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no border – no nation – just people: Spendenaufruf im Dezember 2021

no borderno nationjust people: Spendenaufruf im Dezember 2021

 

Liebe Freund*innen, Genossen*innen und alle da draußen, denen das Schicksal von Menschen auf der Flucht und die unmenschliche Situation an den Grenzen nicht egal ist,

erst einmal herzlichen Dank an euch alle, dass ihr letztes Jahr im Winter (erneut) so viel gespendet und damit eure Solidarität mit Menschen auf der Flucht gezeigt habt. Immer wieder berührt uns diese breite Anteilnahme und zeigt, dass wir viele sind und gemeinsam etwas gegen die aktuellen Zustände an den EU-Grenzen tun können. Wir wollen euch in diesem Schreiben schildern, was 2021 aus unserer Perspektive an den EU-Grenzen geschehen ist, wo Unterstützung benötigt wird und wo wir durch unsere Arbeit unterstützen konnten.

 

Das Lager Moria 2.0 und Gerichtsurteile nach dem Brand im alten Lager Moria

Wie ihr vermutlich mitbekommen habt, haben nach dem Brand in dem ehemals größten Geflüchtetenlager Europas Moria auf der griechischen Insel Lesbos im Herbst 2020 tausende Menschen ein Dach über dem Kopf verloren und saßen teilweise und inmitten der Pandemie ohne jegliche Versorgung auf der Straße. Der Hoffnungsschimmer, dass sich ein schreckliches Lager wie Moria nicht wiederholen würde nachdem es abgebrannt war, wurde schnell im Keim erstickt als die griechische Regierung in kürzester Zeit das neue Camp Kara Tepe auf Lesbos errichtete. Kaum vorstellbar und doch traurige Realität: die humanitären Bedingungen und die Repression im Lager, das auf einem ehemaligen Militärübungsplatz direkt am Wasser liegt und in denen die Menschen in Zelten dem Winter schutzlos ausgeliefert sind, sind noch schlimmer als im alten Lager. So entstand schnell der Name “Moria 2.0”. Schon jetzt ist die solidarische Unterstützung der Menschen vor Ort u.a. von der No Border Kitchen Lesbos massiv erschwert, trotzdem unterstützen diese die Menschen, wo es geht.

Nach dem Brand in Moria wurden innerhalb weniger Tage sechs Jugendliche der afghanischen Minderheit der Hazara zu Sündenböcken gemacht und zu Verantwortlichen des Feuers erklärt. In kürzester Zeit und ohne tiefergehende Untersuchungen wurden die sechs Jungs (fünf von ihnen minderjährig) in Untersuchungshaft genommen und im März und Juni diesen Jahres schließlich zu hohen jahrelangen Haftstrafen verurteilt. Es gibt in ihrem Fall ist keine belastbaren Beweise und der Prozess ist politisch stark aufgeladen, sodass wir den gesamten Fall als unfair und nicht rechtsstaatlich bewerten. Wir haben den Fall gemeinsam mit anderen Gruppen solidarisch von hier und vor Ort begleitet und stehen nach wie vor in Kontakt mit den Angehörigen der Inhaftierten.

 

Die Situation an der polnisch-belarussischen Grenze

Polen – Belarus – Afghanistan und Nordirak. Die Machtübernahme der Taliban in diesem Sommer zwingt derzeit tausende Menschen aus Afghanistan zur Flucht, nachdem internationale Kräfte sich dieses Jahr Hals über Kopf aus dem Staub gemacht und viele verzweifelte Menschen – ob sogenannte Ortskräfte oder nicht – zurückgelassen haben. Die Situationen für Frauen*, (Menschenrechts-)Aktivist*innen, Künstler*innen etc. ist katastrophal und aktuell droht eine allgemeine Hungersnot in Afghanistan. Zusätzlich ist die Lage für viele Kurd*innen bzw. Jezid*innen im Nordirak auch nach der Zurückschlagung des sogenannten IS prekär, sodass auch von dort viele Menschen versuchen nach Europa u.a. zu ihren Familien hierherzukommen, während die EU sich mit aller Gewalt abschottet.

