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[21.02.2024] Statement: Nach dem Brand in Moria 2020 geht der Justizskandal weiter – Forderung nach fairem und transparentem Gerichtsverfahren am 4. März 2024 in Lesbos.

(Greek and German translation below)

Statement 21.02.2024

Nach dem Brand in Moria 2020 geht der Justizskandal weiter – Forderung nach fairem und transparentem Gerichtsverfahren am 4. März 2024 in Lesbos.
Vier Jugendliche sind trotz eindeutiger Beweise für ihre Unschuld seit 3,5 Jahren in Haft. Sie werden zu Sündenböcken einer gescheiterten europäischen Migrationspolitik gemacht.

Am 4. März 2024 findet  die ursprünglich für den 6. März 2023 angesetzte Berufungsverhandlung  vor dem Berufungsgericht in Mytilini (Lesbos) gegen vier der sechs Jugendlichen statt, die für die Brände, die am 8./9.Sepember 2020 das berüchtigte Camp Moria zerstörten, verurteilt wurden. Nun endlich nach einem Jahr Verschiebung können die entscheidenden neuen Beweise vorgelegt werden, die zeigen, dass die Aussage des Kronzeugen der Anklage völlig falsch ist.

Im Zusammenhang mit dem Berufungsprozess wurden Forensic Architecture (FA)/Forensis von den Anwält_innen beauftragt, den Brand von Moria zu rekonstruieren und mit den Aussagen des Kronzeugen abzugleichen. Zum Ergebnis der Modellierung erklärte Dimitra Andritsou, Koordinatorin des FA/Forensis-Teams : “Die von uns durchgeführte Analyse […] beweist, dass die jungen Asylbewerber, die der Brandstiftung beschuldigt wurden, auf der Grundlage schwacher und widersprüchlicher Beweise verhaftet wurden, was darauf hindeutet, dass […] die griechische Regierung einen Sündenbock für eine Katastrophe brauchte, die vorprogrammiert war”.

Nur wenige Tage nach den Bränden im September 2020 hatte die Polizei sechs Jugendliche verhaftet (“Moria 6”) und der Brandstiftung beschuldigt. Ab dem Moment ihrer Verhaftung, wurden sie in der Öffentlichkeit bereits als Schuldige präsentiert.

Die “Moria 6” wurden in zwei getrennten Prozessen verurteilt, die als „Parodie der Justiz“ bezeichnet werden müssen. Obwohl gültige Dokumente vorlagen, wurden nur zwei der sechs Verhafteten als Minderjährige anerkannt. Die Verschiebung des Berufungsverfahrens um ein Jahr bedeutet neben den zusätzlichen Qualen für die Angeklagten auch, dass mittlerweile neu vorliegende Beweise dafür dass drei der vier Jugendlichen bei ihrer Verhaftung minderjährig waren, erst jetzt geprüft werden können.

Die Angeklagten, die als Erwachsene bezeichnet wurden, wurden im Juni 2021 in erster Instanz wegen Brandstiftung mit Gefährdung von Menschenleben zu 10 Jahren Haft verurteilt. Das Gericht weigerte sich, mildernde Umstände zu berücksichtigen. “Sie haben uns überhaupt nicht zugehört”, sagte eine Anwältin der Verteidigung, als sie den Gerichtssaal verließ, “dieses Urteil stand bereits fest, als die Angeklagten Mitte September 2020 verhaftet wurden”. Unmittelbar nach der Urteilsverkündung legte die Verteidigung Berufung ein.

Nach dem Urteil am 11. Juni 2021 kritisierten internationale Prozessbeobachter*innen den Mangel an Beweisen. Sie kamen in ihrem umfassenden Bericht zu dem Schluss, dass das Recht der Angeklagten auf ein faires Verfahren mehrfach verletzt wurde. Auch die lautstarke Forderung nach einem transparenten Prozess, gestellt von über 70 europäischen Organisationen und hunderten von Einzelpersonen, wurde nicht erfüllt.

Wesentlichen Prozessdokumente wurden für die Angeklagten nicht übersetzt, so dass sie die gegen sie erhobenen Vorwürfe nicht verstehen konnten. Allein deswegen gilt der Prozess eigentlich formal als  formal ungültig. Das hinderte die Richter:innen nicht daran, die vier Angelklagten trotz fehlender Beweise für die Beteiligung an den Bränden nach einem zweitägigen Prozess schuldig zu sprechen .

Das Gericht stützte die Verurteilung einzig auf die schriftliche Aussage eines angeblich nicht mehr auffindbaren Zeugen stützt. Seine Aussage ist jedoch voller Widersprüche ist, von Forensic Architecture und Forensis nun veranschaulich konnte. Als Schuldige nannte der Zeuge zudem nur häufige Vornamen von Personen aus dem Lager. Auf dieser Grundlage nahm die Polizei dann sechs Jugendliche fest. Der Zeuge war bei keiner der bisherigen Gerichtsverhandlung anwesend. Es lässt sich mutmaßen, dass dem Gericht die fingierte Aussage des einzigen Zeugen durchaus bewusst ist, aber die Verurteilung der Jugendlichen in diesem politischen Schauprozess nicht gefährdet werden sollte.

Die Befürchtung einer Vorverurteilung bestätigte sich bereits, als die beiden offiziell als minderjährig anerkannten Jugendlichen der Moria 6 im März 2021 vom Jugendgericht Lesbos zu fünf Jahren Haft verurteilt wurden und das Urteil im Juni 2022 vom Jugendberufungsgericht bestätigt wurde. Lediglich das Strafmaß konnte wegen “guter Führung im Gefängnis” von fünf auf vier Jahre reduziert werden. Die Anwält_innen vom Legal Centre Lesvos stellten daraufhin einen Antrag auf Annullierung des unfairen Urteils. Dieser wurde vor dem obersten Gerichtshof abgelehnt. Der Antrag wird nun an den Europäischen Gerichtshof weitergeleitet. Mittlerweile wurde eine der Jugendlichen wegen guter Führung auf Bewährung freigelassen, der zweite wurde vom Gefängnis direkt in Abschiebehaft genommen.

Die Verurteilung der insgesamt sechs Jugendlichen ist ein weiteres schockierendes Beispiel für die Kriminalisierung von Menschen auf der Flucht. Damit soll auch von dem Verbrechen der EU und Griechenland abgelenkt werden, menschenunwürdige Camps wie das Camp Moria zu bauen, illegale Push-Backs durchzuführen, Schutzsuchende durch Rechtsreformen  wie das „Gemeinsame Europäische Asylsystem“ (GEAS) systematisch zu entrechten und weitere Lager nach dem Vorbild von Moria an den EU-Außengrenzen zu errichten.

Wir fordern die EU und den griechischen Staat auf, Verantwortung für die menschenunwürdigen Lager und das daraus resultierende menschliche Leid zu übernehmen!

Wir stehen in Solidarität mit den Moria 6 und gegen das tödliche europäische Grenzregime!

++Teilt die Infos, organisiert Solidaritätsaktionen unter dem Hashtag #FreeTheMoria6 

Politischer und öffentlicher Druck könnte die Chancen auf ihre Freilassung erhöhen!

++Informationen zum rechtlichen Kontext sind beim Legal Centre Lesvos zu finden

Weitere Informationen und Kontakte:
E-Mail: freethemoria6@riseup.net, Twitter: #FreeTheMoria6
Blog: https://freethemoria6.noblogs.org/

Pressekontakt:
Alice Kleinschmidt, Welcome Office Lesvos: +30 698 872 4982
Nefeli Belavila – Trova, CPT – Aegean Migrant Solidarity: lesvos@cpt.org

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Statement 21.02.2024

Nach dem Brand in Moria 2020 geht der Justizskandal weiter – Forderung nach fairem und transparentem Gerichtsverfahren am 4. März 2024 in Lesbos.
Vier Jugendliche sind trotz eindeutiger Beweise für ihre Unschuld seit 3,5 Jahren in Haft. Sie werden zu Sündenböcken einer gescheiterten europäischen Migrationspolitik gemacht.

Am 4. März 2024 findet  die ursprünglich für den 6. März 2023 angesetzte Berufungsverhandlung  vor dem Berufungsgericht in Mytilini (Lesbos) gegen vier der sechs Jugendlichen statt, die für die Brände, die am 8./9.Sepember 2020 das berüchtigte Camp Moria zerstörten, verurteilt wurden. Nun endlich nach einem Jahr Verschiebung können die entscheidenden neuen Beweise vorgelegt werden, die zeigen, dass die Aussage des Kronzeugen der Anklage völlig falsch ist.

Im Zusammenhang mit dem Berufungsprozess wurden Forensic Architecture (FA)/Forensis von den Anwält_innen beauftragt, den Brand von Moria zu rekonstruieren und mit den Aussagen des Kronzeugen abzugleichen. Zum Ergebnis der Modellierung erklärte Dimitra Andritsou, Koordinatorin des FA/Forensis-Teams : “Die von uns durchgeführte Analyse […] beweist, dass die jungen Asylbewerber, die der Brandstiftung beschuldigt wurden, auf der Grundlage schwacher und widersprüchlicher Beweise verhaftet wurden, was darauf hindeutet, dass […] die griechische Regierung einen Sündenbock für eine Katastrophe brauchte, die vorprogrammiert war”.

Nur wenige Tage nach den Bränden im September 2020 hatte die Polizei sechs Jugendliche verhaftet (“Moria 6”) und der Brandstiftung beschuldigt. Ab dem Moment ihrer Verhaftung, wurden sie in der Öffentlichkeit bereits als Schuldige präsentiert.

Die “Moria 6” wurden in zwei getrennten Prozessen verurteilt, die als „Parodie der Justiz“ bezeichnet werden müssen. Obwohl gültige Dokumente vorlagen, wurden nur zwei der sechs Verhafteten als Minderjährige anerkannt. Die Verschiebung des Berufungsverfahrens um ein Jahr bedeutet neben den zusätzlichen Qualen für die Angeklagten auch, dass mittlerweile neu vorliegende Beweise dafür dass drei der vier Jugendlichen bei ihrer Verhaftung minderjährig waren, erst jetzt geprüft werden können.

Die Angeklagten, die als Erwachsene bezeichnet wurden, wurden im Juni 2021 in erster Instanz wegen Brandstiftung mit Gefährdung von Menschenleben zu 10 Jahren Haft verurteilt. Das Gericht weigerte sich, mildernde Umstände zu berücksichtigen. “Sie haben uns überhaupt nicht zugehört”, sagte eine Anwältin der Verteidigung, als sie den Gerichtssaal verließ, “dieses Urteil stand bereits fest, als die Angeklagten Mitte September 2020 verhaftet wurden”. Unmittelbar nach der Urteilsverkündung legte die Verteidigung Berufung ein.

Nach dem Urteil am 11. Juni 2021 kritisierten internationale Prozessbeobachter*innen den Mangel an Beweisen. Sie kamen in ihrem umfassenden Bericht zu dem Schluss, dass das Recht der Angeklagten auf ein faires Verfahren mehrfach verletzt wurde. Auch die lautstarke Forderung nach einem transparenten Prozess, gestellt von über 70 europäischen Organisationen und hunderten von Einzelpersonen, wurde nicht erfüllt.

