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[Serbien – Belgrad] Aktuelle Situation von Refugees in Serbien und Belgrad – Ein Bericht von Januar 2018

Im Jahr 2015 im Zeitraum des sogenannten langen Sommers der Migration prägten tausende Menschen, die Serbien als Transitland auf der Fluchtroute passierten und sich auf den öffentlichen Plätzen Belgrads aufhielten, das Bild der serbischen Hauptstadt. Leerstehende Gebäude und Fabrikhallen wurden von den Menschen besetzt, um sie als kollektiven Wohnraum und als Schutz vor Kälte zu nutzen. In zentralen Parks wurde gecampt, geschlafen und auf neue Möglichkeiten der Weiterreise Richtung Norden gewartet.

Mittlerweile sind die Parks leer, besetzte Hallen und Gebäude wurden geräumt und/ oder abgerissen – insbesondere im Frühjahr 2017. Die meisten Menschen wurden in Refugee-Camps außerhalb von Belgrad gebracht. Auch das Camp im südlichen Preŝevo existiert noch immer. Dieses fungierte im Kontext des staatlich organisierten „Korridors“ in den Jahren 2015/ 2016 als Transitcamp, wo Refugees, die gerade die mazedonisch-serbische Grenze passiert hatten, registriert wurden. Zu dieser Zeit war die humanitäre Situation dort katastrophal. Aussagen serbischer Akivist*innen zufolge, scheint das Camp und die Region Preŝevo mittlerweile zu einer Art offenem Gefängnis geworden zu sein, wo etwa 1000 Menschen bereits monatelang festsitzen. Es scheint derzeit sehr schwierig zu sein die Gegend um Preŝevo zu verlassen um weiter zu reisen, da die öffentlichen Reisebusse (unter Druck gesetzt werden) Geflüchteten die Mitfahrt Richtung Belgrad zu verweigern – obgleich die Menschen Serbien bereits betreten und sich dort (ordnungsgemäß) registriert haben. Dass viele Menschen im Süden von Serbien festsitzen und eigentlich nach Belgrad und weiter reisen wollen, eröffnet einen profitablen Markt für mafia-ähnliche Strukturen und Schleuser*innen. Diese können nun hohe Geldbeträge von den Refugees verlangen, die für den Weitertransport auf andere angewiesen sind, da es keine Alternative gibt. Regelmäßig betritt die serbische Polizei das Camp in Preŝevo: Zum Einen werden Menschen von dort aus rechtswidrig in Form von Push-Backs nach Mazedonien abgeschoben, zum Anderen wird ihnen die sogenannte „freiwillige Ausreise“ nach Mazedonien „angeboten“. Informationen über Kriterien, nach denen diese Prozeduren durchgeführt werden, liegen leider nicht vor. Laut Berichten von Refugees nehmen jedoch einige Menschen aus dem Camp das „Angebot“ einer „freiwillige Ausreise“ in Anspruch, da die Chance in einem erneuten Versuch nach Serbien zu kommen, ohne dabei in die Preŝevo-Falle zu laufen, besser seien. Im Norden Serbiens angekommen, macht Ungarns Migrationspolitik es allerdings nahezu unmöglich die Grenze von Serbien nach Ungarn zu passieren ohne entweder von der ungarischen Grenzpolizei und/oder gewalttätigen Grenzjägern aufgegriffen, festgenommen, inhaftiert oder nach Serbien zurück gepusht zu werden. Deshalb probieren viele Menschen mittlerweile wieder die Route über Kroatien. Erst kürzlich saßen hunderte Menschen am serbisch-kroatischen Grenzübergang bei Sid fest. Dort bildete sich für einige Tage ein sogenanntes „wildes“ Camp der Festsitzenden, die gegen das rigide Grenzregime protestierten. Die Polizei reagierte auf den Protest der Menschen, die ihr Recht auf Bewegungsfreiheit forderten, indem sie sie auf verschiedene serbische Refugee-Camps verteilte.

Unschwer zu erkennen ist die große Herausforderung, Grenzen entlang der Balkanroute seit der finalen Grenzschließung in Idomeni. Dennoch versuchen es die Menschen weiterhin. Wo Grenzen, Mauern und Zäune ihnen den Weg versperren, müssen Alternativrouten gefunden werden. So gab es in Bosnien im vergangenen Jahr 2017 im Vergleich zu 2016 eine 380 %ige Steigerung an Refugees, die das Land betreten haben, um von dort weiter nach Kroatien und somit in die EU zu gelangen. Die Rolle Serbiens, aber auch die von Mazedonien und Kroatien verdeutlichte sich während der letzten Jahre zunehmend: Diese Staaten fungieren als Pufferzone vor den Toren Europas. Wobei anzumerken ist, dass die Mehrheit der Geflüchteten nicht in diesen Ländern bleiben will, sondern diese nur als Transitländer durchreist auf dem Weg in die nördlichen europäischen Staaten.

Generell kann eine aktive Verdrängung von Geflüchteten aus öffentlichen Räumen durch Isolation und Inhaftierung wahrgenommen werden. Als Konsequenz werden nicht nur diese Menschen und das Thema Migration, sondern auch das Grenzregime mit all seiner Gewalt und Repression unsichtbar gemacht und verschwindet aus dem Bewusstsein der Gesellschaft.

Interview mit einem Aktivisten, der mit Refugees in Belgrad arbeitet.

Das Interview wurde von Aktivist*innen der Anti-Repressionskampagne You cant evict Solidarity aus Deutschland geführt. Neben vielen persönlichen Gesprächen mit No Border-Aktivist*innen in Serbien wurde das folgende Interview per Mail geschickt.

1. Kannst du etwas über die Situation von Refugees in Serbien und Belgrad erzählen?

Heute sind in Serbien etwa 4000 bis 5000 Refugees. Die meisten leben in offiziellen Camps, die im ganzen Land verteilt sind. Zirka 500 Menschen leben außerhalb dieser offiziellen Zentren (Camps) in inoffiziellen Formen von Unterkünften – ob in den sogenannten „Jungles“ nahe der ungarischen Grenze, in verlassenen Fabrikhallen in Sid an serbisch-kroatischen Grenze oder in leerstehenden Gebäuden in Belgrad. Sie haben nur sehr begrenzten Zugang zu grundlegenden Bedürfnissen wie Wasser oder sanitären Anlagen. Jedoch leben alle, ob innerhalb oder außerhalb der offiziellen Camps unter konstant prekären Bedingungen. Die Möglichkeit einen Asylantrag in Serbien zu stellen, bleibt sporadisch und sehr eingeschränkt. Im Jahr 2017 haben lediglich drei Personen einen Refugee-Status in Serbien erhalten, die restlichen Antragsteller*innen wurden abgelehnt. Die meisten jedoch schaffen es gar nicht erst Asyl zu beantragen, weil die juristische und administrative Unterstützung so gering ist und in vielen Camps nicht zur Verfügung steht.

2. Welche (Refugee-) Camps spielen in diesem Land eine wichtige Rolle?

Preŝevo (serbisch-mazedonische Grenze): Der mazedonische Grenzübergang wird weiterhin vom Ministerium für Arbeit verwaltet. Durch die sehr restriktive Überwachung der Bewegungsfreiheit wird es von den meisten Refugees als offenes Gefängnis wahrgenommen. Im Gegensatz dazu sind die Lebensbedingungen und der Zugang zu bestimmten Dienstleistungen besser als in anderen Camps.

Obrenovac/Krnjaca (Camp südlich von Belgrad): Dieses Camp im Süden Belgrads ist vor allem für allein-reisende junge Männer und Kinder unter 15 Jahren, also unbegleitete Minderjährige, gedacht. Diese beiden nicht weit von Belgrad entfernten Camps sind die Hauptorte, um einen Weg aus Serbien heraus zu finden. Die Sicherheit und Lebensbedingungen vor Ort verschlechtern sich seit dem Sommer. Es wird von Banden berichtet und die Menschen, die in den Camps leben erzählen von gewalttätigen Auseinandersetzungen sowie Belästigungen durch die Polizei und den Mitarbeitern des „Kommissariat für Flüchtlinge und Migration“.

3. Wie hat sich die Situation seit 2015 verändert?

Während Serbien früher ein Transitland war, ist es heute eher eine Falle – ein Ort, an dem die Leute feststecken. Allein gelassen und festsitzend, müssen sie somit ein höheres Risiko eingehen um voranzukommen. 2015 war Serbien nur eines von vielen Ländern, welches die Menschen durchquerten um ihre Reise fortzusetzen. Heute ist es immer noch ein wichtiger Knotenpunkt, ist aber auch immer häufiger eine Sackgasse, die nicht mehr zu verlassen ist.