Diese verzweifelte Situation hat der belarussische Diktator Lukatschenko genutzt, um die fliehenden Menschen als Macht-Spielball zu instrumentalisieren und die EU zu erpressen. So wurden und werden Tausende visa- und quaratänefrei aus Afghanistan, Irak, Türkei und anderen Staaten nach Minsk geflogen und an die polnische Grenze gebracht. Dort angekommen sitzen sie an der Grenze fest und werden von den polnischen und belarussischen Grenzschutzeinheiten und Militär mit aller Gewalt illegal hin- und hergepusht, dabei wurde gegen Kinder und Familien Tränengas und Wasserwerfer bei Temperaturen um den Gefrierpunkt eingesetzt. Die EU und Deutschland verwehren ihnen das Recht auf Asyl und schauen zu wie Menschen in den Wäldern erfrieren, während gleichzeitig jegliche NGOs, medizinische Notversorgung, Presse oder Nahrungsmittel blockiert und kriminalisiert wird. Die Situation erinnert an das Sterbenlassen durch die EU im Mittelmeer. Doch auch an der belarussisch-polnischen Grenze sind Aktivist*inen vor Ort und versuchen, Kontakt zu den Menschen, die dort festsitzen aufzunehmen und sie zu unterstützen, so u.a. die polnische Grupa Granica.

 

Bosnien: Der Winter kommt

 Die starken Regenfälle in Bosnien betreffen nach wie vor große Teile des Landes und überschwemmen die behelfsmäßigen Camps, die sich People on the Move (PoM) einrichten. Viele Menschen vor Ort, beispielsweise in den Regionen um Bihać und Velika Kladuša, sind auf die Unterstützung bei grundlegenden Bedürfnissen, wie Trinkwasser und Essen, und medizinische Versorgung angewiesen. Noch dazu wird auch hier der kommende Winter immer präsenter. Eine der wichtigsten Ressourcen ist Feuerholz, das auch hier schwierig zu bekommen ist, und wofür Unterstützer*innen immer neue Wege der Finanzierung suchen müssen.

Gewalt wird hier zur Normalität gemacht: Täglich unterstützen aktivistische Gruppen vor Ort mehrere PoM-Gruppen, für die Pushbacks durch (Grenz-)Polizei Alltag sind. Diese Pushbacks sind illegal und machen deutlich, dass das Grundrecht auf Asyl in der Europäischen Union nicht mehr existiert. EU-Grenzschutzbehörden führen diese Praxis systematisch täglich durch. Unsere Kontakte berichten über die gewaltvollen Eingriffe der Grenzpolizei, bei denen sie psychische und physische Gewalt erfahren. Oft werden ihnen dabei zusätzlich persönliche Gegenstände, auf die sie grundlegend angewiesen sind, abgenommen, unter anderem Handys und Powerbanks.

 

Unsere Antwort heißt Solidarität

Dennoch nehmen Aktivismus und Widerstand gegen das brutale Grenzregime nicht ab. Noch immer gibt es an verschiedenen Orten, wo Menschen feststecken, Unterstützungsstrukturen und praktische Solidarität. Menschen organisieren sich gemeinsam, dokumentieren Gewalt und Pushbacks, schaffen eigene Öffentlichkeit, wenn die Medien Geschehnisse nicht mehr zeigen und es werden ganz praktische Sachen wie Lebensmittel zum Kochen, medizinische Versorgung, Kosten für Anwält*innen zur Verteidigung basaler Rechte gedeckt.

Unsere Solidarität wird niemals enden. Die Situation für Menschen auf der Flucht wird immer prekärer, der Zugang zu teilweise einfachen Bedürfnissen wird auch durch die Pandemie stark eingeschränkt – und die Spendengelder sind fast aufgebraucht.

Deshalb wenden wir uns heute nochmal an euch mit der Bitte, uns (weiterhin) zu unterstützen.

 

Was haben wir mit euren Spenden in 2021 erreicht?

 Die No Border Kitchen Lesbos und weitere lokale Initiativen haben in 2021 erneut – u. a. mit euren Spenden und insgesamt vielen tausend Euro Spendengeldern – die dort festsitzenden Menschen durch warme Mahlzeiten, Getränke, Decken und Kleidung praktisch solidarisch unterstützt. Wir können ihnen zwar nicht ihre Würde zurückgeben, aber das Gefühl, dass sie nicht alleine sind, und, dass es in Europa auch Menschen gibt, die sich mit ihnen solidarisieren.

Wir haben mit euren Spenden des Weiteren auch die Arbeit sozialer Initiativen entlang der sogenannten Balkanroute, in Griechenland und der Türkei sowie an der polnischen Grenze zu Belarus unterstützt. Dazu unterstützen wir auch Orte, in denen Geflüchtete wohnen, die Menschen auf der Flucht unterstützen bzw. sich für die Rechte Geflüchteter und für Bewegungsfreiheit einsetzen.