Wesentlichen Prozessdokumente wurden für die Angeklagten nicht übersetzt, so dass sie die gegen sie erhobenen Vorwürfe nicht verstehen konnten. Allein deswegen gilt der Prozess eigentlich formal als  formal ungültig. Das hinderte die Richter:innen nicht daran, die vier Angelklagten trotz fehlender Beweise für die Beteiligung an den Bränden nach einem zweitägigen Prozess schuldig zu sprechen .

Das Gericht stützte die Verurteilung einzig auf die schriftliche Aussage eines angeblich nicht mehr auffindbaren Zeugen stützt. Seine Aussage ist jedoch voller Widersprüche ist, von Forensic Architecture und Forensis nun veranschaulich konnte. Als Schuldige nannte der Zeuge zudem nur häufige Vornamen von Personen aus dem Lager. Auf dieser Grundlage nahm die Polizei dann sechs Jugendliche fest. Der Zeuge war bei keiner der bisherigen Gerichtsverhandlung anwesend. Es lässt sich mutmaßen, dass dem Gericht die fingierte Aussage des einzigen Zeugen durchaus bewusst ist, aber die Verurteilung der Jugendlichen in diesem politischen Schauprozess nicht gefährdet werden sollte.

Die Befürchtung einer Vorverurteilung bestätigte sich bereits, als die beiden offiziell als minderjährig anerkannten Jugendlichen der Moria 6 im März 2021 vom Jugendgericht Lesbos zu fünf Jahren Haft verurteilt wurden und das Urteil im Juni 2022 vom Jugendberufungsgericht bestätigt wurde. Lediglich das Strafmaß konnte wegen “guter Führung im Gefängnis” von fünf auf vier Jahre reduziert werden. Die Anwält_innen vom Legal Centre Lesvos stellten daraufhin einen Antrag auf Annullierung des unfairen Urteils. Dieser wurde vor dem obersten Gerichtshof abgelehnt. Der Antrag wird nun an den Europäischen Gerichtshof weitergeleitet. Mittlerweile wurde eine der Jugendlichen wegen guter Führung auf Bewährung freigelassen, der zweite wurde vom Gefängnis direkt in Abschiebehaft genommen.

Die Verurteilung der insgesamt sechs Jugendlichen ist ein weiteres schockierendes Beispiel für die Kriminalisierung von Menschen auf der Flucht. Damit soll auch von dem Verbrechen der EU und Griechenland abgelenkt werden, menschenunwürdige Camps wie das Camp Moria zu bauen, illegale Push-Backs durchzuführen, Schutzsuchende durch Rechtsreformen  wie das „Gemeinsame Europäische Asylsystem“ (GEAS) systematisch zu entrechten und weitere Lager nach dem Vorbild von Moria an den EU-Außengrenzen zu errichten.

Wir fordern die EU und den griechischen Staat auf, Verantwortung für die menschenunwürdigen Lager und das daraus resultierende menschliche Leid zu übernehmen!

Wir stehen in Solidarität mit den Moria 6 und gegen das tödliche europäische Grenzregime!

++Teilt die Infos, organisiert Solidaritätsaktionen unter dem Hashtag #FreeTheMoria6 

Politischer und öffentlicher Druck könnte die Chancen auf ihre Freilassung erhöhen!

++Informationen zum rechtlichen Kontext sind beim Legal Centre Lesvos zu finden

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Δελτίο Τύπου 21/2/2024, της καμπάνιας αλληλεγγύης #FreetheMoria6

Μετά τη φωτιά στη Μόρια το 2020, το δικαστικό σκάνδαλο συνεχίζεται – Απαιτούμε μια δίκαιη και διαφανή δίκη, στις 4 Μαρτίου 2024, στη Λέσβο.

Τέσσερις έφηβοι από το Αφγανιστάν κρατούνται επί 3,5 χρόνια, παρά τις σαφείς αποδείξεις για την αθωότητά τους. Γίνονται αποδιοπομπαίοι τράγοι μιας αποτυχημένης μεταναστευτικής πολιτικής της ΕΕ.

Στις 4 Μαρτίου 2024 θα διεξαχθεί στο Εφετείο Μυτιλήνης, στη Λέσβο, η δευτεροβάθμια δίκη των τεσσάρων (από τους Moria 6) ανηλίκων, που καταδικάστηκαν για τις φωτιές που κατέστρεψαν το διαβόητο camp της Μόριας στις 8 Σεπτεμβρίου 2020. Η εξέταση της έφεσης παρότι, αρχικά, είχε προγραμματιστεί για την Δευτέρα 6 Μαρτίου 2023, αναβλήθηκε για ένα χρόνο. Στις 4 Μαρτίου 2024, θα  μπορέσουν επιτέλους να παρουσιαστούν τα κρίσιμα εκείνα στοιχεία, που αποδεικνύουν  ότι η κατάθεση του βασικού μάρτυρα κατηγορίας είναι εντελώς αναληθής.

Τα νέα αυτά στοιχεία προέρχονται από την έρευνα που διεξήγαγαν οι Forensic Architecture (FA) και Forensis  (μετά από αίτημα των δικηγόρων που εκπροσωπούν τους Moria 6), η οποία χαρτογραφεί την εξέλιξη της φωτιάς στις 8 Σεπτεμβρίου 2020. Η εκδίκαση της έφεσης θα δώσει, επίσης, την δυνατότητα να εξεταστεί εκ νέου η κατάθεση του βασικού μάρτυρα κατηγορίας.

Η Δήμητρα Ανδρίτσου, συντονίστρια έρευνας της ομάδας FA/Forensis, δήλωσε: «Η ανάλυση που πραγματοποιήσαμε […] αποδεικνύει ότι οι νεαροί αιτούντες άσυλο που  κατηγορήθηκαν για εμπρησμό, συνελήφθησαν με συνοπτικές διαδικασίες στη βάση αδύναμων και αντιφατικών στοιχείων, υποδεικνύοντας με αυτό τον τρόπο ότι η απάνθρωπη διαχείριση του καμπ από την Ευρωπαϊκή Ένωση και την ελληνική κυβέρνηση απαιτούσε έναν αποδιοπομπαίο τράγο για μία καταστροφή που ήταν προδιαγεγραμμένο να συμβεί»

Λίγες μόνο ημέρες μετά τις φωτιές, τον Σεπτέμβριο του 2020, η αστυνομία συνέλαβε έξι εφήβους (τους “Moria 6”) και τους κατηγόρησε για εμπρησμό. Ήδη από τη στιγμή της σύλληψής τους, είχαν παρουσιαστεί στο κοινό ως ένοχοι.

Οι Moria 6 δικάστηκαν σε δύο ξεχωριστές δίκες που χαρακτηρίστηκαν ευρέως ως “δίκες-παρωδίες”. Αν και υπήρχαν έγγραφα που αποδείκνυαν την ηλικία τους, μόνο δύο από τους έξι συλληφθέντες αναγνωρίστηκαν ως ανήλικοι. Οι τέσσερις κατηγορούμενοι που αναγνωρίστηκαν ως ενήλικες, καταδικάστηκαν σε πρώτο βαθμό σε 10 χρόνια φυλάκισης τον Ιούνιο του 2021, με την κατηγορία του εμπρησμού που έθετε σε κίνδυνο την ανθρώπινη ζωή, και με το δικαστήριο να αρνείται να λάβει υπόψη του τυχόν ελαφρυντικά.

Δεν μας άκουσαν καθόλου“, δήλωσε μια δικηγόρος καθώς έβγαινε από την αίθουσα του δικαστηρίου, “αυτή η ετυμηγορία είχε ήδη καθοριστεί όταν οι κατηγορούμενοι συνελήφθησαν στα μέσα Σεπτεμβρίου του 2020“. Αμέσως μετά την ανακοίνωση της ετυμηγορίας, η υπεράσπιση άσκησε έφεση.

Μετά την ετυμηγορία στις 11 Ιουνίου 2021, διεθνείς παρατηρητές της δίκης επέκριναν την έλλειψη αποδεικτικών στοιχείων και έκαναν λόγο για μια άδικη δίκη. Οι διεθνείς παρατηρητές της δίκης στην αναλυτική έκθεσή τους για τη δίκη κατέληξαν στο συμπέρασμα ότι το δικαίωμα των κατηγορουμένων σε μια δίκαιη δίκη παραβιάστηκε επανειλημμένα. Παρά την έλλειψη σαφών αποδείξεων για τη συμμετοχή των τεσσάρων κατηγορουμένων στις πολλαπλές φωτιές, κρίθηκαν ένοχοι μετά από μια δίκη που διήρκεσε δύο ημέρες. Βασικά έγγραφα της δίκης δεν μεταφράστηκαν για τους κατηγορούμενους, με αποτέλεσμα να μην μπορούν να κατανοήσουν τις κατηγορίες που απαγγέλθηκαν εναντίον τους. Για το λόγο αυτό και μόνο, η δίκη είναι τυπικά άκυρη.

Η αναβολή της έφεσης των Moria 6 σημαίνει επίσης ότι πλέον μπορούν να εξεταστούν νέα σημαντικά στοιχεία που αποδεικνύουν ότι τρεις από τους τέσσερις νεαρούς ήταν ανήλικοι όταν συνελήφθησαν.

Πρέπει να τονιστεί και πάλι ότι το δικαστήριο βασίστηκε αποκλειστικά στη γραπτή κατάθεση ενός μάρτυρα, ο οποίος φέρεται να μην μπορεί πλέον να βρεθεί. Ωστόσο, η μαρτυρία του είναι γεμάτη αντιφάσεις, όπως αποδεικνύεται τώρα από την εκτενή έκθεση ανάλυσης της νύχτας της φωτιάς. Επιπλέον, ανέφερε μόνο μικρά ονόματα, κοινά μεταξύ των ανθρώπων που ζούσαν στο camp, βάσει των οποίων η αστυνομία συνέλαβε τους έξι εφήβους. Ο “μάρτυρας” δεν ήταν παρών σε καμία δίκη. Το μόνο που μπορεί να υποθέσει κανείς είναι ότι, το δικαστήριο, έχοντας επίγνωση της έωλης κατάθεσης του μοναδικού μάρτυρα της υπόθεσης, δεν θέλησε να διακινδυνεύσει την καταδίκη των έξι νεαρών σε αυτή την πολιτική δίκη, παρά την έλλειψη αποδεικτικών στοιχείων.

