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[3. März 2022] Pressemitteilung: Gerechtigkeit für Amir und Razuli!

Das Legal Centre Lesvos, Aegean Migrant Solidarity, Borderline Europe e.V., You can’t evict Solidarity und Deportation Monitoring Aegean fordern Freiheit für zwei junge Geflüchtete.

Die beiden Männer aus Afghanistan haben Schutz in Europa gesucht. Stattdessen wurden sie willkürlich zu 50 Jahren Haft verurteilt. Das Berufungsverfahren findet am 17. März 2022 auf Lesbos statt.

Twitter: @cantevict; #FreeAmirAndRazuli

 

Amir und Razuli versuchten im März 2020 mit einem Schlauchboot Griechenland zu erreichen. Ihrer Aussage zufolge wurden sie von der griechischen „Küstenwache“ angegriffen, die versuchte, sie unter Gewaltanwendung zurück in türkische Gewässer zu drängen. Die „Küstenwache“ beschädigte das Boot dabei so, dass es unterzugehen drohte und die Küstenwache die Menschen letztlich an Bord nehmen musste. Amir und Razuli wurden festgenommen und willkürlich der “Beihilfe zur illegalen Einreise” und “Verursachung eines Schiffbruchs” angeklagt, außerdem für ihre eigene illegale Einreise. Am 8. September wurden sie zu 50 Jahren Gefängnis verurteilt.

Amir und Razuli, 25 und 23 Jahre alt, flohen auf der Suche nach einem Leben in Sicherheit aus Afghanistan nach Europa. Angesichts Europas zunehmender Abschottungspolitik, die es Geflüchteten unmöglich macht, legal nach Europa einzureisen und Asyl zu beantragen, waren sie gezwungen, sich auf den gefährlichen Weg über die Ägäis zu begeben. Mit auf dem Boot befanden sich unter anderem auch Amirs kleine Tochter und seine hochschwangere Frau1.

Sie traten ihre Reise im März 2020 an – dem Monat, in dem die griechische Regierung die Aussetzung des Asylrechts als eines der grundlegendsten Menschenrechte verkündete und infolgedessen Schutzsuchende für ihre eigene „illegale Einreise“ anklagte. Dies steht in drastischem Widerspruch zum EU-Recht und der Genfer Flüchtlingskonvention.

In ihrem ersten Gerichtsprozess sagten Razuli und Amir aus, dass die griechische Küstenwache das Boot angriff sobald es in griechische Gewässer eingelaufen war. Die Küstenwache versuchte, das Boot mit Metallstangen zurück in türkische Gewässer zu drängen. Dabei durchbohrten sie das Schlauchboot, sodass Wasser eindrang und die Menschen an Bord in Lebensgefahr gerieten.2 Als das Boot zu sinken drohte, nahm die Küstenwache die Fliehenden schließlich an Bord.

Nach dieser zutiefst traumatisierenden Erfahrung wurden Amir und Razuli zusätzlich von Küstenwächtern verprügelt und willkürlich beschuldigt, „Schmuggler“ zu sein. Laut Amirs Frau, die gemeinsam mit ihrer kleinen Tochter all dies miterleben musste, hörten sie erst damit auf, als sie ihr kleines Kind schützend vor ihren Mann hielt und die Männer anflehte, aufzuhören.

Sobald sie auf der griechischen Insel Lesbos ankamen, wurden Amir und Razuli vom Rest der Gruppe getrennt und auf die Polizeiwache gebracht. Die Küstenwache beschuldigte sie der eigenen „illegalen Einreise“, der „Beihilfe zur illegalen Einreise anderer Personen“ und der „Gefährdung des Lebens anderer Menschen“.

Sie kamen direkt in Untersuchungshaft und wurden am 8. September 2020 zu 50 Jahren Gefängnis verurteilt. Obwohl es außer den Aussagen der Küstenwache keine Beweise gegen sie gibt, wurden sie lediglich vom Vorwurf freigesprochen, das Leben der anderen im Boot gefährdet zu haben.

Die Berufungsverhandlung wird am 17. März 2022 in Lesbos stattfinden. Anwält:innen des Legal Centre Lesvos und des Human Rights Legal Project Samos werden Amir und Razuli in dem bevorstehenden Prozess verteidigen.