Wir konnten durch eure Unterstützung Vieles bewegen. Um unsere Vorhaben auch jetzt und in Zukunft weiter realisieren zu können, bitten wir alle unsere Freund*innen, Genoss*innen und solidarische Menschen, uns nach ihren Kräften und Möglichkeiten mit Spenden zu unterstützen oder zu überlegen, wie und wo ihr in eurem Umfeld Gelder besorgen könnt, damit bei uns weiterhin der Kessel dampft.

Teilt diesen Aufruf gerne auch überall.

In Solidarität,

You can’t Evict Solidarity als Teil der Kampagne “No Border – No Nation – Just People”

 

Infos zur Situation an den Grenzen:

http://balkanroute.bordermonitoring.eu

https://cantevictsolidarity.noblogs.org

https://noborderkitchenlesvos.noblogs.org

 

Spendenkonto:

Kontoinhaber*in: VVN/BdA Hannover

Verwendungszweck: just people

Bank: Postbank Hannover

IBAN: DE67 250 100 3000 4086 1305

BIC: PBNKDEFFXXX

(Verwendungszweck beachten!)

 

[Evros/Türkei/Griechenland] Erklärung zum Tod von Muhamad Gulzar, ermordet am Evros Fluss

Declaration by Muhamads comrades from City Plaza: https://www.facebook.com/1568287556796915/posts/2301742346784762/?app=fbl

A farewell to our friend Muhamad Gulzar, killed at Evros Border

Bild könnte enthalten: 1 Person, InnenbereichThe rumor of a second refugee killed at the borders, spread three days ago. How could we imagine that it could be our friend? How could this happen? And yesterday the first messages. His wife, appearing in a Sky News reportage. A distant take, outside the hospital, crying and mourning. It was for her, we learned, that Muhamad crossed the borders once again, this time from Greece to Turkey and back to Pakistan. To bring her here and be together.

Last Wednesday, in the morning, our friend Muhamad, our Muhamad from the room 611, was shot dead just for being a migrant. A struggling man, an innocent person, declared as an “enemy” and “invader” of Europe. A civilian shot down like a wild animal.

The bullet came out from a gun at the greek side, a gun that once pointed to the air and once pointed to the group of people crossing the border – was it border police, was it a militia, a greek or foreign fascist volunteer or was it a young soldier ordered by the government to use “live ammunition”?

The government said it’s fake news and turkish propaganda. The European Commissioner the day before said that the Greek government is doing the right thing, it acts as a “shield of Europe”.

We, friends of Muhamad Gulzar, who met him at the squatted hotel City Plaza in Athens three years ago, we say that our brother has been murdered. We cannot find the actual murderer, but we know who is responsible. We cannot know who was carrying the weapon, but we know that Muhamad was killed by a bullet came out from a gun, that once pointed to the air and once pointed at the running people, in a disgraceful human hunting at the borders of Europe in 2020.

Muhamad, for you, for your wife and family, for all of us and for the children to be born. For all the people, despite nationalities, skin colour and religions, we are saying that we will struggle more and we will fight harder. We shall overcome the barbarism spreading so fast in the world. And we will remember you running free over the bloody borders. In Greece, in Turkey, in Europe and everywhere in the world, everywhere where people struggle for a better life, without war and racism, without oppression and humiliation of the people.

Your friends and comrades from the ex City Plaza squat, Athens!

[Evros/Türkei/Griechenland] Aktuelle Infos und tägliche Updates zur Situation an der Grenze

Unsere türkischen Freund*innen von Göçmen Dayanışması berichten täglich zur Situation am Evros der türkisch-griechischen Grenze:

https://enoughisenough14.org/2020/03/05/notes-from-pazarkule-evros-the-fourth-day/

http://gocmendayanisma.com/2020/03/05/pazarkule-evrostan-notlar-besinci-gun-notes-from-pazarkule-evros-the-fifth-day/

 

 

 

[Thessaloniki] Polizei greift Karawane von Griechenland nach Mazedonien an

Stand vom 5.4.2019: Derzeit gibt es in Nordgriechenland Mobilisierungen an die griechisch-mazedonische (bzw. griechisch-ablanische) Grenze. Tausende Menschen machen sich in einer Karawane auf den Weg, mit dem Ziel die Grenze zu überqueren. Tausende von Cops versuchen dies zu verhindern und haben die Karawane gestern mit Tränengas angegriffen, einzelne Menschen wurden verhaftet.

Viele Menschen sammeln sich bei einem wilden Camp in Diavata (bei Thessaloniki), das quasi stündlich wächst.