Η ανησυχία για μια προδεδικασμένη απόφαση είχε ήδη γίνει πραγματικότητα όταν οι δύο από τους έξι εφήβους, αυτοί που έγιναν επίσημα δεκτοί ως ανήλικοι, καταδικάστηκαν σε πέντε χρόνια φυλάκιση από το Δικαστήριο Ανηλίκων της Λέσβου τον Μάρτιο του 2021. Στις 7 Ιουνίου 2022, η πρωτόδικη απόφαση επικυρώθηκε από το Εφετείο Ανηλίκων, παρά το γεγονός ότι δεν υπάρχουν ακόμη αξιόπιστα στοιχεία. Μόνο που αυτή τη φορά η ποινή μειώθηκε από πέντε σε τέσσερα χρόνια λόγω “καλής διαγωγής εντός της φυλακής”. Το Legal Center Lesvos κατέθεσε αίτηση ακύρωσης της άδικης ποινής, η οποία απορρίφθηκε από τον Άρειο Πάγο. Η αίτηση θα προωθηθεί τώρα στο Ευρωπαϊκό Δικαστήριο. Εν τω μεταξύ, ο Α.Α. αφέθηκε ελεύθερος με αναστολή λόγω καλής διαγωγής, ενώ ο Μ.Χ. οδηγήθηκε απευθείας από τη φυλακή στο κρατητήριο για απέλαση.

Οι αδικίες που διαπράχθηκαν μετά τη σύλληψη των Moria 6, δεν είναι δυστυχώς μεμονωμένες περιπτώσεις, αλλά μέρος της συστηματικής ποινικοποίησης των αιτούντων άσυλο στην Ελλάδα.

Η καταδίκη των έξι εφήβων είναι άλλο ένα συγκλονιστικό παράδειγμα του τρόπου με τον οποίο ποινικοποιούνται οι άνθρωποι που βρίσκονται σε κίνηση (people on the move), σε μια προσπάθεια να στραφεί η προσοχή της κοινής γνώμης μακριά από τα εγκλήματα της ΕΕ και του ελληνικού κράτους, που κατασκευάζουν και διατηρούν απάνθρωπα camps, όπως αυτό της Μόριας. Αποτελεί, άλλωστε, ανησυχητικό γεγονός ότι η μεταρρύθμιση του “Κοινού Ευρωπαϊκού Συστήματος Ασύλου” (ΚΕΣΑ), προβλέπει περισσότερα camps κατά το πρότυπο της Μόριας στα εξωτερικά σύνορα της ΕΕ.

Στεκόμαστε αλληλέγγυες/οι/α με τους Moria 6 και ενάντια στο θανατηφόρο καθεστώς των ευρωπαϊκών συνόρων!

Καλούμε την ΕΕ και το ελληνικό κράτος να αναλάβουν την ευθύνη για τα απάνθρωπα camps που σκόπιμα δημιούργησαν και για τον ανθρώπινο πόνο που προκαλείται από αυτά!

++ Μοιραστείτε αυτές τις πληροφορίες, και οργανώστε δράσεις αλληλεγγύης με το hashtag #FreeTheMoria6

Η άσκηση πολιτικών και δημόσιων πιέσεων θα μπορούσε να αυξήσει τις πιθανότητες απελευθέρωσής τους!

++ Για πληροφορίες σχετικά με το νομικό πλαίσιο επισκεφτείτε τη σελίδα του Legal Centre Lesvos

 

Για περισσότερες πληροφορίες και επαφές:

Email: freethemoria6@riseup.net

Twitter: #FreeTheMoria6

Blog: https://freethemoria6.noblogs.org/

 

Επαφές Τύπου:

Alice Kleinschmidt, Welcome Office Lesvos: +30 698 872 4982

Νεφέλη Μπελαβίλα – Τροβά, CPT – Aegean Migrant Solidarity: lesvos@cpt.org

Nach Brand in Moria 2020: Sechs jugendliche Migranten werden zu Sündenböcken einer gescheiterten EU-Migrationen Politik gemacht – Forderung nach fairem und transparentem Gerichtsverfahren für die Moria 6 am 6. März 2023 in Lesbos

Presseerklärung vom 27/02/2023 von der Solidaritätskampagne #FreeTheMoria6

Nach Brand in Moria 2020: Sechs jugendliche Migranten werden zu Sündenböcken einer gescheiterten EU-Migrationen Politik gemacht –
Forderung nach fairem und transparentem Gerichtsverfahren für die Moria 6 am 6. März 2023 in Lesbos

Nachdem zwei der sechs angeklagten migrantischen Jugendlichen bereits im Juni 2022 rechtskräftig verurteilt wurden, findet nun am 6. März 2023 auf der griechischen Insel Lesbos die Berufungsverhandlung gegen die vier weiteren Angeklagten statt. Sie werden beschuldigt, das Camp Moria im September 2020 niedergebrannt zu haben. Sie waren am 11. Juni 2021 in erster Instanz der Brandstiftung mit Gefährdung von Menschenleben schuldig gesprochen und zu 10 Jahren Haft verurteilt worden – trotz fehlender Beweise!

Ab dem Moment ihrer Verhaftung, lange vor dem Start eines Gerichtsverfahrens wurden sie der Öffentlichkeit bereits als Schuldige präsentiert. Am 16. September 2020, nur eine Woche nach den Bränden, erklärte der griechische Minister für Migration und Asyl Mitarakis in einem Interview mit CNN, dass “das Lager von sechs afghanischen Flüchtlingen in Brand gesetzt wurde, die verhaftet wurden” Diese frühzeitige Erklärung verletzte der Unschuldsvermutung, die allen Angeklagten zusteht und Voraussetzung für faire Gerichtsprozesse ist.

Die Befürchtung, dass die vier jungen Migranten das Recht auf einen fairen und gerechten Prozess nicht gewährleistet ist und sie stattdessen zu Sündenböcken für die unmenschliche EU-Migrationspolitik gemacht werden, hat sich bisher im Verfahren in erster Instanz bewahrheitet.

Nach dem Urteil am 11. Juni 2021 kritisierten internationale Prozessbeobachter*innen den Mangel an Beweisen und sprachen von einem unfairen Verfahren, bei dem die Öffentlichkeit ausgeschlossen wurde. Die lautstarke Forderung nach einem transparenten Prozess, die von über 70 europäischen Organisationen und hunderten von Einzelpersonen gestellt wurde, wurde nicht erfüllt. Trotz fehlender Beweise für die Beteiligung der vier Angeklagten an den Bränden, wurden sie nach einem zweitägigen Prozess schuldig gesprochen.

Das Gericht stützte sich einzig auf die schriftliche Aussage eines angeblich nicht mehr auffindbaren Zeugen, der die Angeklagten gesehen haben will, als sie in der ersten Brandnacht im Camp Moria Feuer gelegt hätten. Seine Aussage ist jedoch voller Widersprüche. So legten die Anwält*innen zum Beispiel dar, dass er nur häufige Vornamen von Personen aus dem Lager benannt hatte, auf deren Grundlage die Polizei sechs Personen festnahm. Zusätzlich wurden die vorliegenden Dokumente, die die Minderjährigkeit von drei der Angeklagten belegten, nicht anerkannt.

Die Befürchtung einer Vorverurteilung hatte sich bereits bewahrheitet, als die beiden offiziell als Minderjährige anerkannten Jugendlichen der Moria 6 im März 2021 vom Jugendgericht auf Lesbos zu fünf Jahren Haft verurteilt wurden. Schon damals hatten Beobachter_innen von einem unfairen Prozess gesprochen. Am 7. Juni 2022, in einem erneut sehr feindseligen und alles andere als unparteiischen Gerichtsverfahren wurde das Urteil aus erster Instanz vom Jugendberufungsgericht bestätigt, obwohl nach wie vor keine glaubwürdigen Beweise vorlagen. Lediglich das Strafmaß wurde wegen “guter Führung im Gefängnis” von fünf auf vier Jahre reduziert. Das Legal Center Lesbos stellte einen Antrag auf Annullierung des unfairen Urteils. Er soll am 10. März 2023 vor dem Obersten Gerichtshof verhandelt werden.

Zumindest einer der sechs Angeklagten ist inzwischen in Freiheit, da sein Antrag auf Freilassung auf Bewährung stattgegeben wurde. Die anderen fünf Jugendlichen befinden sich nunmehr seit fast 2,5 Jahren im Gefängnis.

Hintergrund

Am 8. September 2020 brannte – angefacht durch einen starken Wind – das berüchtigte Camp Moria auf der griechischen Insel Lesbos vollständig ab. Die großflächigen und langandauerten Brände, die gut dokumentiert und nahezu live über soziale Medien übertragen wurden, brachten die anhaltende Politik der Abschreckung durch unmenschliche Bedingungen in Europas Hotspot-Lagern in der Ägäis zurück in das mediale Rampenlicht. 

Anstatt das Feuer als unvermeidliche Katastrophe in einer tödlichen Lagerinfrastruktur zu sehen, verhaftete der griechische Staat sechs junge afghanische Migranten und präsentierte sie als die Schuldigen und alleinige Auslöser des Feuers. Damit wurde versucht, eine weitere öffentliche Debatte über die Lebensbedingungen im Lager und die politische Verantwortung im Keim zu ersticken. Die Brände ereigneten sich zu einer Zeit, als die Zahl der im Lager lebenden Menschen 12.000 erreicht hatte, Bewegungseinschränkungen seit fast sechs Monaten in Kraft waren und sich zunehmend Angst vor Covid-19 im Lager ausbreitete. Eine Woche vor dem Brand war der erste Campbewohner positiv getestet worden. Statt die infizierten Menschen aus dem Lager zu bringen und die Lebensbedingungen für die Eingeschlossenen zu verbessern, plante die Regierung, das gesamte Lager mit einem doppelten Nato-Hochsicherheitszaun komplett abzuriegeln und ging gewaltsam gegen jeden Protest vor. 

Die Verurteilung der sechs Jugendlichen ist ein weiteres schockierendes Beispiel dafür, wie Menschen auf der Flucht kriminalisiert werden, um von dem Verbrechen von EU und Griechenland abzulenken, menschenunwürdige Camps wie Moria zu bauen und aufrecht zu erhalten.

Der Fall der Moria 6 ist nicht das erste Mal, dass Migrant*innen in Griechenland willkürlich verhaftet und angeklagt wurden. Diese Praxis ist schon lange Teil des unmenschlichen EU-Grenzregimes. Im aktuellen politischen Umfeld hat die Kriminalisierung von Migration jedoch eine neue Stufe erreicht, ebenso wie die illegalen Pushbacks von Migrant*innen durch die Behörden.

Wir fordern einen fairen und transparenten Prozess am 6. März 2023!

Wir stehen in Solidarität mit den Moria 6 und gegen das tödliche europäische Grenzregime!

Wir fordern die EU und den griechischen Staat auf, Verantwortung für die unmenschlichen Lager, die sie mutwillig geschaffen haben, und für das menschliche Leid, das daraus resultiert, zu übernehmen!

– Stoppt die Abschottung der Menschen am Rande der EU!
– Schluss mit dem EU-Türkei-Deal!
– No more Morias!
– Free the Moria 6!

++Teilt die Infos, organisiert Solidaritätsaktionen unter dem Hashtag #FreeTheMoria6

++Informationen zum rechtlichen Kontext siehe Legal Centre Lesvos ,

Weitere Informationen und Kontakte:

E-Mail: freethemoria6@riseup.net , Twitter: #FreeTheMoria6

Blog: https://freethemoria6.noblogs.org/

[Pressemitteilung 09.02.2023] Ungerechtfertigte Verurteilung einer verzweifelten Mutter nach Selbstmordversuch

Pressemittelung der Initiativen CPT Aegean Migrant Solidarity, borderline-europe e.V., You can’t evict Solidarity vom 09.02.2023:

Am 08. Februar 2023 wurde eine 29-jährige Frau, die versucht hat, sich im berüchtigten Camp Moria 2 auf der griechischen Insel Lesbos aus Verzweiflung selbst zu verbrennen, wegen Brandstiftung und Sachbeschädigung verurteilt.