4. Wie ist die Atmosphäre, die Wahrnehmung und der Diskurs in der Öffentlichkeit bezüglich Migration und Refugees im Moment? Hat es sich in den letzten Jahren verändert?                                                                                                         Über den sich verändernden politischen Diskurs in Serbien kann ich etwas erzählen: Dieser hat sich an die anderen V4-Länder ( Vizegrad: Ungarn, Polen, Tschechien und Slowakei) angepasst. Ausländerfeindlichkeit und Diskriminierung haben sich weiter verbreitet. Während Serbien versucht der EU treu zu bleiben und den V4-Ländern nicht öffentlich beitritt, da Serbien sobald wie möglich in den europäischen Markt eintreten möchte.

5. Wie ist die Situation bezüglich Repression und Kriminalisierung von Refugees, Unterstützungsstrukturen und selbstorganisierten Aktivist* innen?

Weiterhin werden solidarische Strukturen häufig kriminalisiert, jedoch geschieht dies mittlerweile subtiler und weniger offensichtlich im Vergleich zu 2016. Damals hat die Regierung einen offenen Brief veröffentlicht, in dem unterschiedliche Organisationen verboten wurde und auch Essen in der Innenstadt anzubieten.

6. Wie ist es mit Refugees oder zu Themen wie Migration/ Refugees/ Anti-Rassismus in Belgrad und Serbien zu arbeiten?

Es ist schmerzhaft aber auch lohnend. Jedoch haben sich die Gegebenheiten sehr verändert; von einer Notsituation hin zu einer anderen Ebene der politischen und humanitären Antwort bzw. Arbeit. Mit anderen Worten kann man sagen, dass das Geld nun direkt in die Ministerien und nicht mehr in den Sektor der Nichtregierungsorganisationen geht. Dadurch entsteht eine großes Loch welches die Verfügbarkeit gewisser Dienstleistungen verschlechtert. Dadurch werden die Politik der serbischen Regierung und die europäische Politik der Exklusion und Diskriminierung legitimiert. Denn für diese ist es besser tausende von Menschen außerhalb der europäischen Grenzen zu halten, als sie in das europäische Asylsystem zu integrieren.

7. Wer arbeitet hier zu diesen Themen?

Obwohl es weiterhin unterschiedliche Organisationen gibt, die immer noch aktiv sind, hat sich die individuelle und selbstorganisierte Reaktion auf die Situation nach mehr als zwei Jahren des Engagements verringert. Was es heute braucht, sind neue Narrative und neue Kämpfe, denn der Kontext hat sich stark verändert. In Serbien sowie in anderen europäischen Ländern braucht es weiterhin neue Formen und Möglichkeiten der Teilhabe, ein Recht auf Wohnraum, Bildung und Arbeit.

8. Welche Informationen bzgl. der Situation von Refugees/ Migration/ Aktivismus in Serbien würdest du gerne noch hinzufügen?

Was wir heute in Serbien sehen, zeigt die sehr komplexen lokalen und regionalen Dynamiken, die durch die europäische Migrationspolitik an den europäischen Außengrenzen entstehen. Die beständige Gewalt an den europäischen Grenzen dient der Abschreckung; zusätzlich werden die erzwungene Unterbringung in Lagern und die Verschlechterung des politischen Diskurses als Strategien zur Legitimierung von Ausländerfeindlichkeit und vermeintlich benötigten Sicherheitsmaßnahmen genutzt, während Inklusion und der Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen nachlassen.

Verweise:                                                                                                                          https://www.neues-deutschland.de/artikel/1074347.die-neue-balkanroute.html http://bordermonitoring.eu/berichte/2017-Mazedonien-Serbien/

http://www.spiegel.de/fotostrecke/fluechtlinge-auf-der-balkanroute-das-spiel-fotostrecke-156822.html

[Roeszke11 – Ungarn] Interview mit einer Aktivistin der Röszke11-Solidaritäts-Kampagne

Interview mit einer Aktivistin der FreeTheRöszke11-Solidaritätskampagne in Ungarn.

Der folgende Text ist ein Interview mit einer Aktivistin der FreeTheRöszke11-Solidaritätskampagne aus Ungarn, das von der „You can`t evict Solidarity“-Kampagne geführt wurde. Diese gibt finanzielle Unterstützung und macht Öffentlichkeitsarbeit zu Prozessen und Repression aus antirassistischen Kämpfen entlang der Balkanroute. Der folgende Text ist eine auf deutsch eingesprochene Uebersetzung.

B – Hallo. Erzähl uns bitte etwas über den Prozess gegen Ahmed H., der gerade in Szeged stattfindet. Worum geht es in den Röszke11-Prozessen und wer ist Ahmed H.?

K – Im Prozess geht es um elf Personen, die im September 2015 verhaftet wurden, nachdem es einen Protest am Röszke-Horgos Grenzübergang gegeben hatte. Es war die Zeit, als der Zaun [zwischen der ungarischen und serbischen Grenze] fertiggestellt wurde und sie [die ungarische Regierung] die Grenze schloss. Tausende Menschen strandeten auf der anderen Seite und sie begannen zu protestieren. Am zweiten Tag des Protests gab es Zusammenstöße mit der Polizei, bei dem von der einen Seite Steine geworfen wurden und die Polizei Tränengas und Wasserwerfer einsetzte. Danach beruhigte sich die Situation. Sie tricksten die Menschen aus und entfernten den Kordon [die Barrikade] vor dem Tor des Zaunes und die Menschen betraten Ungarn. Sie waren sehr glücklich, feierten, riefen „Danke, Ungarn!“ und sie dachten, dass es ihnen jetzt erlaubt worden war zu passieren. Aber Anti-Terror-Einheiten der Polizei griffen sie an und schlugen sie zusammen und verhafteten 11 Menschen. Vor Ort verhafteten sie zehn Menschen, ihre Prozesse fanden schon statt. Sie wurden zu zwölf bis vierzehn Monaten Gefängnis und Ausweisung aus Ungarn verurteilt. Sie pickten sich eine Person, Ahmed H., heraus und klagten ihn des “Terrorismus” an und auch, wie die anderen, des “illegalen Grenzübertritts während einer massenhaften Ausschreitung”. Er wurde erst einige Tage später an einem Bahnhof verhaftet.

B – Vielleicht kannst Du etwas über Ahmed selbst erzählen?

K – Er kommt ursprünglich aus Syrien, aber er lebt auf Zypern, seine Frau und zwei Kindern leben auf Zypern und er hat auch zypriotische Papiere mit denen er in Europa reisen kann. Er war auf der Balkanroute, weil er seiner Familie geholfen hat aus dem Krieg und den Bomben in Syrien zu fliehen. Seine Eltern sind alt und krank, sie brauchten seine Hilfe. Er spricht auch Englisch und so konnte er ihnen auf dem Weg helfen und gelangte schließlich vor diesen Zaun in Ungarn. Es ist auch merkwürdig, dass einer der Anklagepunkte das „illegale Überqueren einer Grenze“ ist, denn er hat ja europäische Papiere. Er ist eigentlich nur ein Mensch, der seiner Familie auf dem Weg helfen wollte.

B – Du hast auch die Prozesse gegen Ahmed in Szeged besucht – was hast du dort erlebt?

K – Es ist schon das zweite Mal, dass sie den Prozess in der ersten Instanz des Gerichts verhandeln, also läuft der Prozess schon seit mehr als zwei Jahren. Damals war die Verhandlung in erster Instanz um einiges härter, sie haben ihn wirklich wie einen Terroristen behandelt. Er wurde in Ketten und Handschellen vorgeführt und viele Sicherheitsleute und Polizist_innen waren anwesend. Sie haben die Straße zum Gericht blockiert, aber das hat sich jetzt ein wenig verändert. Auch der Richter scheint fairer als vorher. Die Richterin, die Ahmed vorher hatte, war sehr eng mit der Fidesz-Regierung verbandelt. Nachdem sie das Urteil von zehn Jahren Haft ausgesprochen hat, wurde sie gewählt und – wie sagt man das – sie hat danach eine Beförderung bekommen.

Jetzt wirken die Verfahren anders, aber es ist immer noch so, dass ein Mensch wegen Terrorismus angeklagt wird, der an Protesten teilgenommen hat und sie nutzen Ahmed um die Regierungspropaganda zu rechtfertigen. Es ist verrückt und es ist ein Schauprozess, vor allem am Anfang des Verfahrens in der ersten Instanz durften nur Polizist_innen aussagen.

Sie haben falsche Übersetzungen in dem Prozess gemacht und auch jetzt ist es so, dass sie nur die Beweise benutzen dürfen, die auch in der ersten Verhandlung benutzt wurden. Es werden also keine neuen Beweise angeführt, obwohl viele Volunteers [[freiwillige Unterstützer_innen] und andere Medien dort an der Grenze waren, die eine andere Aussage machen würden, weil sie eine andere Meinung haben. Sie könnten auch anderes Videomaterial bereit stellen, aber es ist nicht erlaubt dieses zu zeigen. Im Endeffekt wird der Prozess also sehr ähnlich fortgesetzt, wie er vorher auch war.

B – Wie wird das Verfahren und Ahmed H. von der ungarischen Regierung und den Medien dargestellt?