Es gibt schon Videos und Bilder von Polizeigewalt, aber auch zB. Fotos von Frauen* und Kindern, die den Cops Blumen reichen.

Einer der Auslöser der Proteste ist, dass der griechische Staat Refugees aus den Unterkünften schmeißen wird, die länger als 6 Monate dort gelebt haben. Außerdem wird es massive Kürzungen in den Sozialleistungen für Refugees geben.

Einige Eindrücke und weitere Infos findet ihr unter folgenden links:

https://twitter.com/hashtag/Diavata?src=hashhttps://apnews.com/7f44a3007c8340608e8872030ffc0b90

https://www.facebook.com/Border-Crossing-in-greece%D8%B4%DA%A9%D8%A7%D9%86%D8%AF%D9%86%DB%8C-%D8%B3%D9%86%D9%88%D9%88%D8%B1%DB%95%DA%A9%D8%A7%D9%86-%D9%84%DB%95-%DB%8C%DB%86%D9%86%D8%A7%D9%86-338967916742589/

https://thepublicsradio.org/article/migrants-planning-border-push-clash-with-police-in-greece

https://www.theepochtimes.com/illegal-immigrants-gather-near-greeces-border-seeking-to-cross_2866878.html

Έκρυθμη η κατάσταση στα Διαβατά (VIDEO-ΦΩΤΟ)

https://www.facebook.com/nobordersnetwork/photos/pcb.2204459962955217/2204453029622577/?type=3&theater

https://www.facebook.com/sol2refugeesen/photos/pcb.2058306917794974/2058306894461643/?type=3&theater

 

 

 

 

 

[Grenze Bosnien / Kroatien] Proteste und Zuspitzung, 28. Oktober 2018

[Bosnien / Kroatien] Zuspitzung an der EU-Grenze // 28. Oktober 2018

silent protest in front of the border Bosnia / Croatia

In Velika Kladusa an der Bosnisch-Kroatischen Grenzen haben seit Dienstag, den 23. Oktober bis zu 500 Menschen ein Protestcamp errichtet und halten damit den offiziellen Grenzübergang blockiert. Als Reaktion auf die Gewalt der kroatischen Grenzpolizei sowohl bei individuellen Grenzübertritten als auch bei dem Versuch eines kollektiven Durchbruchs am Mittwoch, 24. Oktober betonen die Protestierenden, dass ihr Protest gewaltfrei ist, sie aber nicht freiwillig zurückgehen werden. „We‘re going to stay here, until there is a decision from Europe.“ sagten uns die Demonstrierenden.

Wir haben mit Menschen bei dem Protest gesprochen und Interviews geführt. Diese und ander Videos vom Protest könnt ihr hier sehen:

Interview mit Protestierender in Velika Kladusa Continue reading

[Montenegro] Transit-Land auf der “neuen” Route // 24. Oktober 2018

[Montenegro] Transit-Land auf der „neuen“ Route // 24. Oktober 2018

Anfang des Jahres 2018 scheint sich eine „neue Route“ von Griechenland aus in Richtung Norden etabliert zu haben. Nachdem 2016 zehntausende Menschen nach dem EU-Türkei-Deal in Camps überall in Griechenland festsaßen und ohne Perspektive warten mussten, gehen die Menschen inzwischen auch weiter im Westen über den bergigen Weg durch Albanien und Montenegro bis nach Bosnien und Herzegowina. Alle diese Länder sind keine Mitglieder der EU. Die Geografie ist geprägt von Gebirgen und Wäldern und nur sehr mühselig zu Fuß zu durchqueren. Trotzdem kommen neben mehrheitlich alleinreisenden jungen Menschen auch Familien über diese Route, viele von ihnen legen den ganzen Weg zu Fuß zurück.

In der Mitte dieser neuen Strecke liegt das kleine Land Montenegro. Continue reading

[Bosnien] Neuer Bericht aus Bosnien, 13. Oktober 2018

Bericht zur Lage in Bosnien // 13. Oktober 2018

Die Situation in Bosnien unterscheidet sich stark von der in Serbien. Viele Ortsansässige sind sehr freundlich und solidarisch, und verschiedene Organisationen – sowohl NGOs als auch Offizielle (UNHCR, IOM, etc.) – sind hier tätig. Auch die MSF sind aktiv und (wie immer) eine große Unterstützung für freiwillige Gruppen. Außerdem gibt es mehrere aktive Freiwilligengruppierungen, von denen aber nicht viele explizit politisch sind und einige, die mit IOM kooperieren (und dementsprechend von ihnen abhängig sind).