M.M. wurde zwar von der Anklage der Brandstiftung mit Gefährdung anderer Personen freigesprochen. Eine Verurteilung für dieses Kapitalverbrechen hätte bis zu 10 Jahren Gefängnis bedeutet. Sie wurde jedoch für vorsätzliche Brandstiftung und Beschädigung von fremden Eigentums schuldig befunden, was zu einer 15-monatigen Haftstrafe auf Bewährung führte.

Dies wurde von einer gemischten Jury einstimmig entschieden, obwohl selbst der Staatsanwalt das Fallenlassen der Anklage wegen Brandstiftung angemessen sah, da der Tatbestand laut Gesetz nicht vorlag. Skandalös ist, dass die Jury die Tat nicht als Selbstverletzung bewertete, die in Griechenland nicht unter Strafe steht.

Die Anwält*innen der Organisation HIAS Greece zeigten sich von dem Urteil zunächst entsetzt und enttäuscht. Eine Anerkennung der Fakten hätte zu einem Freispruch führen müssen. Eine Verzweiflungstat ist kein Verbrechen. Deshalb werden die Anwält*innen Berufung gegen das Urteil einlegen.

Die Entscheidung des Gerichts, die katastrophalen Umstände des Camps, die die Ursache der Verzweiflungstat waren und für die der griechische Staat verantwortlich ist, nicht anzuerkennen, war ebenso politisch motiviert wie das Verfahren an sich. Zahlreiche Supporter*innen verfolgten den Prozess, fast 500 Menschen hatten eine Petition für einen Freispruch unterschrieben.

Die Situation im Camp war im Winter 2020/21 katastrophal. Der Platz dicht am Meer ist zum Leben vollkommen ungeeignet: Die Zelte brechen durch starken Wind und heftigem Regen immer wieder zusammen oder werden überflutet. Es mangelt an medizinischer Versorgung, Privatsphäre, Strom, fließendem Wasser, heißen Duschen, funktionierenden Toiletten und anderen Hygieneeinrichtungen.

Am 21. Februar 2021, 27 Jahre alt, im 8. Monat schwanger mit ihrem vierten Kind und seit 14 Monaten in den Camps auf Lesvos, erfährt M.M., dass die Umsiedlung ihrer Familie aufgrund ihrer fortgeschrittenen Schwangerschaft verschoben wird. Sie weiß, dass sie nach der Geburt ins Zelt zurückkehren, vor einer chemischen Toilette Schlange stehen und in der Kälte am Meer stillen wird. Sie lässt ihre Kinder bei den Nachbarn, setzt sich in die Mitte ihres Zeltes und zündet sich an.

Die benachbarten Bewohner:innen im Camp retteten sie aus dem brennenden Zelt und löschten das Feuer mit Wasserflaschen und Handtüchern. M.M. wird mit schweren Verbrennungen in ein Krankenhaus gebracht und dort direkt von der Polizei verhört und wie eine Verbrecherin behandelt. Unglaublich: Anstatt der traumatisierten Familie Hilfe und psychologische Betreuung zu bieten, wurde M.M. nach dem Vorfall angeklagt.

Ihre Anwältin weist darauf hin, dass eine schwangere Frau zur schutzbedürftigen Personengruppe gehört, daher hätte M.M. in eine geeignete Unterkunft verlegt werden müssen. Der griechische Staat hat bereits mehrere derartige Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof verloren.

Die Familie konnte mit ihren mittlerweile vier Kindern (im Alter von fast 2, 3, 6 und 8 Jahren) nach einem entsprechenden Antrag ihrer Anwältin inzwischen nach Deutschland umziehen. M.M. ist immer noch stark traumatisiert und die ganze Familie leidet massiv unter der Anklage. Wir sind froh, dass M.M. an diesem Prozess nicht persönlich teilnahm.

Für M.M. bringt das Urteil zwar ein wenig Erleichterung, da sie sich jetzt nicht mehr regelmäßig bei der griechischen Botschaft melden muss.

Die Verurteilung von M.M. wegen ihres Selbstmordversuchs, der nach dem griechischen Strafgesetzbuch nicht strafbar ist und nun brutal als vorsätzliche Brandstiftung eingestuft wurde, ist dennoch als erneute Eskalation der Kriminalisierung von Schutzsuchenden zu werten. Damit soll vor allem von der Verantwortung des griechischen Staates und der EU, angemessene Lebensbedingungen für schutzsuchende Menschen zu gewährleisten, abgelenkt werden.

Alice von borderline-lesvos: “Dieser Prozess ist  dermaßen verdreht.  Ein Hilferuf, ein Selbstmordversuch einer Frau wird zur Straftat gemacht. Die Umstände, die sie zu dieser Tat veranlasst haben, sind das eigentliche Verbrechen.  Wenigstens muss sie nicht ins Gefängnis.  Das ist natürlich eine Erleichterung aber keine Gerechtigkeit

Kim, Kampagne You can`t evict Solidarity: „Wir sind entsetzt über das ungerechtfertigte Urteil, statt einer „Entschuldigung“ und einem vollständigen Freispruch, nun eine Verurteilung. Dies ist nicht das erste Mal, dass Migrant:innen in Griechenland aus absurden Gründen verurteilt werden, stellvertretend für die katastrophalen Zustände in den Camps und die Brutalität der EU-Außengrenzen.

Wir stehen weiterhin in Solidarität mit M. M. und ihrer Familie und gegen das tödliche europäische Grenzregime!

Wir fordern den griechischen Staat und die EU auf, Verantwortung für die unmenschlichen Lager zu übernehmen!

  • Stoppt die Kriminalisierung von Flucht und Migration!
  • Stoppt die Abschottung der Menschen am Rande der EU!
  • No more Morias!
  • Freispruch für M.M!

Το Εφετείο κατά των Amir και Razuli διακόπηκε για τις 7 Απριλίου 2022 μετά από δύο μέρες αναμονής

——deutsch unten——
#FreeAmirAndRazuli

Το Εφετείο των δύο νεαρών Αφγανών που είχαν καταδικαστεί σε πρώτο βαθμό με τις κατηγορίες περί «διευκόλυνσης παράνομης εισόδου» και «παράνομη είσοδο» στην Ελλάδα διακόπηκε. Οι κατηγορούμενοι Amir Zahiri (27 ετών) και Akif Razuli (24 ετών) μεταφέρθηκαν από τις φυλακές Χίου και Σερρών αντίστοιχα, στο Αστυνομικό Τμήμα Μυτιλήνης, όπου αναγκάστηκαν να περιμένουν επί δύο μέρες για την πραγματοποίηση της δίκης τους. Κατά παράβαση του ελληνικού ποινικού δικονομικού δικαίου, οι κατηγορούμενοι κάθισαν με χειροπέδες μέσα στην αίθουσα του δικαστηρίου, περιμένοντας την έλευση της δίκης τους. Δεν τους δόθηκε καμία ενημέρωση για το αν και πότε θα γίνει η δίκη τους, μέχρι που τελικά ξεκίνησε στις 18 Μαρτίου, στις 14:30 μ.μ και να διακοπεί αμέσως. Όλοι οι μάρτυρες όπως και οι διεθνείς παρατηρητές της δίκης που είχαν ταξιδέψει στη Μυτιλήνη από διάφορες ευρωπαϊκές χώρες όπως και διάφορα μέρη της Ελλάδας, αναγκάστηκαν επίσης να περιμένουν μαζί με τον Amir και τον Razuli, μεταξύ των οποίων και η σύζυγος του Amir μαζί με τα δύο ανήλικα παιδιά τους. Επίσης, στην δίκη ήρθαν τρία μέλη του Ευρωπαικού Κοινοβουλίου, καθώς και ο διασώστης Ιάσονας Αποστολόπουλος, για να καταθέσουν και να παρακολουθήσουν την διαδικασία.

Η δίκη θα συνεχιστεί σε 20 μέρες, στις 7 Απριλίου 2022. Με τον τρόπο αυτό, η αλυσίδα της αδικίας με την οποία ήρθαν αντιμέτωποι τα τελευταία χρόνια οι Amir και Razuli συνεχίζεται. Οι Amir και Razuli συνελήφθησαν αυθαίρετα στις 12 Μαρτίου 2020, προφυλακίστηκαν για επτά μήνες και καταδικάστηκαν τον Σεπτέμβριο του 2020 σε 50 χρόνια φυλάκισης χωρίς κανένα στοιχείο εναντίον τους. Τώρα το Εφετείο τους διακόπηκε. 

Μια ελληνίδα παρατηρήτρια της δίκης από την οργάνωση Aegean Migrant Solidarity δήλωσε:

«Οι δύο τελευταίες μέρες ήταν πολύ δύσκολες, ιδιαίτερα για τους ανθρώπους που βρίσκονται υπό κράτηση χωρίς κανένα στοιχείο για τόσο πολύ καιρό. Δύο μέρες τώρα, κανείς δεν γνώριζε αν η δίκη θα ξεκινήσει ή όχι. Το δικαστήριο αποφάσισε να ξεκινήσει η δίκη σήμερα και να συνεχιστεί στις 7 Απριλίου 2022, επειδή αναγνώρισε το γεγονός ότι η δίκη πρέπει να ξεκινήσει σε ένα εύλογο χρονικό διάστημα. Ας είμαστε όλοι στις 7 Απρίλη!»

Ο Marco Aparicio, παρατηρητής δικών από το Ισπανικό Παρατηρητήριο DESC (ESCR Observatory) σημείωσε:

«Η παράταση της διαδικασίας παρατείνει τα βάσανα για τον Amir και των Razuli, των συγγενών και των φίλων τους που έχουν το δικαίωμα να γνωρίζουν για το μέλλον τους. Αυτή η δίκη, πράγματι, δείχνει ότι η Ευρώπη συνηθίζει όχι να ποινικοποιεί αυτούς που προκαλούν τον πόνο, αλλά τους ανθρώπους που υποφέρουν».

Η Lorraine Leete από το Legal Centre Lesvos, η οποία υπερασπίζεται τον Akif Razuli, εξηγεί: 

«Οι Amir και Razuli δεν θα έπρεπε ποτέ να έχουν συλληφθεί, πόσο μάλλον να καταδικαστούν και να φυλακιστούν, δεδομένης της έλλειψης αποδεικτικών στοιχείων ότι διέπραξαν το έγκλημα για το οποίο κατηγορούνται. Παρόλο που ο Amir και ο Razuli δεν θα πάρουν ποτέ πίσω τα δύο χρόνια που πέρασαν στη φυλακή, ελπίζουμε ότι αυτή κακοδικία θα αποκατασταθεί κατά τη συνέχιση της δίκης τους τον επόμενο μήνα».