K – Die ungarische Regierung hat einige Internetplattformen ins Leben gerufen, zum Beispiel eine Wikipedia-Seite, „Die Schlacht von Röszke“, wo aggressive Menschen beschrieben werden, die in Ungarn einfallen wollen und die ungarische Polizei attackieren. Und vor ein paar Tagen haben sie eine neue Facebook-Seite gestartet, ihr Titel ist „Ahmed H ist ein Terrorist“. Sie wurde von der Regierung gemacht, der ein großer Teil der Medien in Ungarn gehört. Es ist ein Monopol in Händen der Regierung und sie schreiben einfach überall, dass er ein Terrorist ist – man kann sehen, dass die Propaganda gegen ihn sehr stark ist.

B – Wie wird Ahmeds Fall in der Öffentlichkeit in Ungarn wahrgenommen?

K – Die meisten Leuten wissen einfach nur „Oh, das ist der Typ, der Steine auf die Polizei geworfen hat.“ Das ist alles an Informationen, was sie haben und es gibt auch keine anderen Medien, in denen sie eine andere Darstellung lesen könnten. Sie hören einfach nur die Propagandaversion, also glauben sie die.

B – Du hast Ahmed auch im Gefängnis besucht. Wie ist seine Situation, wie würdest du die beschreiben?

K – Ich persönlich habe ihn nicht besucht. Bisher wird es keiner ungarischen Person erlaubt ihn zu besuchen. Nach mehr als zwei Jahren, also im Dezember 2017, wurde es ein paar Leuten aus Österreich erlaubt, ihn zu besuchen, während die Anfragen von ungarischen Menschen weiterhin zurückgewiesen wurden. Was er berichtet, ist, dass er keinerlei Kontakt zu anderen Leuten hat. Er darf mittlerweile einmal die Woche für eine Stunde in den Hof. Dafür hat er sehr kämpfen müssen, dennoch werden während dieser Zeit alle anderen Gefängnisinsassen weggesperrt. Auch wenn er etwas im Laden kaufen möchte, werden alle anderen Leute weggesperrt, er ist also vollkommen allein. Vorher konnte er überhaupt keine Besucher_innen bekommen. Und er berichtet von starken Schmerzen im Rücken, die er aufgrund dieser Bedingungen hat.

Er vermisst seine Familie sehr, darunter leidet er stark. Aber ansonsten sagt er, dass ihn die Wärter im Gefängnis besser behandeln, nachdem die zweite Instanz das Urteil der ersten Instanz, also die zehn Jahre Strafe für Terrorismus, gekippt hat. Weil die Beweise nicht ordnungsgemäß aufgenommen wurden, wurde ja angeordnet, dass das Verfahren wiederholt werden muss. Es wirkt so als ob sie auch glauben, dass er unschuldig ist und sie behandeln ihn nicht mehr wie einen Terroristen. Und er teilt seine Zelle jetzt mit einem Menschen, der auch Arabisch spricht – also es ist jetzt besser als vorher.

B – Wie würdest du generell die Situation für Migrant_innen und Flüchtende in Ungarn beschreiben und wie hat sich die öffentliche Wahrnehmung von Migration in den letzten Jahren, seit 2015 verändert?

K – Es ist jetzt so, dass alle [Geflüchteten] in Strafzentren in Containern in den Transitzonen bzw. Transitlagern an der serbisch-ungarischen Grenze eingesperrt werden. Es gibt dort zwei Transitlager.

Es befinden sich dort ungefähr 500 Menschen, Familien, Kinder – jede_r in Ungarn. Alle von den Flüchtenden, die über 14 Jahre alt sind, werden als Erwachsene bezeichnet. Und sie behandeln alle Menschen die Asyl beantragen werden wie Kriminelle. Sie sind umgeben von Stacheldraht, Zäunen, überall ist Polizei und Militär, und selbst, wenn sie nur zum Arzt gehen wollen, werden sie dort in Handschellen hingebracht.

Es sind überall Kameras und willkürliche Kontrollen durch die Polizei mitten in der Nacht und sie müssen dort für viele Monate bleiben und auf das Ergebnis ihres Asylantrages warten. Dieses Ergebnis ist normalerweise negativ, weil sie sagen, dass Serbien ein sicheres Land ist und dann werden sie einfach zurück nach Serbien gebracht. So ist die jetzige Situation für Asylsuchende.

B – Und wie würdest du beschreiben, wie ungarische Leute Flüchtende, Migrant_innen und Migration sehen?

K – 2015 gab es Tausende Menschen, die ihre Solidarität gezeigt haben und die helfen wollten, Essen und Kleidung gegeben haben, die geholfen haben, wo auch immer sie konnten. Das hat sich verändert, diese Leute sind jetzt sehr still geworden. Ich glaube, das liegt an der Propaganda, überall hört man, dass Geflüchtete gefährlich wären, dass sie unsere Frauen und Kinder vergewaltigen würden und, dass sie Kriminelle und Terrorist_innen wären und so weiter. Und sie haben das einfach so oft gehört, dass manche das jetzt einfach glauben. Und auch wenn du versuchst etwas für Geflüchtete zu tun, musst du dich der Repression durch die Regierung stellen. Außerdem gibt es auch nicht viel, was man für die Menschen tun kann – sie sind weggesperrt, es ist nicht möglich in die Transitzonen zu gehen, den Medien wird es nicht erlaubt, den Leuten wird es nicht erlaubt. Es ist nicht möglich überhaupt in die Nähe der Zäune zu kommen. Sie schicken die Leute weg, jeden der es versucht in Kontakt mit den Menschen zu kommen. Vieles hat sich verändert, und jetzt folgt die große Stille.

B – Wie ist die Situation im Zusammenhang mit Repression, Kriminalisierung von Migrant_innen und anderen Aktivist_innen und Protesten in Ungarn?

K – Generell werden Migrant_innen kriminalisiert, es gibt also zum Beispiel den Prozess gegen die Röszke11, wo gegen Geflüchtete verhandelt wird. Auch die Behandlung in den Transitzonen und wenn es Prozesse gibt und ja, wenn du ein_e Migrant_in bist – sie behandeln dich von Anfang an wie eine_n Kriminelle_n.

Die Repression gegen solidarische Strukturen und Nichtregierungsorganisationen, die mit Flüchtenden arbeiten, ist auch sehr groß. Zum Beispiel sagt der Sicherheitspolitikexperte im Fernsehen, dass jeder der Migrant_innen hilft, ein Landesverräter ist, dass sie Kriegsverbrecher sind, dass sie Menschenschmuggler sind und dass sie ohne jedes Verfahren ermordet werden sollten – und das war im Fernsehen. Auch Politiker der Fidesz-Regierung sagen das im Fernsehen und das spüren wir. Nachdem Ahmed dieses Urteil über zehn Jahre bekommen hat, haben wir dagegen protestiert und danach mussten wir selber vor Gericht und sie haben Prozesse gegen uns geführt. Auch dieses Mal, während der Prozesstage im Januar, haben wir Flugblätter gemacht und verteilt und sehr schnell kamen Polizeiautos, Grenzjäger und Zivilpolizei, mit Waffen und sie haben uns durchsucht. Sie behandeln dich wie Kriminelle, wenn du deine Solidarität zeigst.

B – Also wie würdest du generell die Situation für Aktivist*Innen und die Arbeit von Unterstützungsstrukturen für Flüchtende in Ungarn beschreiben?

K – Sehr hart, die Propaganda ist sehr stark. Sie sagen, dass alle, die versuchen mit Flüchtenden zusammenzuarbeiten, von Gyoergy Soros bezahlt werden. Von der Regierung wird eine Theorie verbreitet, dass Gyoergy Soros jedes Jahr, eine Million Menschen von Afrika nach Europa bringen wolle um ganz Europa zu verändern, und, dass das sein teuflischer Plan sei. Und natürlich werde jede_r, der_die mit Flüchtenden arbeiten möchte, von ihm bezahlt und diese Leute seien gefährliche ausländische Agenten.

B – So ein wenig wie eine Verschwörungstheorie?

K – Ja, aber die meisten der Gruppen, die humanitäre Hilfe geben wollten, vermeiden eine politische Involvierung, sie haben zu viel Angst davor.

B – Was macht ihr als Solidaritäts-Kampagne „FreeTheRoeszke11“, wer seid ihr und wie können Menschen euch unterstützen?

K – Wir gehen zu den Prozessen, wir überwachen sie, wir machen die Kampagne, versuchen die ungarischen Menschen zu erreichen, ihnen zu erzählen, was da vor sich geht, ihnen einen anderen Blickwinkel als die falsche Propaganda der Regierung zu geben. Auch in anderen europäischen Ländern und dem europäischen Parlament haben wir erreicht, dass ein paar Leute darüber reden, Druck aufbauen oder zumindest versuchen den Druck der Regierung und des Gerichts ein wenig zu mindern. Auch mit der rechtlichen Verteidigung versuchen wir zu helfen, wir sammeln Spenden für die Anwaltskosten, besuchen Ahmed im Gefängnis. Wir helfen auch mit allem, was ansonsten gebraucht wird, was die Menschen von den Röszke11 uns sagen, was sie brauchen können.