Bisher war die Polizei recht freundlich: sie schlagen niemanden systematisch zusammen und Menschen, die von Bosnien nach Serbien gehen, werden vor Landminen gewarnt statt zurückgedrängt. Mit der steigenden Anzahl von Menschen, die nach Bosnien kommen, wird die Polizei jedoch zunehmend überfordert, Konflikte verschärfen sich und letzte Woche gab es die erste Messerstecherei in Sarajevo.

Hauptbahnhof in Sarajevo, Bosnien – photo credits: BASIS Sarajevo

Außerdem gibt es Gerüchte über einen Migranten, der vor kurzem in Sarajevo gestorben sein soll, was wahrscheinlich ein Unfall war; allerdings hat niemand nähere Informationen dazu. Wir versuchen weiterhin, Näheres dazu zu erfahren. Die Zahl der Fälle von Polizeigewalt steigt an und es werden Videos veröffentlicht, die zeigen, wie Migranten/Geflüchtete willkürlich geschlagen werden, wie Polizisten Migranten/Geflüchtete beleidigen, und Berichte über Freiwillige, die sich für eine menschenwürdige Behandlung von Geflüchteten einsetzen, die von der Polizei herumgeschubst werden. Außerdem gibt es Zeugenaussagen zu bosnischer Polizeigewalt, aber auch diverse Berichte über Raub durch die bosnische Polizei in Republika Srpska, wo die Polizei Geflüchtete/Migranten dazu brachte zu bezahlen, damit sie ihren Weg fortsetzen dürften, und sie dann eine halbe Stunde spaeter mit Polizeiwagen abfing um sie wieder zurückzudrängen. Es gibt Berichte über kroatische Polizisten, die Menschen in verminte Gebiete zurückdrängen, nachdem sie sie ausgeraubt und geschlagen haben. Außerdem gibt es Berichte über bosnische Polizisten aus Republika Srpska, die Menschen dazu zwangen, sich bis auf die Unterwäsche auszuziehen, um sie dann in Handschellen zu legen, sie zu schlagen und sie in einem verlassenen Haus zurückzulassen, wo sie schließlich von Ortsansässigen gefunden wurden, die ihnen Kleidung gaben und sie in einen Bus nach Sarajevo setzten. Andere Berichte sprechen von mehreren ertrunkenen Menschen in Flüssen, und weiterhin unbestätigte Berichte über Menschen, die beim Durchqueren von Bergregionen von Steinschlag getroffen wurden.

Dann ist da noch Velika Kladusa, eine kleinere Stadt im Grenzgebiet. Hier gibt es ein semi-offizielles Wildcamp, in dem auch No Name Kitchen arbeitet, Essen verteilt wird und Duschen zur Verfügung gestellt werden. Mittlerweile kommen auch andere Organisationen dort an, und weil die Lage noch recht chaotisch ist, kommt auch die Polizei, die bisher allerdings keine Schwierigkeiten macht sondern sich eher mit der Kontrolle und Verteilung der Menschenmengen beschäftigt. 

Wildes Lager in Velika Kladus, photo credits to NoNameKitchen

Freiwillige sind zum größten Teil längerfristig dort, scheinen überarbeitet und es ist schwierig in bestehenden Strukturen mitzuwirken. Besonders an V. Kladusa ist die Tatsache, dass die slowenische Grenze nur noch 70-80 km entfernt ist, wenn man es von hier aus geschafft hat, die Grenze nach Kroatien zu überqueren. Allerdings wird die Grenze mit Geräten wie (soweit wir wissen) einer Art Audioradar, Dronen, Infrarotkameras stark überwacht und auch hier werden Menschen von Slowenien nach Bosnien zurückgedrängt (2 Grenzüberquerungen). Es gibt Berichte über schwere Gewalt besonders durch die kroatische Polizei, wenn Menschen zurückgedrängt werden. Diese Gewalt beinhaltet sowohl Schlägereien als auch Raub von Kleidungsstücken, Telefonen und Schuhen; auch Frauen und Kinder sind betroffen.

Der nächste Ort ist Bihac. Wir waren noch nicht dort, aber die viele der Geflüchteten/Migranten sind hier. Bald soll hier ein offizielles Camp für ca. 1.000 Menschen entstehen, aber bisher ist es nichts weiter als ein leerer Rohbau namens Borici Camp, das früher mal ein Studentenwohnheim war aber dann verlassen wurde. Das Gebäude ist so heruntergekommen, dass es Löcher in den Böden hat, durch die Menschen fallen, und Treppen ohne Geländer.