Οι οργανώσεις Legal Centre Lesvos, Aegean Migrant Solidarity, borderline – europe e.V, You Can’t Evict Solidarity και η Deportation Monitoring Aegean παρακολούθησαν στενά τη δίκη. Θα συνεχίσουμε να στεκόμαστε αλληλέγγυοι στους κατηγορούμενους, ανεξάρτητα από το πόσος χρόνος θα χρειαστεί για να αποδοθεί δικαιοσύνη για τον Amir και τον Razuli.

Επικοινωνία:

Marion Bouchetel
Legal Centre Lesvos
marion@legalcentrelesvos.org Τηλ: +30 697 761 9003
Kim Schneider
You can’t evict Solidarity
cantevictsolidarity@riseup.net Τηλ: +49 152 19255205
Twitter: @cantevict; @lesboslegal #FreeAmirAndRazuli

Antirepressionsbericht 2020- 2022 von der Kampagne you can’t evict solidarity

(veröffentlicht: Februar 2022)

Im folgenden Bericht möchten wir als Antirepressionskampagne darlegen, wie viele und welche Repressionsfälle wir in den vergangenen zwei Jahren begleitet, beobachtet, dokumentiert und finanziell unterstützt haben.

Bei fast allen Repressionsfällen handelt es sich bei den Betroffenen um Menschen, die als auf ihrer Flucht nach Europa an den EU-Außengrenzen durch die rassistische EU-Migrationspolitik und das Grenzregime kriminalisiert werden. Häufig lässt sich dabei eine Systematik erkennen: Menschen erreichen einen EU-Staat, werden in menschenverachtende Lager gesperrt und isoliert. Einige lehnen sich dagegen auf und werden anschließend in der Öffentlichkeit und Medien als “kriminell” dargestellt. Weil sie für ihre Rechte eingetreten sind, werden sie angeklagt und in beschleunigten Verfahren und unfairen Gerichtsprozessen zu horrenden Strafen verurteilt – und niemand bekommt etwas mit.
Dieser Unsichtbarkeit und Ungerechtigkeit möchten wir entgegenwirken. Gleichzeitig möchten wir die widerständigen, fliehenden Menschen unterstützen, wenn ihre Migration kriminalisiert wird. Wir wollen durch unsere Arbeit helfen, angemessene rechtliche Begleitung zu ermöglichen und durch konsequente Öffentlichkeitsarbeit die Prozesse ins Licht der Öffentlichkeit zerren.

Fall: Vial 15 (April 2020 – Juni 2021)

Mitte April 2020 – kurz nach Pandemiebeginn – wurde über das Hotspot-Lager Vial auf der griechischen Insel Chios eine Ausgangssperre verhängt. Während dieser wurden die Bewohner*innen nicht einmal mit dem Lebensnotwendigen versorgt! Als schließlich eine irakische Frau in einem Isolationscontainer starb ohne ausreichend medizinisch behandelt worden zu sein, brachen Proteste aus. Im Rahmen der Proteste kam es zu einem Brand.

Daraufhin wurden willkürlich 15 Personen festgenommen und 14 Monate lang in Untersuchungshaft gehalten, obwohl die Staatsanwaltschaft während des gesamten Verfahrens keine stichhaltigen Beweise für die Schuld der Angeklagten vorlegen konnte . Bei der Verurteilung wurde sich stattdessen auf die fragwürdige Identifizierung eines Mitarbeiters der Sicherheitsfirma des Lagers Vial gestützt.

Am 29. Juni 2021 wurden dann im Gerichtsprozess alle Angeklagten vom Vorwurf der Brandstiftung mit Gefährdung von Menschenleben sowie dem Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung im Hotspot Lager Vial auf Chios freigesprochen.

Während vier Personen von allen Anklagepunkten freigesprochen wurden, wurden acht Personen wegen Widerstand und den Ausschreitungen im Camp verurteilt. Eine Person wurde zudem wegen Zerstörung öffentlichen Eigentums verurteilt.

Einer der Angeklagten wurde am ersten Tag vom Verfahren ausgeschlossen, weil er minderjährig ist. Eine weitere Person konnte nicht aufgefunden und verhaftet werden und war daher bei der Verhandlung nicht anwesend. Alle neun Personen, die verurteilt wurden, erhielten eine Bewährungsstrafe von 3,5 Jahren, gegen die Berufung eingelegt wurde.

Alle 15 Personen wurden zurück nach Athen und Chios überstellt und (teilweise auf Bewährung) freigelassen.
Für den Tod der Frau in dem Isolationscontainer oder die unmenschlichen Zustände in den Hotspot-Lagern wurde allerdings bis heute noch niemand zur Verantwortung gezogen.

 

Fall: Moria 6 (September 2020)

https://freethemoria6.noblogs.org/

Am 16.09.2020 ist das berüchtigte Hot-Spot-Lager Moria bis auf den Grund abgebrannt. In Folge des Brandes wurden vollkommen willkürlich und ohne Beweise 6 junge afghanische Teenager festgenommen und in Untersuchungshaft gesteckt. Damit wiederholte der griechische Staat das altbekannte, zynische Spiel nach Protesten, Unfällen oder Unruhen im Lager einfach irgendwelche Menschen festzunehmen und für das Geschehene verantwortlich zu machen.

Entsprechend hat die Regierung schon wenige Tage nach der Verhaftung und lange vor einer gerichtlichen Bearbeitung des Falles verkündet, dass die 6 Teenager ihrer Ansicht nach schuldig seinen.

Zwei der Minderjährigen wurden dann am 09.03.2021 zu 5 Jahren Haft wegen Brandstiftung und Gefährdung von Menschenleben nach Jugendstrafrecht verurteilt, obwohl die Beweisaufnahme keine stichhaltigen Beweise lieferte und die einzigen Belastungszeugen zwei Polizisten waren, die widersprüchliche und unschlüssige Aussagen machten.

Den anderen vier Beschuldigten wurde ihre Minderjährigkeit abgesprochen, obwohl sie Dokumente vorlegten, die ihre Minderjährigkeit zum Verhaftungszeitpunkt beweisen konnten. Dadurch traf sie das griechische Recht in Voller Härte: sie wurden am 13.06.2021 zu 10 Jahren Gefängnis wegen Brandstiftung und Gefährdung von Menschenleben verurteilt. Auch dieser Prozess war von Widersprüchen und Mangel an Beweisen gekennzeichnet.

Zusammen mit vielen aktivistischen Gruppen und NGOs machten wir Öffentlichkeitsarbeit vor und während den Prozessen, stellten Forderungen nach transparenten und fairen Prozessen und unterstützten die Betroffenen finanziell.

Fall: Mohamad H.

Am 13. Mai 2021 wurde der 27-jährige Mohamad H. vom Gericht in Mytilene, Lesbos, zu 146 Jahren Gefängnis verurteilt. Im Dezember 2020 ist er mit 33 weiteren Personen in einem Boot nach Griechenland geflohen. Direkt nach der Ankunft auf

Lesvos wurde er als “Fahrer” des Bootes verhaftet und für “Transport von Drittstaatsangehörigen ohne Einreiseerlaubnis in griechisches Hoheitsgebiet” (Schmuggel) angeklagt.

Sein Fall ist höchst problematisch: Erstens wurde dem Angeklagten während der Verhandlung auf Englisch und nicht auf seine Muttersprache Somali übersetzt. Zweitens identifizierten die Zeug*innen den Angeklagten im Prozess nicht als Schmuggler, sondern als die Person, die das Boot in einer Notsituation fahren musste. Das Urteil wurde also gefällt, obwohl weitere Geflüchtete, die mit Mohamed im selben Boot saßen aussagten, dass sie Mohamad ihr Leben verdanken.

Die Verteidigerinnen werden Berufung einlegen.

Fall: K.S.

Am 23. April 2021 fand in Mytilini auf Lesbos der Prozess gegen K.S., einen jungen Mann aus Syrien statt. Er wurde wegen “unerlaubter Einreise” und “Beihilfe zur illegalen Einreise” zu 52 Jahren Haft verurteilt.

Auch dieser Fall zeugt von der unbeschreiblich brutalen europäischen Migrationspolitik und der andauernden Kriminalisierung von Flucht. Zusammen mit seiner Familie erreichte K.S. die griechische Insel Chios Anfang März 2020. In diesen Zeitraum war das Recht auf Asyl in Griechenland wegen politischer Auseinandersetzung zwischen der Türkei und der EU faktisch außer Kraft gesetzt. Statt ankommenden Migrant*innen Schutz zu gewähren, stellte der griechische Staat systematisch Strafanzeigen wegen “illegaler Einreise”.

K.S. wurde außerdem nach seiner Ankunft zu Unrecht beschuldigt, das Boot mit dem er und seine Familie auf Chios ankamen, gesteuert zu haben. Er wurde wegen “Beihilfe zur illegalen Einreise” (aka Schmuggel) sowie “Herbeiführung eines Schiffsunfalls” angeklagt.

Diese Kriminalisierung hat System. Wir beobachten, dass sich Abläufe in ähnlicher Weise wiederholen: ohne ausreichende Beweise werden Menschen meist zum Zeitpunkt der Ankunft noch vor Ort verhaftet und monatelang in Untersuchungshaft gesperrt. Wenn ihr Fall schließlich vor Gericht kommt, laufen die Verfahren weder fair noch rechtsstaatlich ab. Sie dauern im Durchschnitt eine gute halbe Stunde Und resultieren in extrem hohen Haft- und Geldstrafen. Zum Beispiel beträgt durchschnittliche Strafe für die Anklagepunkte, die gegen K.S. erhoben wurden, 93 Jahre.

Gegen das Urteil, zu dem K.S. verurteilt wurde, wird es im Frühjahr 2022 ein Berufungsverfahren geben.

Fall der El Hiblu 3

In Malta wurden im Frühling 2019 drei Teenager wegen Terrorismus angeklagt. Sie gehörten zu einer Gruppe von Migrant*innen, die am 26. März 2019 auf einem Gummiboot aus Libyen flohen. Die 108 vom Ertrinken bedrohten Menschen wurden von der Besatzung des Frachtschiffs El Hiblu 1 gerettet. Auf Anweisung eines Flugzeugs der europäischen Militäroperation Eunavfor Med versuchte die Besatzung, die Geretteten nach Libyen zurückzubringen. Dabei ist Libyen vom Krieg zerrissenen und Migrant*innen müssen dort unter entsetzlichen Bedingungen leben. Die Geflüchteten protestierten gegen die Rückführung nach Libyen und überzeugten die Besatzung der El Hiblu 1 stattdessen Richtung Norden nach Malta zu steuern. Bei dem Protest wurde niemand verletzt und es wurde nichts beschädigt. Dennoch wurden drei Teenager bei ihrer Ankunft verhaftet und 7 Monate lang festgehalten.

Im November 2019 wurden sie auf Kaution freigelassen. Seitdem sind sie auf Bewährung und dürfen Malta nicht verlassen. Sie müssen sich jeden Tag auf der Polizeiwache melden und an einer monatlichen Anhörung teilnehmen, bei der die Staatsanwaltschaft versucht, mögliche Anklagepunkte zu ermitteln. Sollten die El Hiblu 3 von einem Geschworenengericht in Malta für schuldig befunden werden, droht ihnen eine hohe Haftstrafe.