Was wir natürlich brauchen um weiterzumachen sind Spenden. Und Ahmed ist sehr glücklich, wenn er Briefe bekommt und die Unterstützung spüren kann, das gibt ihm viel Kraft weiterzukämpfen. Es hilft auch sehr, wenn Leute Solidaritäts-Veranstaltungen organisieren, auch in Verbindung mit Fällen aus ihrer Gemeinschaft oder ihrem Land, um das miteinander in Verbindung zu bringen. Denn sehr ähnliche Fälle finden überall in Europa statt. Auch Briefe an die ungarische Botschaft zu schreiben wäre eine Möglichkeit der Unterstützung.

B – Vielen Dank!

K – Danke dir!

Schreibt Briefe an Ahmed:
Verein zur Förderung feministischer Projekte
Kleeblattgasse 7
1010 Vienna
Austria

Spendet für die Solidaritäts-Kampagne:
Empfänger: Rote Hilfe e.V. Ortsgruppe Frankfurt
IBAN: DE24 4306 0967 4007 2383 90
BIC: GENODEM1GLS​
Betreff: Röszke 11

Mehr Infos:
www.cantevictsolidarity.noblogs.org
www.freetheroszke11.weebly.com
www.helsinki.hu/en

[Thessaloniki – Griechenland ] Linkes Squat “Libertatia” von FaschistInnen angegriffen und abgebrannt

Angriffe aus Demo von 40.000 „aufrechten“ Griech*innen

Es war ca. 16 Uhr am Nachmittag, die antinationale Gegendemo wurde gerade aufgelöst, als uns die Nachricht erreichte, dass nach einer Serie von Angriffen auf solidarische Häuser das linke Squat Libertatia abgebrannt wurde.

Der Namensstreit um das Nachbarland von Griechenland schwelt schon lange. In den 90er Jahren gingen hunderttausende Menschen in Griechenland auf die Straßen, um ihren Unmut kundzutun. Im Kern wird der Name Mazedonien alleinig der Region Nordgriechenlands zugeschrieben. Auch die „Nationalität“ Alexanders des Großen wird in Frage gestellt. Mazedoniens orthodoxe Bevölkerung wird auch aufgrund der Religion als griechisch angesehen und eines der Banner auf der Demo in Thessaloniki am 21. Januar 2018 trug die Aufschrift „WIR sind Mazedonien“.

Zu der Demo rief ein sehr unterschiedliches Spektrum auf, von christlich-orthodoxen Priestern bis zu nationalistisch-konservativen Oppositionsparteien und Rechtsextremen; die Stimmung auf dem Platz war geprägt von tausenden blau-weißen Flaggen, martialisch auftretenden Neo-Nazis aber auch Familien mit Kindern.

Mazedoniens Bestreben in die NATO aufgenommen zu werden oder der EU beizutreten, wird von Athen mit seinem Veto-Recht blockiert. Es werden Forderungen geaeussert, dass Mazedonien seinen Namen vollständig ändern soll, auf griechischen Landkarten wird es als „ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien“ bezeichnet. Auch Alexis Tsipras aeusserte sich, angesichts der fortschreitenden Verhandlungen mit der NATO, man solle in Betracht ziehen, dass es ein „Nord-Mazedonien“ oder ein „Neu-Mazedonien“ geben könne, um diesen „nationalen Unsinn“ zu beenden.

Wie das Libertatia in eigenen Stellungnahmen schreibt, haben die Angriffe auf die besetzten Häuser im Schutze dieser Massendemonstration stattgefunden und ist auch nur durch die Deckung dieser nationalistischen Menge möglich gewesen. Die Stimmung in Thessaloniki kippte an diesem Tag, hin zu einem Klima der Angst und Repression. Migrantischen* Freunden wurde empfohlen nicht aus dem Haus zu gehen. Später am Abend wurde berichtet, dass maskierte und mit Knüppeln bewaffnete Rechtsextreme auf Motorrädern durch die Stadt patrouillierten.

Ein Mob aus 60-70 Faschisten und Fußball-Hooligans griff unter anderem das soziale Zentrum Skoleio („Schule“) mit Steinen an und wurde von der anwesenden Polizei nicht daran gehindert. Das Libertatia berichtet von einem ersten Angriff, der abgewehrt werden konnte. Später wurde das Libertatia ein zweites Mal von einem Mob mit Banner in Anwesenheit von Polizeikräften angegriffen. Dieses Mal flogen Bengalos, die aufgrund der chemischen Reaktion extrem schwer zu löschen sind, in das Haus. Protestierende Nachbar*innen wurden beschimpft und zum Teil auch beworfen. Die Polizei stand währenddessen mit einem Streifenwagen und einem Auto der Zivilpolizei daneben und griff nicht ein.

Im Zuge dessen brannte das Libertatia vollständig aus.

Das Kollektiv des Libertatia rief daraufhin zu einer Solidaritätsdemonstration am darauffolgenden Tag auf. Diese war kraftvoll, energisch und lautstark. Gegen Ende der Demonstration griff die Polizei die DemonstrantInnen mit Tränengas an. Im Zuge von kleineren Rangeleien wegen einer Blockade durch die Polizei wurden fünf Protestierende festgenommen, der Gerichtstermin für eine eventuelle Untersuchungshaft findet am Freitagvormittag, 26.01.18, statt.

 

Stellungnahme des Libertatia:

Solidarity demonstration for the squat Libertatia

Squat Libertatia’s statement regarding today’s arson

Today – Sunday, January 21th – around 1.30pm and just before the
nationalist gathering for Macedonia, fascist teams who took part in it
realized several attacks on occupied spaces.
First, they attacked the free social space "Σχολείο" and they were
rejected with success by our comrades. Then, they approach our squat,
provoking some damages on the facade and the fence. These damages were
fixed immediately by the members of our collective, who then decided to
join the antinationalist gathering in Kamara. About two hours later, a
group of some 60/70 fascists attacked again our squat with molotov
cocktails and distress flares, which provoked the fire. At this time,
there were no-one left in the building as everyone were in the gathering
in Kamara. While the attack was going on, there were so many cops in
plain clothes and vans of the antiriot police (τα ΜΑΤ) who were staying
next to the squat. They covered the attack without intervening.
The resistance of the neighborhood must be noticed, as some people went
to their balconies and screamed at the fascists, who replied insulting
them and throwing flares to them. When the fascists tried to head again
towards Σχολείο, the police was already there holding the place,
covering the fascists and locking the comrades inside the building.
Don’t be fooled: these attacks and the setting on fire of the building
couldn’t have happened without the « support » of the gathering for
Macedonia. They were going there and they were coming back from there.
All the far-right and neo-nazi groups were calling for this gathering
but no-one gave a fuck about it, offering them social legitimacy and
public space so they could express and act freely. We know very well
that all this couldn’t have happened under other circumstances and
that’s why everyone should clarify its position regarding fascism. All
these energies from such actual and real groups work as supplements for
the repression from the State agains those who fight and resist for
something better. Everyone should have a stand regarding the arson of a
building with more than a century of history which has been abandoned
for decades. The arson of a building that we, anarchists, libertarian
communists and revolutionnaries, have decided to renove and maintain,
first to cover housing needs of proletarians, migrants and people who
are expelled by the State and Capitalism and also in order to create a
radical political space where people can grow together and promote a new
libertarian culture. It must be clear to everyone that we are here
talking about a criminal act, which could have ended with tragic
consequences, i.e deaths.
These attacks doesn’t mean that we will stop fighting against the State,
capitalism and fascism. No attack can manage neither terrorizing us nor
making us do curtsey for any fascist, but with conscience and
determination, for a society of equality and freedom, we will continue
to fight our ideal.

THE FASCIST ATTACKS WON’T STAY UNANSWERED
LET’S RAISE DIKES AGAINST THE FASCIST THREAT
FOR ANARCHY AND LIBERTARIAN COMMUNISM
DEMONSTRATION ON MONDAY 01/22 AT 6PM IN FRONT OF THE SQUAT

during the demo 5 people got arrested
the court is at friday
we need any kind of political solidarity
also there is a need of economical support (fistrly for the court money
- that could be around 6000 Euros - secondary to start rebuilding the
squat)

there will be more feedback the next days.

For anarchy and libertarian communism

Libertatia, collective for libertarian communism

p.s.