“Offizielles Lager” Borici in Bihac, photo credits: Balkan Insights

Es wird vom Bosnischen Roten Kreuz betrieben und ist auch für Familien geöffnet, die aus Sarajevo dorthin geschickt werden. Auch von hier aus versuchen Menschen die westliche Grenze nach Kroatien zu überqueren. Auf den ersten Blick scheint das nicht viel Sinn zu ergeben, weil der Weg durch das feindliche Kroatien viel länger ist, doch weil die Grenze bei V. Kladusa so stark überwacht wird, müssen die Menschen ihr Glück anderswo versuchen. Es gibt Berichte über eine große Schlägerei zwischen verschiedenen Ethnizitäten vor einigen Tagen, nach der die Polizei Menschen wegschickte. Diese Berichte kamen aus Velika Kladusa, wo einige Menschen hingeschickt wurden. Die meisten Menschen kehrten jedoch direkt nach Bihac zurück. Die Bedingungen im offiziellen Camp in Bihac sind besser für Familien, da es dort angeblich medizinische Unterstützung gibt und die Menschen nicht in Sommerzelten auf schlammigen Feldern campen müssen.

Ein weiterer Ort des Geschehens ist Mostar, das weiter im Südwesten von Bosnien liegt. Dort gibt es ein sogenanntes Empfangszentrum namens Salakovac mit einem offiziellen Camp. Auch von hier aus versuchen Menschen die Grenze zu überqueren. Außerdem gibt es dort viele Kinder, weil die Einrichtung für Familien bestimmt ist.

In Delijas gibt es ein Camp und offenes Empfangszentrum für alleinreisende Männer, das einen Ruheplatz und medizinische Versorgung anbietet. Solange Delijas nicht voll ist, können IOM, UNHCR und die bosnischen Behörden sagen, dass noch Platz in den Camps ist. Es ist 3 Stunden von der nächsten Bushaltestelle und eine Stunde vom nächsten kleineren Laden entfernt. Zusätzlich dazu muss man berücksichtigen, dass es praktisch kein Telefonnetz gibt, sodass es unmöglich ist, mit der Familie zu kommunizieren oder anderweitig Informationen zu erhalten.

credits fuer Korrektur und Uebersetzung an J. Schley, Berlin

[Röszke11] Das letzte Urteil: 5 Jahre Haft für Ahmed H.

Wir dokumentieren einen Bericht der Kampagne FreetheRöszke11 von der wir auch Teil sind:

The trial is over. We are somehow speechless, captured between hope and rage about the conviction. We need to reflect upon the final verdict and will soon publish a statement. For now, all our thoughts and messages are with Ahmed!

Nonetheless we share with you a statement of the international observation delegation, amongst others formed by European Civic Forum and Swiss Democratic Lawyers:
(get their pdf in English // Deutsch // Francais)

Statement of the international observation delegation of the trial against Ahmed H.

Szeged, Hungary, 20.9.2018
On September 20 th 2018, we were again as international observers at the trial against the Syrian Ahmed Hamed in Szeged (Southern Hungary). In September 2015, Ahmed H. had accompanied his parents and his brother’s family fleeing the war from Syria to Europe. He himself is married to a Cypriot woman and has two children with her. He was helping his family for obvious humanitarian reasons. Unfortunately, violent clashes between the police and the refugees occurred near the little town of Röszke after the sudden closing down of the Hungarian border. Ahmed was then arrested as a “gang leader”.

In the first instance, Ahmed H. was sentenced to 10 years imprisonment for “terrorism” in a summary trial. In the revision in March 2018, at which we already assisted, the sentence was reduced to 7 years. The accusation of terrorism remained.
Now the trial in the second instance took place before the Court of Appeal in Szeged.
After the pleas of the public prosecutor’s office and the defence, as well as the final word of the accused, the three judges announced their verdict the same morning. Although the prosecutor still insisted on an extremely high sentence of 14 to 25 years of imprisonment, the judges reduced the sentence to 5 years.
The Court of Appeal considered it as proven that Ahmed H. had initially mediated in the protests against the closing of the border and helped injured persons. After the police had massively used tear gas and water cannons against the migrants, old people and children, Ahmed and other migrants threw stones against the police
officers posted behind the border fence. The judges argued that through his behaviour, the accused had used forceful means to demand that Hungarian border should be opened for migrants – against the will of the police and of the Hungarian state. In their interpretation, this equalled terrorist handling. In our eyes, this is an untenable construct to legitimise the accusation of “terrorism”. In Hungary, terrorism is punishable by a minimum sentence of 10 years of prison. The Court of Appeal pronounced, like the second judgement of the first instance, even less than the minimum sentence because it took into account Ahmed’s mediating behaviour and his
regret about the stones he had thrown.
But nevertheless: Ahmed H. is now convicted as a terrorist for having thrown five stones from a distance of 30 meters against a police cordon. Nobody had been hit or injured. As international observers, we are extremely shocked by this sentence. This verdict shows once again that the trial was a political trial, in which Ahmed H. had to serve as a scapegoat to justify the anti-refugee and racist policies of the Hungarian government. The sentence equally shows the lack of independence of the judges from the government. Moreover, through the extensive use of the concept of terrorism, the verdict opens the door to the further criminalization of refugees and their supporters as well as of possible oppositional social movements.