Fast täglich werden Schutzsuchende für ihre eigene Flucht kriminalisiert und willkürlich zu langen Haft- und hohen Geldstrafen verurteilt. Kürzlich wurde ein Überlebender eines Schiffsunglücks sogar für den Tod seines sechsjährigen Sohnes kriminalisiert, der starb, als die Familie versuchte von der Türkei nach Griechenland zu gelangen (siehe Kampagne Free the #Samos2). Angeklagte oder was als “Opfer” dieser ungerechten Gesetzgebung bezeichnet werden kann, haben in der Regel nur begrenzt Zugang zu Rechtsbeistand; Urteile werden oft trotz fehlender Beweise und mangelhafter oder gar fehlender Übersetzung gefällt. In Griechenland dauert ein derartiges Gerichtsverfahren im Schnitt lediglich 30 Minuten und mündet in einer durchschnittlichen Gefängnisstrafe von 44 Jahren und einer Geldstrafe von 370.000 Euro. Nach offiziellen Angaben des griechischen Justizministeriums befinden sich derzeit fast 2.000 Menschen aus diesem Grund in griechischen Gefängnissen. Die Schicksale dieser Menschen sind jedoch nur selten bekannt. Sie werden meist unmittelbar nach ihrer Ankunft verhaftet und unbemerkt weggesperrt, ohne dass ihre Namen bekannt sind und ohne Zugang zu Unterstützung von außen.

Wir fordern eine gründliche Untersuchung, Gerechtigkeit und die Freilassung von Amir und Razuli sowie Freispruch in allen Anklagepunkten!

Wir fordern Freiheit für alle, die als “Bootsfahrer” inhaftiert sind und ein Ende der Kriminalisierung von Menschen auf der Flucht!

Die Europäische Union muss die willkürliche Inhaftierung von Geflüchteten und Migrant:innen beenden!

 

Press Contacts:

Legal Centre Lesvos

lorraine@legalcentrelesvos.org

You can’t evict Solidarity

cantevictsolidarity@riseup.net

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1Amirs Frau hat inzwischen ihr zweites Kind zur Welt gebracht. Nach der ersten Gerichtsverhandlung traf Amir zum ersten Mal auf sein zwei Monate altes Baby. Als er sein Kind zum ersten Mal in den Armen hielt, wurden er von Beamt*innen angeschrien, er solle den Säugling der Mutter zurückgeben.

2 In den vergangenen Monaten sind zahlreiche Berichte erschienen, die das illegale und grausame Vorgehen der griechischen Küstenwache belegen: Menschen werden systematische und illegale zurückgepusht, die Motoren der Boote von Geflüchteten zerstört und die Menschen auf Schwimminseln mitten auf dem offenen Meer ausgesetzt und sich selbst überlassen. Mehr Informationen gibt es bei New York Times, Deutsche Welle und Spiegel.

Antirepressionsbericht 2020- 2022 von der Kampagne you can’t evict solidarity

(veröffentlicht: Februar 2022)

Im folgenden Bericht möchten wir als Antirepressionskampagne darlegen, wie viele und welche Repressionsfälle wir in den vergangenen zwei Jahren begleitet, beobachtet, dokumentiert und finanziell unterstützt haben.

Bei fast allen Repressionsfällen handelt es sich bei den Betroffenen um Menschen, die als auf ihrer Flucht nach Europa an den EU-Außengrenzen durch die rassistische EU-Migrationspolitik und das Grenzregime kriminalisiert werden. Häufig lässt sich dabei eine Systematik erkennen: Menschen erreichen einen EU-Staat, werden in menschenverachtende Lager gesperrt und isoliert. Einige lehnen sich dagegen auf und werden anschließend in der Öffentlichkeit und Medien als “kriminell” dargestellt. Weil sie für ihre Rechte eingetreten sind, werden sie angeklagt und in beschleunigten Verfahren und unfairen Gerichtsprozessen zu horrenden Strafen verurteilt – und niemand bekommt etwas mit.
Dieser Unsichtbarkeit und Ungerechtigkeit möchten wir entgegenwirken. Gleichzeitig möchten wir die widerständigen, fliehenden Menschen unterstützen, wenn ihre Migration kriminalisiert wird. Wir wollen durch unsere Arbeit helfen, angemessene rechtliche Begleitung zu ermöglichen und durch konsequente Öffentlichkeitsarbeit die Prozesse ins Licht der Öffentlichkeit zerren.

Fall: Vial 15 (April 2020 – Juni 2021)

Mitte April 2020 – kurz nach Pandemiebeginn – wurde über das Hotspot-Lager Vial auf der griechischen Insel Chios eine Ausgangssperre verhängt. Während dieser wurden die Bewohner*innen nicht einmal mit dem Lebensnotwendigen versorgt! Als schließlich eine irakische Frau in einem Isolationscontainer starb ohne ausreichend medizinisch behandelt worden zu sein, brachen Proteste aus. Im Rahmen der Proteste kam es zu einem Brand.