Die letzte Anhörung war zu Beginn diesen Februars 2022, das Ergebnis ist bisher nicht veröffentlicht.

Solidaritätskampagne “Free the El Hibu Three!”: https://elhiblu3.info/

Fall: Menschenrechtsaktivist in Kroatien

Am 05. November 2020 fand das Berufungsverfahren gegen ein Gerichtsurteil von Mai 2020 in Zagreb, Kroatien, statt. Das Urteil richtete sich gegen den Partner einer Menschenrechtsaktivistin von Are You Syrious (AYS). Er kam 2017 als Geflüchteter aus dem Irak nach Kroatien. Ein Jahr später wurde sein Flüchtlingsstatus anerkannt . Auch er war zeitweise bei AYS aktiv. AYS ist Teil des Border Violence Monitoring Network (Netzwerk zur Beobachtung von Gewalt an der Grenze). Das Netzwerk veröffentlichte im Januar 2020 einen ersten Jahresbericht, in dem Folter von People on the Move durch kroatische Behörden an den EU-Außengrenzen angeprangert wird.

2019 gab es Anquatschversuche gegen den Beschuldigten mit der Intention, Informationen über andere Geflüchtete sowie über AYS herauszufinden. Polizist*innen wollten sich mit ihm inoffiziell treffen. Als er keine Infos an die Cops geben wollte, haben sie mit dem Entzug seines Asylstatus und Abschiebung in Irak gedroht.

Der Entzug des Aufenthaltsstatus wurde am 11. Mai 2020 von Gericht beschlossen, die Berufung dagegen war im November 2020. Das Ergebnis ist uns nicht bekannt. Beide Aktivist*innen haben Kroatien verlassen.

Räumung Autonome Fabrik ROG in Ljubljana (Slowenien)

Am 19. Januar 2021 wurde das soziale Zentrum – die Autonome Fabrik Rog (AT Rog) – mit vereinten Kräften privater Sicherheitsfirmen mit rechter Gesinnung und der Polizei brutal angegriffen und anschließend mit Bulldozern zerstört. Der Angriff wurde von der Stadtverwaltung von Ljubljana orchestriert. Ohne Vorwarnung und ohne jegliche Rechtsgrundlage wurden Häuser abgerissen und schwer beschädigt, Geräte, Werkzeuge und persönliche Gegenstände konfisziert und Menschen gewaltsam von ihrem Wohnraum verdrängt.

Mit der Räumung und Zerstörung des ROG ist ein weiterer wichtiger selbstorganisierter Raum zerstört , in dem politische Organisierung, Vernetzung stattfand und praktische Solidarität gelebt wurden. Das ROG war wichtig für die Bewegung in Slowenien, aber auch ein Knotenpunkt internationalen Aktivismus. In den Jahren um den sogenannten “Langen Sommer der Migration” war es ein wichtiger Ort sowohl für People on the Move, als auch für aktivistische Gruppen.

Hungerstreik im Lipa Camp Januar 2021

In den ersten Januartagen 2021 hatten sich hunderte Menschen im zuvor ausgebrannten Camp Lipa in Bosnien-Herzegowina zu einem Protest zusammengeschlossen. Sie demonstrierten gegen die katastrophalen Lebensbedingungen, die sie zum täglichen Kampf ums Überleben zwangen. Viele der protestierenden People on the Move traten schließlich in einen Hungerstreik, um für eine menschenwürdige Behandlung und Unterbringung, für offene Grenzen und internationale Medienaufmerksamkeit zu kämpfen.

Das Lager Lipa befindet sich in Westbosnien, nahe der Großgemeinde Bihać und der Grenze zum EU-Lande Kroatien. Isoliert und abgeschnitten von der Gesellschaft und medialer Öffentlichkeit, galt Lipa eigentlich als Notfalllager während der Covid-Pandemie und war dementsprechen desaströs schlecht ausgestattet und versorgt.

Hunderter Menschen mussten dort ausharren und waren Repressionen und Präsenz von Polizei und Militär dauerhaft ausgesetzt.

Umso mutiger war der Widerstand der Menschen in dem Camp. Wir versuchten ihn im Rahmen einer Kampagne in seiner Sichtbarkeit zu unterstützen. Forderungen dabei lauteten:

Kein neues Camp Lipa 2.0 (nach dem Brand), keine militärische Offensive, keine weiteren Scheinlösungen im Machtspiel zwischen EU und inner-Bosnischer Konflikte!

Den Menschen muss unmittelbar eine lebenswürdige Alternative geboten werden und die politisch Verantwortlichen zur ihrer Verantwortung gezogen werden!

Evakuiert alle Lager! Jetzt!

Fall: Amir & Razuli

Amir und Razuli, zwei geflüchtete Personen aus Afghanistan, versuchten im März 2020 Griechenland mit einem Schlauchboot zu erreichen und wurden dabei von der griechischen Küstenwache brutal angegriffen. Diese versuchte, sie mit Gewalt in die Türkei zurückzudrängen. Durch den Angriff sank das Boot und die Küstenwache musste sie an Bord nehmen. Amir und Razuli wurden zusätzlich zu ihrer eigenen Einreise willkürlich wegen “Beihilfe zur illegalen Einreise” und “Provokation eines Schiffbruchs” angeklagt. Nach einem halben Jahr in Untersuchungshaft wurden sie am 8. September 2020 schließlich zu 50 Jahren Gefängnis verurteilt.

Das Berufungsverfahren findet am 17. März 2022 auf Lesbos statt. You cant evict solidarity wird den Prozess kritisch beobachten und darüber berichten.

In Griechenland – und ganz Europa – wird Flucht scharf kriminalisiert. Menschen werden immer wieder willkürlich vor Gericht gezerrt. Die Prozesse dauern durchschnittlich nur etwa 30 Minuten, führen zu einer durchschnittlichen Strafe von 44 Jahren und Geldstrafen von über 370.000 Euro. Nach offiziellen Zahlen des griechischen Justizministeriums befinden sich derzeit fast 2.000 Menschen aus diesem Grund in griechischen Gefängnissen

Fall: Mohamed & Hamza

Hamza und Mohamed sind marokkanische Staatsbürger, die auf der Suche nach Schutz und besseren Lebensbedingungen aus ihrem Land geflohen sind. Insbesondere Hamza Haddi ist ein bekannter politischer Aktivist, der auf politisches Asyl in Europa hoffte. In Marokko wird er wegen seiner Aktivitäten während des Arabischen Frühlings sowie seines Engagements bei der marokkanischen Menschenrechtsvereinigung AMDH politisch verfolgt. Er wurde bereits dreimal inhaftiert und ist, zusammen mit weiteren Familienmitgliedern, mehrfach von den marokkanischen Behörden ins Visier genommen und eingeschüchtert worden. Hamza wird politisch verfolgt.

Da es den meisten Menschen auf der Flucht unmöglich ist, legal nach Europa einzureisen und Asyl zu beantragen, waren auch Hamza und Mohamed dazu gezwungen, sich an Bord eines Bootes zu begeben und dabei ihr Leben zu riskieren.

In Griechenland angekommen, wurden sie sofort von der griechischen Grenzpolizei verhaftet. Doch damit nicht genug. Hamza und Mohamed wurden des Schmuggels von zwei Personen – einer davon Hamzas eigenem Bruder – beschuldigt und am 04. Februar 2020 von einem griechischen Gericht infolge ihrer eigenen Flucht als “Schmuggler” und wegen “Beihilfe zur illegalen Einreise” zu 4 Jahren und 1 Monat Haft verurteilt.

We stay in solidarity!

Trial today! Justice for the Moria 16

quote of the defenders

4 years after one of the fires in Moria camp, this embarrassment of Europe, peoples lives are still affected.
Even though they were found innocent of the fire they have big sentences for other unapproved accusations. Their lives stopped there and their appeal court it’s a chance for them to start again.
No one is guilty. The fires in Moria was not the crime, Moria was the crime. And poor refugees are not the criminals. The criminals are the EU policies and the minds behind these camps.
ALEXANDROS GEORGOULIS LAWYER
DIMITRIS CHOULIS, HUMAN RIGHTS LEGAL PROJECT SÁMOS.

¡Justicia para los 16 de Moria!

¡Justicia para los 16 de Moria!

El 10.07.2018, 16 personas fueron arrestadas arbitrariamente por la policía después de que se intensificara un conflicto en el campo de refugiados de Moría, antiguo punto crítico en la isla de Lesbos, con la que ninguno de los arrestados tenía nada que ver. Tras el arresto sen enfrentan a cargos por incendio premeditado, lesiones corporales peligrosas y daños a la propiedad de otras personas. Ahora, el 02/07/2022, tres años y medio después, tendrá lugar la vista previa al juicio por apelación en el tribunal de Mytilini, Lesbos.

La forma de proceder de los órganos represivos griegos se basa en un sistema claramente identificable: en cuanto los refugiados protestan contra las catastróficas condiciones de alojamiento o la inhumanidad de la política europea de asilo, la policía reacciona con una violencia feroz y detenciones arbitrarias, tal y como hizo en los casos de Moria35 y el Moria8, también en la primavera de 2018.
En la mayoría de los casos, cuando hay conflictos o disputas en el campamento, los policías no intervienen, pero luego, después de los hechos y en una brutal operación policial, arrestan arbitrariamente a personas sin pruebas de su participación en el incidente.

Los juicios que siguen a tales arrestos son caricaturas cínicas de los procedimientos judiciales: no se admiten testigos exculpatorios. Los acusados ​​no reciben traducción en absoluto o solo parcialmente, por lo que a menudo ni siquiera pueden entender lo que está sucediendo. Finalmente, declaraciones contradictorias de representantes de la policía, bomberos o guardacostas y testigos dudosos conducen a condenas con penas extremas. Un claro ejemplo fue el caso Moria6 en marzo y junio de 2021, en el que seis jóvenes fueron acusados sin pruebas ​​y utilizados como chivos expiatorios tras los incendios que destruyeron el Campo de Moria en septiembre de 2020 y condenados a largas penas de prisión.

De la misma forma, el primer juicio de Moria16 en 2018, se utilizó como ejemplo disuasorio, independientemente de lo que realmente sucedió en el campamento el 7/10/2018. Uno de los imputados describe la situación de la detención de la siguiente manera:

“Hubo una pelea en el campamento entre unas pocas personas que duró más de dos horas […] Los policías se reían de la gente. Para ellos era como una película en directo. Les pedíamos ayuda, pero ellos solo se reían de nosotros, nos grababan y sacaban fotos[…] Finalmente, se metieron al campamento e intervinieron, pero fue una intervención dirigida a gente que no estaba en la pelea, y agredieron a personas inocentes. No teníamos opción de escapar, [.. .]. Los policías nos llevaron a la comisaría, nos golpearon, nos trataron muy mal y nos llamaron agresores. Nos ataron de pies y manos y nos dejaron así durante varias horas. No podíamos comunicarnos con ellos porque no sabíamos su idioma y abrieron un caso para cada uno de nosotros sin ningún motivo”.

