. She was pushed into the background by the tightening of asylum policies by Grand Coalition and the nationalist movements around Pegida. However, the relevance of the movement did not decrease. On the contrary, the places of struggle shifted from the Gerhart Hauptmann School to the Balkan Route, to Idomeni, Calais or in the welcome initiatives and authorities in every German town. The movement from O-space to the school never stopped, it just changed place. Now it returns to school and thus becomes once again one of the crystallization points of our struggle for freedom of movement.

When on January 11 the police come to forcibly drag the former squatters out of their home, it is the culmination of the long-standing struggle of the inhabitants and supporters against the state sponsored policy of the Green Kreuzberg politicians. Contrary to the once agreed upon right of residence of the squatters, they were harassed as the state tried to regain control: security personnel restricted freedom of movement and judicially a forced eviction was sought. After more than three years, the Greens now have the eviction title they always wanted. We won’t accept this without making noise. The refugee movement has shown us what a productive relationship between the struggles of those directly affected and supporters can look like – also dependent on the concrete situation. During the last demonstration on the 16th of December, the former squatters themselves put their fight into the larger context of racist policies and capitalist urban policy.

Let us renew our call for solidarity!
check for latest news in the next days.

Infoveranstaltung beim In.Flammen vol. 5 in Leipzig und in Magdeburg

Infoveranstaltung beim In.Flammen vol. 5 in Gieszer Str. 16 in Leipzig und im L!Z in Magdeburg

Wir machen im Rahmen der In.Flammen-Konzerte am Freitag, 5. Januar 2018, eine Infoveranstaltung in der Gieszer Str. 16 in Leipzig und am Samstag, 6. Januar 2018, im LIZ in Magdeburg. Start jeweils um 19.30 Uhr. Mehr Infos findet ihr weiter unten:

IN.FLAMMEN | 5

In.Flammen baut ein politisches Hip-Hop-Netzwerk zwischen Griechenland und Deutschland auf. Im Fokus stehen Selbstorganisierung, soziale Kämpfe und Solidarität. Nachdem wir die letzten Male in Hamburg, Bremen und Athen waren, freuen wir uns, wieder ins L!Z nach Magdeburg zu kommen! Wir beginnen um 19.30 Uhr mit einem Vortrag der Kampagne “Can’t evict solidarity” zur Situation von Geflüchteten und der Solidaritätsarbeit in Griechenland. Um 22 Uhr geht es weiter mit dem Konzert und Acts aus Athen, Rethimno, Magdeburg, Berlin und Leipzig. Am Ende legt CHI aus Hamburg für euch auf. Mit den Einnahmen der Veranstaltung werden Menschen ohne Papiere unterstützt.

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19.30h VORTRAG & DISKUSSION
(scroll down for English version)

Die Kampagne „You can’t evict Solidarity“ wurde zur Unterstützung von Aktivist*innen gegründet, die nach den Räumungen von besetzten Häusern in Thessaloniki (Griechenland) im Sommer 2016 sowie im Frühjahr 2017 vor Gericht stehen. In ihrem Vortrag berichten Genoss*innen von der Kampagne über die aktuelle Situation von Geflüchteten und die Solidaritätsarbeit auf der Insel Lesbos und dem griechischen Festland. Außerdem sprechen sie über die migrantischen Häuserkämpfe sowie über die Lage auf dem serbischen Teil der Balkanroute. Im Anschluss ist Zeit für Fragen, Gespräch und Diskussion. Mehr Infos auf: https://cantevictsolidarity.noblogs.org/

22h KONZERT

Daisy Chain & Miss Zebra (Athen/Rethimno)
Gut-Mänsch Clan (Magdeburg)
ΠΕΝΘΙΜΟΣ / CLOWN & Viral (Athen)
Rana Esculenta (Leipzig)

DJ
CHI (Feminist Rap/Trap/Bass)

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The campaign „You can’t evict Solidarity“ was created to support activists that were taken to trial after the evictions of squats in Thessaloniki (Greece) in summer 2016 and spring 2017. Comrades from the campaign will talk about the current situation of refugees and solidarity work on Lesbos and the Greek mainland. Besides, they will speak about migrant housing struggles as well as about the Serbian part of the balkan route. Following this, there will be space for questions, comments and discussion. The talk will be in German but can be translated to English. More info on https://cantevictsolidarity.noblogs.org/

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Veranstaltung nur für Freund*innen. No Photos.