Daraufhin wurden willkürlich 15 Personen festgenommen und 14 Monate lang in Untersuchungshaft gehalten, obwohl die Staatsanwaltschaft während des gesamten Verfahrens keine stichhaltigen Beweise für die Schuld der Angeklagten vorlegen konnte . Bei der Verurteilung wurde sich stattdessen auf die fragwürdige Identifizierung eines Mitarbeiters der Sicherheitsfirma des Lagers Vial gestützt.

Am 29. Juni 2021 wurden dann im Gerichtsprozess alle Angeklagten vom Vorwurf der Brandstiftung mit Gefährdung von Menschenleben sowie dem Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung im Hotspot Lager Vial auf Chios freigesprochen.

Während vier Personen von allen Anklagepunkten freigesprochen wurden, wurden acht Personen wegen Widerstand und den Ausschreitungen im Camp verurteilt. Eine Person wurde zudem wegen Zerstörung öffentlichen Eigentums verurteilt.

Einer der Angeklagten wurde am ersten Tag vom Verfahren ausgeschlossen, weil er minderjährig ist. Eine weitere Person konnte nicht aufgefunden und verhaftet werden und war daher bei der Verhandlung nicht anwesend. Alle neun Personen, die verurteilt wurden, erhielten eine Bewährungsstrafe von 3,5 Jahren, gegen die Berufung eingelegt wurde.

Alle 15 Personen wurden zurück nach Athen und Chios überstellt und (teilweise auf Bewährung) freigelassen.
Für den Tod der Frau in dem Isolationscontainer oder die unmenschlichen Zustände in den Hotspot-Lagern wurde allerdings bis heute noch niemand zur Verantwortung gezogen.

 

Fall: Moria 6 (September 2020)

https://freethemoria6.noblogs.org/

Am 16.09.2020 ist das berüchtigte Hot-Spot-Lager Moria bis auf den Grund abgebrannt. In Folge des Brandes wurden vollkommen willkürlich und ohne Beweise 6 junge afghanische Teenager festgenommen und in Untersuchungshaft gesteckt. Damit wiederholte der griechische Staat das altbekannte, zynische Spiel nach Protesten, Unfällen oder Unruhen im Lager einfach irgendwelche Menschen festzunehmen und für das Geschehene verantwortlich zu machen.

Entsprechend hat die Regierung schon wenige Tage nach der Verhaftung und lange vor einer gerichtlichen Bearbeitung des Falles verkündet, dass die 6 Teenager ihrer Ansicht nach schuldig seinen.

Zwei der Minderjährigen wurden dann am 09.03.2021 zu 5 Jahren Haft wegen Brandstiftung und Gefährdung von Menschenleben nach Jugendstrafrecht verurteilt, obwohl die Beweisaufnahme keine stichhaltigen Beweise lieferte und die einzigen Belastungszeugen zwei Polizisten waren, die widersprüchliche und unschlüssige Aussagen machten.

Den anderen vier Beschuldigten wurde ihre Minderjährigkeit abgesprochen, obwohl sie Dokumente vorlegten, die ihre Minderjährigkeit zum Verhaftungszeitpunkt beweisen konnten. Dadurch traf sie das griechische Recht in Voller Härte: sie wurden am 13.06.2021 zu 10 Jahren Gefängnis wegen Brandstiftung und Gefährdung von Menschenleben verurteilt. Auch dieser Prozess war von Widersprüchen und Mangel an Beweisen gekennzeichnet.

Zusammen mit vielen aktivistischen Gruppen und NGOs machten wir Öffentlichkeitsarbeit vor und während den Prozessen, stellten Forderungen nach transparenten und fairen Prozessen und unterstützten die Betroffenen finanziell.

Fall: Mohamad H.

Am 13. Mai 2021 wurde der 27-jährige Mohamad H. vom Gericht in Mytilene, Lesbos, zu 146 Jahren Gefängnis verurteilt. Im Dezember 2020 ist er mit 33 weiteren Personen in einem Boot nach Griechenland geflohen. Direkt nach der Ankunft auf

Lesvos wurde er als “Fahrer” des Bootes verhaftet und für “Transport von Drittstaatsangehörigen ohne Einreiseerlaubnis in griechisches Hoheitsgebiet” (Schmuggel) angeklagt.

Sein Fall ist höchst problematisch: Erstens wurde dem Angeklagten während der Verhandlung auf Englisch und nicht auf seine Muttersprache Somali übersetzt. Zweitens identifizierten die Zeug*innen den Angeklagten im Prozess nicht als Schmuggler, sondern als die Person, die das Boot in einer Notsituation fahren musste. Das Urteil wurde also gefällt, obwohl weitere Geflüchtete, die mit Mohamed im selben Boot saßen aussagten, dass sie Mohamad ihr Leben verdanken.