-please forward the e-mail to other collectives or individuals
-usefull links: https://www.facebook.com/libertatiasquat/
                http://libertatiasquat.blogspot.gr/

[Thessaloniki] Besetzung Libertatia von Faschist*innen niedergebrannt

Am vergangenen Sonntag (21. Januar 2018) wurde in Thessaloniki (Griechenland) am Rande einer Großdemo griechischer Nationalist*innen die Hausbesetzung Libertatia von Faschist*innen niedergebrannt. Wir dokumentieren eine Stellungnahme der Besetzer*innen (Quelle: https://barrikade.info/Stellungnahme-der-Besetzung-Libertatia-Thessaloniki-745):

Thessaloniki: Besetztes Haus von Faschisten niedergebrannt – Stellungnahme der Besetzung Libertatia

Heute, am Sonntag, dem 21.1.2018, um circa 13.30, kurz bevor die nationalistische Demonstration für den Namen Mazedonien anfing, haben faschistische Gruppen, welche an dieser Demo teilnahmen, eine Serie von Angriffen auf verschiedene Besetzungen in Thessaloniki begonnen. Nachdem sie das freie, soziales Zentrum und Besetzung „Scholio“ angriffen, wo sie mit Erfolg zurückgeschlagen werden konnten, griffen sie unsere Besetzung an und verursachten Schäden am Zaun und an der Fassade. Diese Schäden wurden von Mitgliedern unserer Gruppe sofort wieder repariert. Unsere Gruppe entschied sich danach, an der anti-nationalistischen Versammlung am Kamara teilzunehmen. Nach etwa zwei Stunden wurde unsere Besetzung von einer Gruppe von 60–70 Faschisten erneut angegriffen. Dieses Mal mit Molotowcocktails und Bengalen, wodurch das ganze Haus in Brand gesteckt wurde. Zu diesem Zeitpunkt befand sich niemand im Gebäude, wegen der Versammlung am Kamara. Während der ganzen Attacke auf die Besetzung waren Zivilpolizisten und ein Bus der Spezialeinheit MAT vor der Besetzung parkiert. Sie schützten den Angriff und zeigten keine weitere Reaktion. Die Reaktionen der Nachbarschaft müssen erwähnt werden. Die Leute standen auf den Balkonen und schrieen die Faschisten an. Diese schimpften Beleidigungen zurück und warfen auch auf die Nachbarn Bengalen. Als die Faschisten danach erneut die Besetzung „Scholio“ angriffen, legte die Poliziei dieselbe Parteilichkeit an den Tag: die Angreifer wurden beschützt und die GenossInnen des „Scholio“ wurden in ihrem Gebäude eingeschlossen.

Wir sollten uns nicht täuschen: Ohne der Mazedonien-Demo wären diese Angriffe der Faschisten nicht möglich gewesen, denn diese Demo war ein Schutzraum für die faschistischen Angriffe. Die Angreifer gingen zu dieser Demo und kamen von ihr wieder zurück.
Alle rechtsextremen und Neonazi-Gruppen riefen zu dieser Demo auf, aber niemand kümmerte dieses Faktum. Ihnen wurde dadurch soziale Legitimität und öffentlicher Raum geboten, um sich auszudrücken und zu handeln. Wir sind uns ganz genau bewußt, dass diese Dinge unter anderen Umständen nicht möglich gewesen wären, und deswegen muss jeder und jede darüber nachdenken, wie er sich gegen Faschismus stellen kann. Diese Aktionen paramilitärischer Gruppen funktionieren als Unterstützung der staatlichen Repression gegen alle Menschen, die kämpfen, und für etwas Besseres einstehen. Denken wir alle darüber nach, wer von der Brandstiftung an einem Gebäude mit einer mehr als hundertjährigen Geschichte profitiert, welches für mehrere Jahrzehnte leergestanden ist. Ein Gebäude, das wir als Anarchisten, libertäre Kommunisten und Revolutionäre entschieden, zu besetzen und zu renovieren, einerseits um den Bedarf an Wohnraum von Proletariern, Immigranten und Leuten, die von Staat und Kapital angegriffen werden zu decken, anderereits um einen freien Raum radikaler politischer Auseinandersetzungen von Individuen zu schaffen und eine neue, libertäre Kultur zu fördern. Es muss deutlich festgestellt werden, dass es sich um eine kriminelle Aktion handelt, die auch ein weit tragischeres Ergebnis zur Folge gehabt haben könnte, das heißt Tote.

Diese Angriffe werden uns auf keinen Fall aufhalten. Wir werden den Faschisten keinen solchen Gefallen tun, sondern weiterhin mit stählernem Bewusstsein und Trotz für eine Gesellschaft von Gleichheit und Freiheit und unsere Ideale kämpfen! Gegen Staat, Kapital und Faschismus!
Kein Angriff kann uns terrorisieren!

FASCHISTISCHE ANGRIFFE WERDEN NICHT OHNE ANTWORT BLEIBEN!
ERRICHTEN WIR BARRIKADEN GEGEN DIE FASCHISTISCHE BEDROHUNG!
FÜR DIE ANARCHIE UND DEN LIBERTÄREN KOMMUNISMUS!

Demo: 22.1., 18.00 Uhr, vor der Besetzung Libertatia.

Libertatia/Gruppe für den libertären Kommunismus

[Bulgarien] Bulgarisch-Türkische Grenze: Staatsanwalt klagt 21 Asylsuchende des “Riots” an

Genoss*innen haben einen Bericht mit uns geteilt. Für mehr Infos kontaktiert mf@bordermonitoring.eu.

Local District Prosecutor’s Office indicts 21 asylum seekers for a
riot at Harmanli’s refugee camp

A Local District Prosecutor’s Office decided to indict 21 asylum seekers
for “hooliganism with boldness and cynicism concerning the riot which happened in December 2016 in Harmanli’s refugee camp. The riot broke out after authorities closed Bulgaria’s
biggest refugee camp, because of a quarantine issue
<http://bulgaria.bordermonitoring.eu/2016/11/22/harmanlis-refugee-camp-under-quarantine/>.
Before the closing of the camp neo-nazi and right wing protesters
gathered on a regular basis in front of the camp to demonstrate against
foreigners. The authorities obeyed the orders from the xenophobic and
racist groups and parties and closed the camp for several days.

After the riot broke out on the 24th of November 2017, the camp was
stormed in the following night by a special unit of the gendarmerie.
According to several civil rights organizations, volunteers and refugees
many people in the camp were attacked and heavily injured without being
involved in the riot
<http://bulgaria.bordermonitoring.eu/2016/11/24/the-provoked-riot-in-harmanlis-refugee-camp/>.
Krassimir Kanev, the head of the Bulgarian Helsinki Committee (BHC), who
was beaten up himself by unknown people during the middle of the night
in October 2016 stated:

Lots of completely innocent refugees were chased in their rooms,
attacked and severely beaten up by the police in the course of that
operation. Nor is there any prosecution of those who closed the
Harmanli center on the instigation of nationalists, turning it into
a prison for several days, which provoked the riot. Instead, we are
going to have several rioters prosecuted for destruction of property
and hooliganism.

The Center for Legal Aid – Voice in Bulgaria (CLA) condemned „the
absence of investigation of the police use of force against the
asylumseekers:
https://twitter.com/VoiceInBulgaria/status/950641658483355649

Bordermonitoring Bulgaria (BMB) shares the concerns which were raised by
the BHC and the CLA. The aim of the prosecution cannot justify the
possible unlawful acts of the police, the State Agency for Refugees
(SAR) and the the Health Inspectorate, which should be investigated by
an independent agency.

See the full post on Bordermonitoring Bulgaria:
http://bulgaria.bordermonitoring.eu/2018/01/09/local-district-prosecutors-office-indicts-21-asylum-seekers-for-a-riot-at-harmanlis-refugee-camp/

[Lesbos] Aufruf zur Verhinderung von Ibrahims Abschiebung in die Türkei

Rettet Ibrahim vor der Abschiebung und Inhaftierung!



Ibrahim (Name geändert) ist seit über einem Jahr als Geflüchteter aus
Pakistan auf der Insel Lesbos. Aufgrund der katastrophalen
Lebensbedingungen auf Lesbos und Asylchancen von nur ca 2% für
PakistanerInnen – trotz der realen Bedrohungen in Pakistan – entschied
er sich für die sogenannte „freiwillige Rückkehr“. Er wurde in der Folge
monatelang auf dem griechischen Festland inhaftiert und wartete im
Gefängnis auf seine Ausreise – doch Pakistan wollte ihn nicht
zurücknehmen und er wurde zurück auf Lesbos gebracht, wo er über Monate
solidarisch mit der No Border Kitchen arbeitete und für andere
Geflüchtete kochte.

Nun wurde Ibrahims Asylantrag im Rahmen der unfairen fast-track border
procedure des EU-Türkei Deals abgelehnt und sein Berufungsverfahren
ebenso. (Die Chance das Berufungsverfahren in erster Instanz zu gewinnen
liegt bei weniger als einem Prozent – seit auf Druck der EU die
griechischen Berufungskomitees ausgetauscht wurden.)

Ibrahim soll jetzt in die Türkei abgeschoben werden. Dort wird er erneut
inhaftiert – bis zu zwölf Monate. Dann werden die meisten Menschen von
der Türkei in ihr Herkunftsland abgeschoben. Doch Pakistan will Ibrahim
nicht zurücknehmen, vielleicht muss er also noch länger in den
katastrophalen Zuständen der türkischen Abschiebegefängnisse ausharren.