Como consecuencia del recurso interpuesto la sentencia anterior será revisada el 02.07.2022. Urge una observación crítica del juicio y una contra publicidad para que finalmente se haga justicia a los acusados ​​del caso Moria16. La criminalización y los casos judiciales arbitrarios en los que se utiliza gente como chivos expiatorios de las fallidas políticas migratorias y sus consecuencias deben sacarse a la luz pública.
Nos solidarizaremos con las personas criminalizadas en este caso y en otros, las apoyaremos en la medida de lo posible y trabajaremos para que sus historias sean visibles.

¡Exigimos justicia y libertad para los acusados en el caso de Moria16 y para todos los que son condenados a años de prisión en juicios injustos, en su mayoría inocentes!

no border – no nation – just people: Spendenaufruf im Dezember 2021

no borderno nationjust people: Spendenaufruf im Dezember 2021

 

Liebe Freund*innen, Genossen*innen und alle da draußen, denen das Schicksal von Menschen auf der Flucht und die unmenschliche Situation an den Grenzen nicht egal ist,

erst einmal herzlichen Dank an euch alle, dass ihr letztes Jahr im Winter (erneut) so viel gespendet und damit eure Solidarität mit Menschen auf der Flucht gezeigt habt. Immer wieder berührt uns diese breite Anteilnahme und zeigt, dass wir viele sind und gemeinsam etwas gegen die aktuellen Zustände an den EU-Grenzen tun können. Wir wollen euch in diesem Schreiben schildern, was 2021 aus unserer Perspektive an den EU-Grenzen geschehen ist, wo Unterstützung benötigt wird und wo wir durch unsere Arbeit unterstützen konnten.

 

Das Lager Moria 2.0 und Gerichtsurteile nach dem Brand im alten Lager Moria

Wie ihr vermutlich mitbekommen habt, haben nach dem Brand in dem ehemals größten Geflüchtetenlager Europas Moria auf der griechischen Insel Lesbos im Herbst 2020 tausende Menschen ein Dach über dem Kopf verloren und saßen teilweise und inmitten der Pandemie ohne jegliche Versorgung auf der Straße. Der Hoffnungsschimmer, dass sich ein schreckliches Lager wie Moria nicht wiederholen würde nachdem es abgebrannt war, wurde schnell im Keim erstickt als die griechische Regierung in kürzester Zeit das neue Camp Kara Tepe auf Lesbos errichtete. Kaum vorstellbar und doch traurige Realität: die humanitären Bedingungen und die Repression im Lager, das auf einem ehemaligen Militärübungsplatz direkt am Wasser liegt und in denen die Menschen in Zelten dem Winter schutzlos ausgeliefert sind, sind noch schlimmer als im alten Lager. So entstand schnell der Name “Moria 2.0”. Schon jetzt ist die solidarische Unterstützung der Menschen vor Ort u.a. von der No Border Kitchen Lesbos massiv erschwert, trotzdem unterstützen diese die Menschen, wo es geht.

Nach dem Brand in Moria wurden innerhalb weniger Tage sechs Jugendliche der afghanischen Minderheit der Hazara zu Sündenböcken gemacht und zu Verantwortlichen des Feuers erklärt. In kürzester Zeit und ohne tiefergehende Untersuchungen wurden die sechs Jungs (fünf von ihnen minderjährig) in Untersuchungshaft genommen und im März und Juni diesen Jahres schließlich zu hohen jahrelangen Haftstrafen verurteilt. Es gibt in ihrem Fall ist keine belastbaren Beweise und der Prozess ist politisch stark aufgeladen, sodass wir den gesamten Fall als unfair und nicht rechtsstaatlich bewerten. Wir haben den Fall gemeinsam mit anderen Gruppen solidarisch von hier und vor Ort begleitet und stehen nach wie vor in Kontakt mit den Angehörigen der Inhaftierten.

 

Die Situation an der polnisch-belarussischen Grenze

Polen – Belarus – Afghanistan und Nordirak. Die Machtübernahme der Taliban in diesem Sommer zwingt derzeit tausende Menschen aus Afghanistan zur Flucht, nachdem internationale Kräfte sich dieses Jahr Hals über Kopf aus dem Staub gemacht und viele verzweifelte Menschen – ob sogenannte Ortskräfte oder nicht – zurückgelassen haben. Die Situationen für Frauen*, (Menschenrechts-)Aktivist*innen, Künstler*innen etc. ist katastrophal und aktuell droht eine allgemeine Hungersnot in Afghanistan. Zusätzlich ist die Lage für viele Kurd*innen bzw. Jezid*innen im Nordirak auch nach der Zurückschlagung des sogenannten IS prekär, sodass auch von dort viele Menschen versuchen nach Europa u.a. zu ihren Familien hierherzukommen, während die EU sich mit aller Gewalt abschottet.

Diese verzweifelte Situation hat der belarussische Diktator Lukatschenko genutzt, um die fliehenden Menschen als Macht-Spielball zu instrumentalisieren und die EU zu erpressen. So wurden und werden Tausende visa- und quaratänefrei aus Afghanistan, Irak, Türkei und anderen Staaten nach Minsk geflogen und an die polnische Grenze gebracht. Dort angekommen sitzen sie an der Grenze fest und werden von den polnischen und belarussischen Grenzschutzeinheiten und Militär mit aller Gewalt illegal hin- und hergepusht, dabei wurde gegen Kinder und Familien Tränengas und Wasserwerfer bei Temperaturen um den Gefrierpunkt eingesetzt. Die EU und Deutschland verwehren ihnen das Recht auf Asyl und schauen zu wie Menschen in den Wäldern erfrieren, während gleichzeitig jegliche NGOs, medizinische Notversorgung, Presse oder Nahrungsmittel blockiert und kriminalisiert wird. Die Situation erinnert an das Sterbenlassen durch die EU im Mittelmeer. Doch auch an der belarussisch-polnischen Grenze sind Aktivist*inen vor Ort und versuchen, Kontakt zu den Menschen, die dort festsitzen aufzunehmen und sie zu unterstützen, so u.a. die polnische Grupa Granica.

 

Bosnien: Der Winter kommt

 Die starken Regenfälle in Bosnien betreffen nach wie vor große Teile des Landes und überschwemmen die behelfsmäßigen Camps, die sich People on the Move (PoM) einrichten. Viele Menschen vor Ort, beispielsweise in den Regionen um Bihać und Velika Kladuša, sind auf die Unterstützung bei grundlegenden Bedürfnissen, wie Trinkwasser und Essen, und medizinische Versorgung angewiesen. Noch dazu wird auch hier der kommende Winter immer präsenter. Eine der wichtigsten Ressourcen ist Feuerholz, das auch hier schwierig zu bekommen ist, und wofür Unterstützer*innen immer neue Wege der Finanzierung suchen müssen.

Gewalt wird hier zur Normalität gemacht: Täglich unterstützen aktivistische Gruppen vor Ort mehrere PoM-Gruppen, für die Pushbacks durch (Grenz-)Polizei Alltag sind. Diese Pushbacks sind illegal und machen deutlich, dass das Grundrecht auf Asyl in der Europäischen Union nicht mehr existiert. EU-Grenzschutzbehörden führen diese Praxis systematisch täglich durch. Unsere Kontakte berichten über die gewaltvollen Eingriffe der Grenzpolizei, bei denen sie psychische und physische Gewalt erfahren. Oft werden ihnen dabei zusätzlich persönliche Gegenstände, auf die sie grundlegend angewiesen sind, abgenommen, unter anderem Handys und Powerbanks.

 

Unsere Antwort heißt Solidarität

Dennoch nehmen Aktivismus und Widerstand gegen das brutale Grenzregime nicht ab. Noch immer gibt es an verschiedenen Orten, wo Menschen feststecken, Unterstützungsstrukturen und praktische Solidarität. Menschen organisieren sich gemeinsam, dokumentieren Gewalt und Pushbacks, schaffen eigene Öffentlichkeit, wenn die Medien Geschehnisse nicht mehr zeigen und es werden ganz praktische Sachen wie Lebensmittel zum Kochen, medizinische Versorgung, Kosten für Anwält*innen zur Verteidigung basaler Rechte gedeckt.

Unsere Solidarität wird niemals enden. Die Situation für Menschen auf der Flucht wird immer prekärer, der Zugang zu teilweise einfachen Bedürfnissen wird auch durch die Pandemie stark eingeschränkt – und die Spendengelder sind fast aufgebraucht.

Deshalb wenden wir uns heute nochmal an euch mit der Bitte, uns (weiterhin) zu unterstützen.

 

Was haben wir mit euren Spenden in 2021 erreicht?

 Die No Border Kitchen Lesbos und weitere lokale Initiativen haben in 2021 erneut – u. a. mit euren Spenden und insgesamt vielen tausend Euro Spendengeldern – die dort festsitzenden Menschen durch warme Mahlzeiten, Getränke, Decken und Kleidung praktisch solidarisch unterstützt. Wir können ihnen zwar nicht ihre Würde zurückgeben, aber das Gefühl, dass sie nicht alleine sind, und, dass es in Europa auch Menschen gibt, die sich mit ihnen solidarisieren.

Wir haben mit euren Spenden des Weiteren auch die Arbeit sozialer Initiativen entlang der sogenannten Balkanroute, in Griechenland und der Türkei sowie an der polnischen Grenze zu Belarus unterstützt. Dazu unterstützen wir auch Orte, in denen Geflüchtete wohnen, die Menschen auf der Flucht unterstützen bzw. sich für die Rechte Geflüchteter und für Bewegungsfreiheit einsetzen.

Wir konnten durch eure Unterstützung Vieles bewegen. Um unsere Vorhaben auch jetzt und in Zukunft weiter realisieren zu können, bitten wir alle unsere Freund*innen, Genoss*innen und solidarische Menschen, uns nach ihren Kräften und Möglichkeiten mit Spenden zu unterstützen oder zu überlegen, wie und wo ihr in eurem Umfeld Gelder besorgen könnt, damit bei uns weiterhin der Kessel dampft.

Teilt diesen Aufruf gerne auch überall.

In Solidarität,

You can’t Evict Solidarity als Teil der Kampagne “No Border – No Nation – Just People”

 

Infos zur Situation an den Grenzen:

http://balkanroute.bordermonitoring.eu

https://cantevictsolidarity.noblogs.org

https://noborderkitchenlesvos.noblogs.org

 

Spendenkonto:

Kontoinhaber*in: VVN/BdA Hannover

Verwendungszweck: just people

Bank: Postbank Hannover

IBAN: DE67 250 100 3000 4086 1305

BIC: PBNKDEFFXXX

(Verwendungszweck beachten!)