Ahmed H. has already been in detention for three long years. The court recognises that these 3 years will be taken in account in the punishment of 5 years. Additionally, Ahmed has been banned from the country for 10 years and has to stand up for most of the costs of the proceedings. Fortunately, the judges also ordered the transfer of Ahmed to the normal prison system and stated that if good conduct continued, he could be released conditionally in four months.

We hope that Ahmed H. will soon be able to return to his wife and children! This would at last be the end of a kafkaesque tragedy that has shown the lack of independence of the legal system from a brutal political power.

Claude Braun (CH), Camillo Römer (D) and Michael Rössler (CH, D) from the European
Civic Forum, Basel (CH)

Guido Ehrler, lawyer, Basel (CH), mandated by the Democratic Jurists Switzerland

[Ungarn] Erklärung der internationalen Beobachtungsdelegation am Prozess gegen Ahmed H. Szeged, Ungarn, 20.9.2018

Am 20. September 2018 waren wir erneut als internationale Beobachter beim Prozess gegen den Syrer Ahmed Hamed in Szeged (Südungarn). Ahmed H. hatte im September 2015 seine Eltern und die Familie seines Bruders auf der Flucht von Syrien nach Europa begleitet und aus menschlicher Not gehandelt, als es nach der plötzlichen Schliessung der ungarischen Grenze zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und den Flüchtenden kam. Danach wurde er als „Rädelsführer“ verhaftet.

In der ersten Instanz war Ahmed H. in einem Schnellverfahren zu 10 Jahren Haft wegen „Terrorismus“ verurteilt worden. In der Revision im März 2018, an der wir bereits anwesend waren, wurde das Strafmass auf 7 Jahre reduziert. Der Terrorvorwurf blieb bestehen.

Jetzt fand die Verhandlung in der zweiten Instanz vor dem Berufungsgericht in Szeged statt. Nach den Plädoyers der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung sowie dem Schlusswort des Angeklagten kam es noch am Morgen zur Urteilverkündigung der drei RichterInnen. Obwohl die Staatsanwaltschaft nach wie vor auf einem extrem hohen Strafmass von 14 bis zu 25 Jahren Gefängnis beharrte, reduzierten die RichterInnen die Strafe von der ersten Instanz noch einmal auf jetzt 5 Jahre. Das Berufungsgericht hielt es für erwiesen, dass Ahmed H. bei den Protesten gegen die Schliessung der Grenze anfänglich vermittelt und verletzten Personen geholfen hatte, sich dann aber nach mehreren Stunden zu fünf Steinwürfen gegen die hinter dem Grenzzaun postierten Polizisten hinreissen liess, nachdem diese massiv Tränengas und Wasserwerfer auch gegen alte Menschen und Kinder eingesetzt hatten.

Durch sein Verhalten habe der Angeklagte unter Anwendung von Gewalt die Forderung erhoben, gegen den Willen der Polizeiführung ungarisches Territorium rechtswidrig zu betreten. Er wollte somit die Staatsorgane nötigen, die Grenze zu öffnen – eine in unseren Augen unhaltbares Konstrukt, um den Vorwurf des „Terrorismus“ zu legitimieren. In Ungarn ist Terrorismus mit einer Mindeststrafe von 10 Jahren belegt. Das Berufungsgericht ging (wie das zweite Urteil der ersten Instanz) unter diese Mindeststrafe, weil es verschiedene mildernde Umstände berücksichtigte.