Dies muss verhindert werden! Ibrahim will die Entscheidung erneut
anfechten, vor dem griechischen Verwaltungsgericht. Das geht nur mit
einem Anwalt. Insgesamt kostet ihn dieses Verfahren 1000 Euro, was er
sich nicht leisten kann. Ein Freund sammelt Spenden für ihn auf
folgendes Konto:



Marian Borschel

IBAN: DE79 4306 0967 4081 2193 00

Verwendungsweck: Lawyer Badshah

[Röszke 11] Bericht von Ahmed H.s Prozessterminen am 8., 10. und 12. Januar 2018 in Szeged

Im Jahr 2016 wurde Ahmed in erster Instanz wegen der Proteste gegen die Grenzschließungen am serbisch-ungarischen Grenzübergang Röszke im September 2015 wegen “Terrorismus” zu 10 Jahren Haft verurteilt. Seit dem 8. Januar 2018 wird der Fall von Ahmed H. im Amtsgericht Szeged (Ungarn) in der Revisionsrunde wieder aufgenommen.

Grenzschließung in Röszke. Widerstand. Repression.

Am 15.September 2015 riegelte die ungarische Regierung den zu der Zeit hoch frequentierten serbisch-ungarischen Grenzübergang Röszke auf der Balkanroute mit einem Stacheldraht bewehrten Zaun und massiver Polizeipräsenz ab. Am Folgetag, dem 16.September 2015, kam es zu einem Protest der vielen Menschen, die ihren Weg Richtung Norden fortsetzen wollten und nun festsaßen.

Im Rahmen dieses kollektiven Widerstandes gegen die Abschottung durch den von Ungarn errichteten und von der EU-Politik unterstützten Grenzzaun, wurden elf Personen von der ungarischen Polizei festgenommen und mit dem Vorwurf des „illegalen Grenzübertritts“ und „Vandalismus“ inhaftiert. Zehn dieser als „Röszke 11“ bekannten Angeklagten wurden bereits 2016 zu ein bis drei Jahren Haft verurteilt und sind nun wieder frei. Lediglich Ahmed H., der seine Eltern über die Balkanroute begleiten wollte, jedoch selber bereits seit mehreren Jahren in Zypern lebt, sitzt seit nun mehr als zweieinhalb Jahren im Hochsicherheitstrakt eines Budapester Gefängnisses. Er muss sich gegen den Vorwurf des Terrorismus rechtfertigen – allein und weit entfernt von seiner Frau und seinen Kindern. Die rechte Fidesz-Regierung Ungarns, mit Orban als Staatsoberhaupt, nutzt den Prozess gegen Ahmed H., um ihre ausschweifende rassistische Propaganda gegen Geflüchtete im Land zu untermauern. Als Schauprozess mit nationaler Medienwirksamkeit wird an Ahmed H. ein Exempel statuiert und er selber zum „Prototypen“ eines vermeintlich „gefährlichen muslimischen Flüchtlings“ stilisiert, der eine Terrorgefahr für den ungarischen Staat darstellt.

Wie stark politisch der Prozess aufgeladen ist, zeigte sich allein dadurch, dass die Unterstützer*innen von Ahmed monatelang nach einem Anwalt suchen mussten, der ihn verteidigen konnte. Nahezu unmöglich ein*e Anwält*in zu finden, die den Mut aufbringen konnte, eine Person zu verteidigen, die wegen Terrorismus angeklagt wird. Dazu noch im Kontext von Migration – in einem Staat, der seinen Bekanntheitsgrad in den letzten Jahren vor allem durch Diskriminierung Geflüchteter, diversen Strategien der Abschreckungs- und Abschottungspolitik sowie offenkundiger rassistischer Hetze bis hin zu staatlich ausgebildeten und bewaffneten „Border Hunters“ erlangt hat. Der öffentliche Druck ist immens, sodass selbst das internationale Helsiki Committee ablehnte, Anwält*innen für Ahmed zu stellen. Schließlich wurde ein Anwalt gefunden, der unglaubliche 20 000€ verlangt und Ahmed im Prozess eher mäßig als gut unterstützt. Im Folgenden werden einige Erlebnisse von den Prozesstagen geschildert.

Erster Prozesstag: 08. Januar 2018

Am ersten Prozesstag waren viele internationale Unterstützer*innen und Presse vor Ort, vor allem ungarische Staatsmedien. Ohne Registrierung war es schwer in den Gerichtssaal zu kommen. In Fußfesseln wurde Ahmed H. um kurz nach 9:00 Uhr morgens am Montag von zwei vollvermummten Polizisten in den Gerichtssaal geführt. Um das rechte Handgelenk trug er eine Handschelle mit befestigter Leine, an der einer der Beamten ihn permanent festhielt. Jegliche Interaktionsversuche zwischen Ahmed und seinen Unterstützer*innen wird von den Polizist*innen vor und nach dem Prozess unterbunden – und sei es nur der Austausch eines Lächelns. Bei solchen Versuchen wurde Ahmed sofort von den Polizisten außer Sichtweite gezogen. Der Richter fokussierte die Aussagen von Ahmed H. und befragte ihn zur Situation an der Grenze; wo die Grenze angefangen habe, was er gemacht oder zur Polizei gesagt habe, ob er Steine geworfen habe, was nicht bewiesen werden konnte. Aus Ahmeds Perspektive wurde klar, dass die Situation sehr unübersichtlich war und die Ansagen der Polizei schwer zu verstehen waren. Er betont,  die Polizei nicht bedroht, sondern im Gegenteil als Kommunikationsperson fungiert zu haben. Ahmed H. habe die Polizei gebeten, die Menge wegen der vielen Kinder und kranken Menschen passieren zu lassen. Anschließend wurden Aussagen von Polizist*innen vorgelesen, die am 16. September 2015 am serbisch-ungarischen Grenzübergang Röszke eingesetzt waren. Diese waren in großen Teilen widersprüchlich. Viele hatten Ahmed nicht gesehen bzw. konnten zu den Vorwürfen gegen ihn keine Aussagen machen.

An diesem ersten Prozesstag stellte die Regierung eine Homepage online, auf der stand „Ahmed H. ist ein Terrorist“.

Zweiter Prozesstag: 10. Januar 2018

Auch am zweiten Prozesstag hatten sich im Gerichtssaal etwa 25 internationale Unterstützer*innen eingefunden – viele davon Mitglieder der „Free the Röszke 11- Kampagne“ sowie Amnesty International zur kritischen und solidarischen Prozessbegleitung und –beobachtung. Im Zentrum des zweiten Prozesstages, der mit Pausen über sechs Stunden andauerte, standen Analysen eines vierstündigen Videos vom 16. Septembers 2015 am serbisch-ungarischen Grenzübergang Röszke. Der Richter ging das Video akribisch durch, zeigte Szenen in Slow-Motion, gezoomt oder angehalten. Gestoppt wurde das Video allerdings vor dem polizeilichen Angriff auf die Protestierenden, die sich in der weiteren Chronologie des Tages abspielten. Der Richter führte während des gesamten Prozesstages durch das Beweismaterial, was eigentlich Aufgabe der Staatsanwaltschaft gewesen wäre. Die offensichtliche Motivation des Richters und Staatsanwaltes war Ahmed als Rädelsführer des Protests und alleiniger Urheber der Auseinandersetzungen zu identifizieren bzw. bei ihm vermeintliche Anzeichen und Verhaltensweisen zu erkennen, die auf „Terrorismus“ hindeuten sollten. Durch immensen Druck und endlosem Nachhaken versuchten sie ihn dazu zu bringen sich auf dem Video als Person, die Steine werfen soll zu identifizieren.

Am Vortag der Videoaufnahmen – am 15. September 2015 – war der Grenzübergang Röszke durch einen Zaun von ungarischer Seite geschlossen worden, sodass tausende Menschen auf der Flucht auf der serbischen Seite stecken blieben und ihren Weg nicht fortsetzen konnten. Auf den tonlosen Videoaufnahmen konnte man sehen, wie sich gegen Mittag des 16. Septembers zuerst verhalten und dann immer stärker Protest auf serbischer Seite formierte. Auf ungarischer Seite – hinter dem neuen Grenzzaun – stand eine lose Polizeikette, die sich verdichtete, als die Protestierenden gegen das Tor im Zaun drückten und Transparente hoch hielten. Die Polizist*innen setzen ihre Helme auf. Ein Übersetzer vermittelte zwischen Polizei und Protest, im Laufe des Protestes wurden Wasserwerfer und Räumpanzer an das Grenz-Tor gefahren.