 

[Vial15] Pressemitteilung: Abschließendes Urteil gegen die Vial 15

Heute, am 29. Juni 2021, wurden alle Angeklagten vom Vorwurf der Brandstiftung mit Gefährdung von Menschenleben sowie dem Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung im Hotspot Lager Vial auf Chios freigesprochen! Vier Personen wurden von allen Anklagepunkten freigesprochen, acht Personen wurden wegen Widerstand und den Ausschreitungen im Camp sowie eine Person wegen Zerstörung öffentlichen Eigentums verurteilt. Einer der Angeklagten wurde am ersten Tag vom Verfahren ausgeschlossen, weil er minderjährig ist. Eine weitere Person konnte nicht aufgefunden und verhaftet werden und war daher bei der Verhandlung nicht anwesend. Die neun Personen, die verurteilt wurden, erhielten eine Bewährungsstrafe von 3,5 Jahren, gegen die die Anwälte Berufung einlegen werden. Alle 15 Personen werden nun zurück nach Athen und Chios überstellt und dann, teilweise auf Bewährung, freigelassen.

Das Gerichtsverfahren war Folge von Verhaftungen im Zusammenhang von Protesten von Lagerbewohner*innen gegen die katastrophalen Lebensbedingungen im Hotspot-Lager Vial. Die Proteste fanden im April 2020 statt, nachdem über das Lager Vial eine Ausgangssperre verhängt worden war, ohne dass die Bewohner*innen ausreichend mit dem Nötigsten versorgt wurden. Die Wut der Menschen im Lager brach sich Bahn, als eine irakische Frau in einem Isolationscontainer starb, ohne ausreichend medizinisch behandelt worden zu sein.

Alle Angeklagten, die nun offiziell von den Brandstiftungsvorwürfen freigesprochen wurden, wurden jedoch 14 Monate in Untersuchungshaft festgehalten und neun von ihnen sind immer noch nicht von allen Vorwürfen freigesprochen. Und das, obwohl die Staatsanwaltschaft während des gesamten Verfahrens keine stichhaltigen Beweise für die Schuld der Angeklagten vorlegen konnte und sich bei der Verurteilung auf die fragwürdige Identifizierung eines Mitarbeiters einer Sicherheitsfirma des Lagers Vial stützte. Auch der 15. Angeklagte – der von der Asylbehörde offiziell als minderjährig anerkannt wurde – blieb 14 Monate in Untersuchungshaft, obwohl die maximale Dauer der Untersuchungshaft für Minderjährige in Griechenland sechs Monate betragen darf. Er wurde schließlich entlassen, wartet aber immer noch auf seinen Prozess vor einem Jugendgericht.

Der Prozess war von Unregelmäßigkeiten durchzogen. Zunächst erschien der Security Mitarbeiter, Hauptzeuge der Staatsanwaltschaft, nicht vor Gericht. Er behauptete, die Angeklagten erkannt zu haben, obwohl es dunkel war und die Menschen im Lager aufgrund von Corona und wegen des starken Rauchs und Tränengases ihre Gesichter verdeckt hatten. Als er am nächsten Tag endlich im Gericht eintraf und vernommen wurde, führten die Richter ein höchst fragwürdiges Identifizierungsverfahren durch: Sie riefen die zehn Angeklagten, die der Zeuge angeblich erkannt hatte, namentlich auf und forderten sie nacheinander auf, sich zu erheben und ihre medizinischen Masken abzunehmen. Der Zeuge bestätigte lediglich jedes Mal, dass er sie wiedererkennen würde und musste sie somit nicht eigenständig identifizieren. Gleichwohl sagte er aus, die Angeklagten nicht beim Legen von Feuer gesehen zu haben. Der zweite Zeuge der Staatsanwaltschaft konnte keinen der Angeklagten identifizieren.

Dank der Verteidiger konnte gezeigt werden, dass die Vorwürfe unplausibel und wenig fundiert waren. Auch ist es der Solidarität und den Bemühungen der Zeug*innen der Verteidigung zu verdanken – Personen, die zur Zeit des Brandes mit den Angeklagten im Lager Vial gelebt hatten und viermal auf eigene Kosten zur Aussage nach Lesvos reisten – dass der Hauptanklagepunkt schließlich fallen gelassen wurde. Zwei der Verteidiger erklärten:

“Wir freuen uns sehr über das Ergebnis. Wir sind stolz, dass wir das Gericht dazu gebracht haben, unsere Bitten um einen fairen Prozess anzuhören und hoffen, dass dies keine Ausnahme bleibt, sondern von nun an die Regel sein wird. Trotzdem sind wir traurig darüber, dass diese Menschen für ein Verbrechen, das sie nicht begangen haben, eineinhalb Jahre in Untersuchungshaft saßen. Wir wünschen ihnen eine bessere Zukunft in Griechenland mit Gerechtigkeit und Solidarität.”

Dimitris Choulis, Human Rights Legal Project Sámos und Alexandros Georgoulis

Der Prozess reiht sich ein in eine Geschichte von Gerichtsverfahren gegen Migrant*innen, die sich gegen die unmenschliche Behandlung, der sie auf den griechischen Inseln ausgesetzt sind, wehren. Nur zwei Wochen zuvor wurden die Moria 6 in einem unfairen Prozess mit fadenscheinigen Beweisen verurteilt, das Lager Moria auf der Insel Lesbos angezündet zu haben.

Während die Geflüchteten verurteilt wurden, wurde niemand für den Tod der Frau im Lager Vial und all die unbekannten Todesfälle in weiteren Lagern und auf See zur Verantwortung gezogen. Stattdessen sind es wieder Geflüchtete, die zu Sündenböcken für die unmenschliche Politik der Einsperrung in Lagern und Gefängnissen gemacht werden. Das eigentliche Verbrechen, Menschen in unerträgliche Lebensbedingungen zu zwingen und sogar ihren Tod in Kauf zu nehmen, wird von keinem Gericht angerührt. Das Problem sind nicht die selbstorganisierten Proteste gegen diese Repression und die Lagerstrukturen. Das Problem ist die Existenz der Lager!

 

[Vial15] Freiheit für die Vial 15 auf Chios!

Am Dienstag, den 22. Juni, findet der Prozess gegen die Vial 15 vor dem Gericht in Mytilini auf der Insel Lesbos statt. 15 Menschen aus verschiedenen Ländern werden beschuldigt, in der Nacht vom 18. auf den 19. April 2020 im EU-Hotspot-Camp Vial auf der Insel Chios randaliert und Feuer gelegt zu haben. Die Festnahmen folgten Protesten gegen die unmenschlichen Bedingungen im Lager Vial, nachdem eine Frau in einem Isolationscontainer gestorben war.

Den 15 Angeklagten wird Brandstiftung mit Gefährdung von Menschenleben, Zerstörung von Privateigentum, Körperverletzung und Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Wie bereits in vielen vorausgegangenen Fällen, wie z.B. kürzlich im Prozess gegen die Moria 6, wurden auch sie ohne stichhaltige Ermittlungen und auf der Basis zweifelhafter Indizien verhaftet.

Der Großteil der Angeklagten wurden erst im Verlauf der folgenden 3 Wochen nach dem Feuer verhaftet. Der einzige „Beweis“, der gegen die meisten von ihnen vorliegt, ist die Aussage eines Polizeibeamten, der sie in der Polizeidatenbank aufgrund ihres Aussehens, Größe und Frisur erkannt haben will. Die Festnahmen stützen sich auf diese zweifelhafte Grundlage, obwohl die Proteste bei Nacht stattfanden und die Demonstrant*innen ihre Gesichter mit Schals und Masken bedeckt hatten – einerseits als COVID-19 Prävention, andererseits aufgrund der Rauchentwicklung im Lager und um sich vor dem massiven Tränengasbeschuss durch die Polizei zu schützen. Nur wenige der Angeklagten wurden noch am selben Tag des Feuers verhaftet, einzig aufgrund der Tatsache, dass sie Feuerzeuge oder Messer bei sich trugen – Gegenstände, die in einem Camp alltäglich sind und zum Kochen und Rauchen benötigt werden.

Zum Zeitpunkt der Festnahmen lebten etwa 7000 Menschen in Vial, einem Lager, dessen Infrastruktur nur für 1000 Menschen ausgelegt ist. Die meisten Menschen sind gezwungen in einem inoffiziellen Bereich in Zelten oder selbstgebauten Hütten unter fatalen hygienischen Bedingungen leben. Die 15 Personen wurden während der ersten Welle der COVID-19-Pandemie verhaftet, einer Zeit großer Unsicherheit und Unklarheit, wie sich das Virus auf die Situation der Lagerbewohner*innen auswirken würde. Die griechischen und europäischen Behörden, die die Lager verwalten, reagierten auf die Pandemie vor allem mit Versuchen die Bewohner*innen der Lager durch strenge Ausgangssperren und Geldstrafen unter Quarantäne zu stellen. Während die Menschen über Monate im Lager eingesperrt waren, wurden kaum medizinische oder hygienische Vorkehrungen getroffen, wodurch sie sich noch mehr im Stich gelassen fühlten.

Nach dem Tod einer 47-jährigen Frau aus dem Irak eskalierte die Situation und Proteste brachen aus. Die Frau starb Berichten zufolge an Herz- oder Lungenversagen und war zwei Tage zuvor mit Bradykardie und Herzrhythmusstörungen ins Krankenhaus eingeliefert, auf Covid-19 getestet und mit Medikamenten versorgt worden.  Nach ihrer Rückkehr ins Lager Vial wurde sie als Isolationsmaßnahme in einem der neuen Container außerhalb des Lagers eingesperrt und erlitt eine Panikattacke. Ihr Ehemann fand sie später tot im Container.

Niemand wurde bisher für den Tod der Frau im Lager Vial zur Rechenschaft gezogen. Auch die zahlreichen anderen bekannten und unbekannten Todesfälle in den griechischen Lagern und die Todesfälle auf See kamen nicht zur Anklage.

Stattdessen sollen nun 15 Personen, die aufgrund fadenscheiniger Beweisgrundlagen inhaftiert wurden, für die Zerstörung der Lagereinrichtungen den Kopf hinhalten und als Schuldige markiert werden. Bereits seit einem Jahr und zwei Monaten werden sie in Untersuchungshaft festgehalten. Zweimal wurde die Gerichtsverhandlung wegen der aktuellen COVID-19 Situation verschoben. Bereits zum dritten Mal werden sie nun für den Prozess in Handschellen zur Polizeistation in Mytilini gebracht.

Obwohl es keinerlei glaubwürdige Beweise für die Schuld der Angeklagten gibt, ist zu befürchten, dass sie verurteilt werden. Sie werden als Sündenböcke für die europäische und griechische Migrationspolitik kriminalisiert, die unerträgliche Lebensbedingungen in Lagern auf den griechischen Inseln schafft. Auch in den kürzlich stattgefundenen Prozessen gegen die Moria 6 mussten wir erleben, wie die Angeklagten in einem politischen Schauprozess voller Fehler und mit mangelhaften Beweisen zu fünf bzw. zehn Jahren Haft verurteilt wurden.

Wir sind es leid, diese sinnlose Zerstörung von Menschenleben mit anzusehen. Die Kriminalisierung der Proteste von Migrant*innen muss aufhören.

Das Verbrechen ist nicht, dass Vial und Moria in Flammen standen, das Verbrechen ist die Existenz dieser Camps!

Freiheit für die Vial 15!