Doch „Milde“ hin oder her: Ahmed H. ist jetzt wegen fünf im Affekt aus mindestens 30 Meter Entfernung abgegebenen Steinwürfen gegen einen Polizeikordon, die niemanden trafen oder verletzten, ein verurteilter Terrorist. Als internationale Beobachter sind wir über diese Tatsache schockiert. Dieses Urteil zeigt erneut, dass das Verfahren von Anfang an ein politischer Prozess war, an dem Ahmed H. als Sündenbock herhalten musste, um die flüchtlingsfeindliche und rassistische Politik der ungarischen Regierung zu rechtfertigen. Ahmed H. bleibt dadurch weiterhin auf das Schwerste stigmatisiert. Dass die RichterInnen dies in Kauf genommen haben, spricht gegen ihre Unabhängigkeit von der Orban-Regierung und auch gegen die Unabhängigkeit ihres Gewissens. Zudem öffnet das Urteil durch die extensive Anwendung des Terrorismus-Begriffs Tür und Tor für die weitere Kriminalisierung von Flüchtenden und ihren UnterstützerInnen sowie von möglichen regierungskritischen sozialen Bewegungen.

Ahmed H. ist bereits seit 3 langen Jahren in verschärfter Untersuchungshaft. Das Gericht hat jetzt im rechtsgültigen Urteil diese drei Jahre in den 5 verhängten Jahren verrechnet. Der Verurteilte hat zusätzlich 10 Jahre Landesverbot bekommen und muss den grössten Teil der Verfahrenskosten tragen. Ahmed H. kann nach der Verbüssung von Zweidritteln der Strafe frei kommen. Ausserdem ordneten die RichterInnen die Überführung von Ahmed H. in den normalen Strafvollzug an und hielten fest, bei weiterhin guter Führung könne er in vier Monaten bedingt entlassen werden.

Wir freuen uns, wenn Ahmed H. endlich zu seiner Frau und seinen Kindern zurückkehren kann! Damit wäre ein kafkaeskes Trauerspiel zu Ende, das auf eklatante Weise die Verflechtung brutaler politischer Macht mit einer willfährigen Justiz zu Tage gefördert hat.

Claude Braun (CH), Camillo Römer (D) und Michael Rössler (CH, D) vom Europäischen BürgerInnen Forum, Basel (CH), Guido Ehrler, Anwalt, Basel (CH), mandatiert von den Demokratischen JuristInnen Schweiz

[Röszke11] “Wenn sie mich bestrafen können, dann kann es jede*n treffen” – Aufruf zu Ahmed H.`s Prozess am 20.09.

Der nächste Prozess gegen Ahmed H. findet am 20.9. in Szeged/Ungarn statt.

Adresse:
Szegedi Ítélőtábla (Berufungsgericht)
6721 Szeged
Sóhordó utca 5
Beginn 9h

Ahmed H. wurde wegen “Terrorismus” in Ungarn zuletzt zu 7 Jahren Haft
verurteilt, weil er im September 2015 mit tausend anderen Geflüchteten
am Grenzübergang Röszke (Serbien/Ungarn) gegen die plötzliche Schließung
der Grenze protestierte.

Ahmed dient Orbán und seiner rechten Partei Fidesz als Sündenbock für
ihre rassistische Politik gegen Geflüchtete.
Der letzte Prozess in 1. Instanz fand im März 2018 statt (siehe unseren
Prozessbericht auf www.freetheroszke11.weebly.com) kurz vor den
Parlamentswahlen statt, aus denen Orbán als satter Sieger hervorging.
Gegen das Urteil zu 7 Jahren Haft (statt zuvor 10 Jahren) legten
Verteidigung und Staatsanwalt Berufung ein.

Nun wird das Berufungsgericht zum zweiten Mal entscheiden.

Ahmed sagt, wenn wir diesen Prozess ignorieren, dann ist er nur ein
erstes Opfer des neuen rechten Justiz-Systems:

“Wenn sie mich bestrafen können, dann kann es jede*n treffen. Mit diesem
Prozess erschaffen sie neues Recht. Ich war nur ein Mensch in einer
großen Menschenmenge und sie verurteilen mich als Terrorist.
Wenn sie das mit mir machen können, dann kann das zukünftig jeden und
jede treffen, der/die sich in einer Menschenmenge aufhält.”

Ahmed ist inzwischen seit drei Jahren im Knast in Budapest. Er muss
sofort raus!

Lasst uns im Prozess Solidarität zeigen! Kommt nach Szeged! Spread the
word! Zeig deine Wut auf die Ungarische Regierung!

#FreeAhmed #FreeTheRöszke11
stay tuned:
https://freetheroszke11.weebly.com/
@freetheroszke11