Der Richter und der Staatsanwalt interpretierten Handzeichen der Protestierenden (nicht Ahmed) in dem Sinne, dass Menschen, die mit ihren Fingern ein „V“ zeigten oder eine offene Hand, also eine „5“, dass diese Handzeichen ein Aufruf bzw. ein Countdown an die Menschenansammlung bzw. Polizei bedeuten sollten, wie viele Minuten es noch seien bis die Grenze „gestürmt“ werden sollte. Anzumerken ist hier, dass das Fehlen des Tons bei den Videoaufnahmen keinerlei ganzheitliche Abbildung der Situation darstellt und außerdem Menschen – unabhängig von Nationalität und weltweit – Handgesten zur Kommunikation verwenden.

Lange Zeit war Ahmed H. auf den Videoaufnahmen nicht zu sehen. Als er zu sehen war, verhielt er sich eher unauffällig. Dennoch stoppte der Richter das Video immer wieder, um Ahmed an der „Leine“ nach vorn führen zu lassen und ihm heran gezoomte Aufnahmen lange zu zeigen, bis er selber nicht mehr sicher sagen konnte, ob er auf dem Bild zu sehen sei oder nicht. In den Szenen, in denen Ahmed zu erkennen war, machte er beruhigende Gesten zur Menschenmenge und zur Polizei. Szenen, in denen er angeblich Steine werfen sollte, waren verwischt von Tränengas und Wasserwerfer und sehr unscharf.

Später am Nachmittag des 16. Septembers hatten es die Protestierenden geschafft gemeinsam und friedlich das Tor des Zauns zu öffnen, woraufhin sich schwer gepanzerte Polizei mit Helmen und Schilden positionierte, massiv Tränengas in die Menschenmenge sprühte und Wasserwerfer einsetzte. Nun standen sich Polizei und Protestierende Auge in Auge gegenüber.

Als später in den Videoaufnahmen ein Mikrofon erschien, das von verschiedenen Menschen in der Menge umher gereicht wurde, versuchte der Richter erneut zu identifizieren, ob Ahmed H. in das Mikrofon spricht. Der Fakt, dass Ahmed durch das Mikrofon versucht hat, die Menschenmenge zu beruhigen und Panik zu verhindern, wie er es selber im Prozess sagte, fiel wenig ins Gewicht – im Gegenteil schien das tonlose Video für den Richter und den Ankläger eines der vielen isolierten Einzelteile zu sein, die als Beweise für Terrorismus verpackt werden können.

Der Prozesstag war lang und anstrengend. Ahmed H. sitzt seit mehr als zweieinhalb Jahren in Isolationshaft in Budapest und wirkte erschöpft. Nach vier Stunden Videoanalyse und Befragungen fragte Ahmed: „What kind of terrorist am I, who is doing nothing for hours?“ – während Richter und Ankläger unaufhörlich versuchten aus einzelnen Momentaufnahmen, Verhaltensweisen oder Aussagen zusammenbasteln, bis daraus das Bild eines Terroristen gezeichnet werden kann.

Soliaktion: Flashmob in Szeged

Am Donnerstag, den 11. Januar 2018, gab es einen spontanen Flashmob in Szeged in Solidarität mit Ahmed. Die internationalen Unterstützer*innen machten mit Flyern, Transparenten und Redebeiträgen in Ungarisch auf die Situation von Ahmed und den Prozess aufmerksam. Nach wenigen Minuten wurden sie von einem massiven Polizeiaufgebot u.a. Zivilpolizist*innen mit Nazi-Klamotten eingekreist und mehrere Stunden festgehalten. Nach einer Personalienfeststellung und dem Einzug aller Flyer und Transparente sowie der Lautsprecherbox, wurden sie schließlich freigelassen, mit der Ansage, dass nach dem/der „Anführer*in“ des Protestes gesucht werde. Dieser Vorfall war nicht der erste dieser Art und zeigt einmal mehr, dass auch die bloße Unterstützung von Ahmed und der Widerstand gegen die Politik der ungarischen Regierung massiv kriminalisiert werden. Am gleichen Abend fand eine Infoveranstaltung von Menschen der FreetheRöszke11-Kampagne in einem Szegeder Café für lokale und internationale Interessierte statt.

Dritter Prozesstag: 12. Januar 2018

Am dritten Prozesstag patroullierten bereits morgens Polizisten vor dem Gerichtsgebäude, die Unterstützer*innen wurden im Gebäude von Zivilpolizist*innen kontrolliert und während dem Prozess im Gerichtssaal abgefilmt. Die Atmosphäre war angespannt. Nachdem Ahmed H. hereingebracht worden war, zeigte der Richter verschiedene kürzere Videos. Auf diesen war Ahmed zu hören, wie er – nachdem die Polizei sich aus der Offensive zurückgezogen hatte – zu den Menschen sagt „Lets clean this space“ und zur Polizei „Thank you“ sagte, ein verletztes Mädchen auf die ungarische Seite trägt und Familien half. Der Richter skizziert es als „auffällig“, dass Ahmed in einer weiteren Videosequenz zu erkennen ist, wie er sich auf den Boden bückt – „I was cleaning“, antwortet Ahmed daraufhin, was er zuvor durch das Megafon gesagt hatte. Auch hier brach das Video ab bevor zu sehen war, wie brutal die Polizei auf die Menschen losstürmte, einprügelte und sie wegschleifte, die nach dem Rückzug der Polizei die ungarische Seite der Grenze betreten hatten.

Grundsätzlich waren in allen Videosequenzen, in denen Ahmed zu sehen war, vor allem seine Bemühungen zu erkennen: einen Dolmetscher zu bekommen, mit der Polizei zu verhandeln, die Menge zu beruhigen oder es waren Sätze zu hören wie „We want only peace“. Auch die Auseinandersetzungen mit der Polizei entstanden erst, nachdem die Menschen stundenlang ausharrten und die Polizei anfing die wartenden und protestierenden Menschen mit Wasserwerfer und Tränengas anzugreifen.

Nach einigen Pausen wurde der Prozess überraschend gegen Mittag beendet und zwei weitere, letzte Prozesstermine für den 14. und 19. März angesetzt. Beim Herausgehen konnten die Unterstützer*innen Ahmed einige Dinge zurufen, vor dem Gericht wurde eine Unterstützerin von Zivilpolizisten herausgezogen, kontrolliert und abfotografiert.

Schlussfolgernd zeigt sich anhand der aktuellen Prozesstermine und den Befragungen, dass dieses Verfahren kein faires und ergebnisoffenes Verfahren ist. Der Grundstimmung gegen Ahmed H. seitens des Gerichts ist in den Befragungen und Beweisaufnahmen voreingenommen und feindlich. Außerdem ist der politische Druck auf das Gericht groß, ihn erneut als „Terroristen“ zu verurteilen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass am 8. April 2018 die ungarischen Parlamentswahlen anstehen. Letzteres lässt vermuten, dass Ahmeds Fall politisch weiterhin instrumentalisiert werden wird.

Ahmed H. soll auch in Zukunft nicht allein stehen und wird weiterhin solidarisch in den folgenden Gerichtsprozessen sowie während seines Gefängnisaufenthaltes begleitet und unterstützt so gut es geht. Daran können sich alle beteiligen!

Schreibt Briefe an Ahmed:
Verein zur Förderung feministischer Projekte
Kleeblattgasse 7
1010 Vienna
Austria

Spendet für die Solidaritäts-Kampagne:
Empfänger:  Rote Hilfe e.V. Ortsgruppe Frankfurt
IBAN: DE24 4306 0967 4007 2383 90
BIC: GENODEM1GLS​
Betreff: Röszke 11

Mehr Infos:
www.cantevictsolidarity.noblogs.org
www.freetheroszke11.weebly.com
www.helsinki.hu/en

[Röszke 11] Bericht von Ahmed H.`s Prozess am 12. Januar

Nachdem am gestrigen Donnerstag eine spontane Protestkundgebung von internationalen Unterstützer*innen von Ahmed H. in Szeged durch einen massiven Polizeieinsatz, stundenlanger Personalienfeststellung und Einzug aller Flyer und Banner beendet wurde, ging am heutigen Freitag, den 12.1., der Prozess gegen Ahmed weiter.

                Solidarität aus Zagreb, Kroatien: “Die Sonne scheint für alle! Freiheit für Ahmed!”

Diesmal war von entspannter Atmosphäre nicht viel zu spüren. Vor dem Gericht patroullierten Polizist*innen, im Gericht kontrollierten Zivilpolizist*innen die Unterstützer*innen bereits im Gang und filmten diese während dem gesamten Prozess im Gerichtssaal ab. Ahmed wurde diesmal über die Hintertür hereingebracht.

Nachdem Ahmed gefesselt hereingebracht worden war, zeigte der Richter diesmal mehrere kürzere Videos von Polizist*innen sowie Nachrichtensendern. Dabei lag der Fokus auf Ahmed, wie er in ein Megaphon spricht, und was er zur Polizei und der Menge gesagt hatte. Der Übersetzer erklärte Ahmed habe in Englisch und Arabisch “Please wait” und “Dont throw things” zur Menge und zur Polizei u.a. “We love Hungary”, “We are peaceful” gesagt und einen Dolmetscher gefordert hatte, sowie die Polizei gefragt hatte was sie tun sollten. Es zeigte sich, dass Ahmed durchwegs deeskalierend gehandelt hatte und mit der Polizei verhandeln hatte wollen.

Nach mehreren Pausen war der Prozess überraschend gegen Mittag vorbei und es wurden zwei neue Termine am 14. und 19. März festgesetzt, zu denen auch das Urteil erwartet wird. Beim herausgehen konnten wir Ahmed einige Dinge zurufen, vor dem Gericht wurde eine Unterstützerin von Zivilpolizisten herausgezogen, kontrolliert sowie abfotografiert.

Wir rufen auf zu Solidarität, verbreitet Ahmeds Fall, schreibt ihm, kommt im März nach Szeged!

Mehr Infos, Bankverbindung sowie Ahmeds Adresse zum Briefe schreiben findet ihr hier: freetheroszke11.weebly.com/

Wir werden in den nächsten Tagen einen detaillierteren Bericht zu den letzte Prozesstagen und Ahmeds Fall sowie den Röszke11 veröffentlichen. Dazu haben wir ein Interview mit Aktivist*innen der Free the Röszke11-Kampagne.

Free Ahmed! Migration is not a crime!

 

[Röszke 11] Besuch von Ahmed H.`s Prozess am 10. Januar in Szeged

for english version see: https://cantevictsolidarityenglish.noblogs.org/post/2018/01/11/roeszke-11-the-trial-of-ahmed-h-in-szeged/

Am heutigen Mittwoch, den 10. Januar 2018, waren wir im Gericht in Szeged (Ungarn) und haben Solidarität mit Ahmed gezeigt, der in erster Instanz wegen der Proteste gegen die Grenzschließungen am ungarischen Grenzübergang Röszke 2015 wegen “Terrorismus” zu 10 Jahren Haft verurteilt wurde.

Zum Anfang war es für uns sehr schockierend zu sehen wie Ahmed mit Hand- und Fussfesseln und einer “Hundeleine” von zwei schwer bewaffneten und maskierten Polizisten hereingebracht wurde. Der Prozesstag drehte sich komplett um eine 4-stündige Videoaufzeichnung der Proteste und in langwierigen Foto- und Vedeoanalysen wurde untersucht, wo Ahmed zu sehen ist und ob und wann er durch ein Megafon zur Polizei und den Anderen gesprochen bzw ob er etwas geworfen hat. Es war für uns erschreckend die Geschehnisse noch einmal zu sehen. Der Richter gebärdete sich als ob er selber der Staatsanwalt wäre und legte es merklich darauf an mit seiner Beweisführung Ahmed zu überführen, was ihm mit suggestiven Fragen und immensem Druck auch teilweise gelang. Die ganze Zeit waren wir mit zahlreichen anderen internationalen Unterstützer*innen anwesend und konnten Ahmed im Saal und in den Pausen mit Lächeln, Winken und Zurufen aufmuntern, was von den Polizisten sofort versucht wurde zu verhindern. Auch den nächsten Prozesstag am Freitag, 12. Januar 2018, werden wir solidarisch und kritisch begleiten, danach wird es einen ausführlicheren Bericht auf dem Blog geben.

Verfolgt den weiteren Prozess am Freitag, 12.1.18, live auf Twitter: https://twitter.com/freetheroszke11

und spendet (DRINGEND!) für seinen Anwalt hier:

Account holder: Rote Hilfe e.V. Ortsgruppe Frankfurt
Catchword: Röszke 11
IBAN: DE24 4306 0967 4007 2383 90
BIC: GENODEM1GLS​

oder auf Crowdfunding:

https://www.generosity.com/fundraising/justice-for-ahmed-fundraising-for-defense-lawyer

Solidarität kennt keine Grenzen! Free Ahmed!

[Athen] Verfahren gegen die Petrou Ralli 8

Petrou Ralli 8

Im Mai 2017 gab es einen Protest inhaftierter Geflüchteter im Abschiebegefängnis Petrou Ralli in Athen für medizinische Versorgung eines Mithäftlings und gegen die Haftbedingungen; es folgte ein brutaler Polizeieinsatz gegen die Inhaftierten mit vielen Verletzten. 8 Menschen wurden aufgrund ihrer Herkunft (Algerien) verhaftet und angeklagt. Sie sind auf Gefängnisse in ganz Griechenland verteilt, es drohen ihnen mehrere Jahre Haft und Entzug allen asylrechtlichen Schutzes.

Weitere Infos findet ihr hier auf der Seite der griechischen Unterstützer*innen des Hausprojektes Unbuntu Wahhada in Thessaloniki.


Fotos von Katja Lihtenvalner.

Im Folgenden dokumentieren wir einen Aufruf der Unterstützer*innen von Ubuntu Wahadda:

The tragic story of 8 Algerian men from Petrou Ralli

This story of 8 Algerian men is directly connected with two facts: the inhuman living conditions migrants are exposed to in Greek detention centres and their unknown detention status which is completely dependant on police authorities.

“We demand release of 8 migrants, who were beaten, tortured and arrested with accusation of “revolt” in hell of detention facility Petrou Ralli,” was one of the demands from a group of anarchists, who last week occupied the Polytechnic school of Athens, two days before the historic anniversary of the Athens Polytechnic uprising against the military regime of November 17, 1974.

The story of 8 Algerian men is the latest most significant story of police violence in Greek detention facilities.

The Council of Europe’s Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT) reported on the mistreatment by the police officers in the Athens based detention facility Petrou Ralli in its September report. It addresses the authorities to take “rigorous action to counter acts of ill-treatment”.

Cells in Petrou Ralli “filthy, stuffy and infested”

CPT, in its report, describes the cells in Petrou Ralli detention facility as “filthy, stuffy and infested”. Apart from inhuman living conditions police authorities continue to practice “the use of prolonged detention”, reportedly one year or even more.

The conditions in Petrou Ralli were well documented in the video released after a 45-year-old Algerian man died last February.

This rare piece of evidence shows the kind of conditions of the facilities that migrants in Petrou Ralli are staying in:

The document is shocking.

“We asked police more then 4 times to call for a doctor and to help sick migrant. They denied to help,” the migrant in the video describes. He also adds that ill migrants (AIDS, hepatitis) are detained together with migrants who are healthy and as such “at risk”.

What does the police say?

We asked Greek police authorities for comment and to confirm if the video was really taken in Petrou Ralli detention facility.

“Considering the video, it seams that it does show a space, which is very similar to cells on third floor of Petrou Ralli for vulnerable migrants. The wing is not in use to detain migrants due to lack of lighting and ventilation,” was the answer given to us by Greek police authorities.

They add that for the above mentioned video and the incident in it, (the death of an Algerian man) a police investigation was conducted, but is still pending.

The answers of the police authorities are on the contrary to the released video document and to migrant testimonies.

The video very clearly shows that migrants are detained in these dark cells: there is a migrant on video, a mattress on the floor and the testimony of the man who took the video.

Iraqi Kurd Shayan Samad also confirms this in our report for MEE.

“On the second floor there are a few abandoned, dark, very dirty and smelly cells. In these cells there are sick migrants,” she adds.

Brutal police attack

The sick conditions in Petrou Ralli and the prolonged detention without any explanation led a group of men, on 31st of May, to demand answers. On that morning they demanded to talk with the director of the detention facility. Most of them were detained in a sick condition for over 8 months without reasonable explanations.

As the migrants explained to us, police officers answered with the method they usually used: “They promised us that next week someone will deal with our status.” Migrants aware of this daily police routine, feeling desperate and anxious, continued to insist on seeing the director of the police detention facility.

What follows, was one of the most brutal, organised and savage attacks of police officers behind the four walls of a Greek detention facility.

“The group of armed police officers entered cells and started to beat us badly,” deeply traumatized migrants explained to us after the attack. The result was broken arm and head injures as “Coordination of the collectives and individuals against detention” (SSAEKK) reports.

After the attack, the police authorities went further: they arrested 8 Algerian men, and accused them of disobedience and resistance to authorities. They are keeping them detained in different prisons around Greece.

Eight Algerian men (most of them young boys in their 20s) are now awaiting trial as defendants in the brutal police attack, which nothing but confirms, “the ill-treatment” criticised by CPT and reported by migrants and human rights organizations in numerous cases.

The demands from the group of anarchists, that last week occupied Polytechnic in Athens, were not answered.

The 8 Algerian men, victims of a brutal police attack in Petrou Ralli on 31st of May, are still in jail and awaiting trial.

The case nothing but confirms that human life in Greek detention facilities is worth less then a speck of dust. In these migrant prisons inmates are completely dependent on the caprice of sadistic police officers. And not much was done to stop them.

(The question for comments on detention conditions were sent to responsible authorities on 12th of July, 2017. The police authorities answered on 29th of August, 2017.)

(By Katja Lihtenvalner, Athens)