Die Verteidigerinnen werden Berufung einlegen.

Fall: K.S.

Am 23. April 2021 fand in Mytilini auf Lesbos der Prozess gegen K.S., einen jungen Mann aus Syrien statt. Er wurde wegen “unerlaubter Einreise” und “Beihilfe zur illegalen Einreise” zu 52 Jahren Haft verurteilt.

Auch dieser Fall zeugt von der unbeschreiblich brutalen europäischen Migrationspolitik und der andauernden Kriminalisierung von Flucht. Zusammen mit seiner Familie erreichte K.S. die griechische Insel Chios Anfang März 2020. In diesen Zeitraum war das Recht auf Asyl in Griechenland wegen politischer Auseinandersetzung zwischen der Türkei und der EU faktisch außer Kraft gesetzt. Statt ankommenden Migrant*innen Schutz zu gewähren, stellte der griechische Staat systematisch Strafanzeigen wegen “illegaler Einreise”.

K.S. wurde außerdem nach seiner Ankunft zu Unrecht beschuldigt, das Boot mit dem er und seine Familie auf Chios ankamen, gesteuert zu haben. Er wurde wegen “Beihilfe zur illegalen Einreise” (aka Schmuggel) sowie “Herbeiführung eines Schiffsunfalls” angeklagt.

Diese Kriminalisierung hat System. Wir beobachten, dass sich Abläufe in ähnlicher Weise wiederholen: ohne ausreichende Beweise werden Menschen meist zum Zeitpunkt der Ankunft noch vor Ort verhaftet und monatelang in Untersuchungshaft gesperrt. Wenn ihr Fall schließlich vor Gericht kommt, laufen die Verfahren weder fair noch rechtsstaatlich ab. Sie dauern im Durchschnitt eine gute halbe Stunde Und resultieren in extrem hohen Haft- und Geldstrafen. Zum Beispiel beträgt durchschnittliche Strafe für die Anklagepunkte, die gegen K.S. erhoben wurden, 93 Jahre.

Gegen das Urteil, zu dem K.S. verurteilt wurde, wird es im Frühjahr 2022 ein Berufungsverfahren geben.

Fall der El Hiblu 3

In Malta wurden im Frühling 2019 drei Teenager wegen Terrorismus angeklagt. Sie gehörten zu einer Gruppe von Migrant*innen, die am 26. März 2019 auf einem Gummiboot aus Libyen flohen. Die 108 vom Ertrinken bedrohten Menschen wurden von der Besatzung des Frachtschiffs El Hiblu 1 gerettet. Auf Anweisung eines Flugzeugs der europäischen Militäroperation Eunavfor Med versuchte die Besatzung, die Geretteten nach Libyen zurückzubringen. Dabei ist Libyen vom Krieg zerrissenen und Migrant*innen müssen dort unter entsetzlichen Bedingungen leben. Die Geflüchteten protestierten gegen die Rückführung nach Libyen und überzeugten die Besatzung der El Hiblu 1 stattdessen Richtung Norden nach Malta zu steuern. Bei dem Protest wurde niemand verletzt und es wurde nichts beschädigt. Dennoch wurden drei Teenager bei ihrer Ankunft verhaftet und 7 Monate lang festgehalten.

Im November 2019 wurden sie auf Kaution freigelassen. Seitdem sind sie auf Bewährung und dürfen Malta nicht verlassen. Sie müssen sich jeden Tag auf der Polizeiwache melden und an einer monatlichen Anhörung teilnehmen, bei der die Staatsanwaltschaft versucht, mögliche Anklagepunkte zu ermitteln. Sollten die El Hiblu 3 von einem Geschworenengericht in Malta für schuldig befunden werden, droht ihnen eine hohe Haftstrafe.

Die letzte Anhörung war zu Beginn diesen Februars 2022, das Ergebnis ist bisher nicht veröffentlicht.

Solidaritätskampagne “Free the El Hibu Three!”: https://elhiblu3.info/

Fall: Menschenrechtsaktivist in Kroatien

Am 05. November 2020 fand das Berufungsverfahren gegen ein Gerichtsurteil von Mai 2020 in Zagreb, Kroatien, statt. Das Urteil richtete sich gegen den Partner einer Menschenrechtsaktivistin von Are You Syrious (AYS). Er kam 2017 als Geflüchteter aus dem Irak nach Kroatien. Ein Jahr später wurde sein Flüchtlingsstatus anerkannt . Auch er war zeitweise bei AYS aktiv. AYS ist Teil des Border Violence Monitoring Network (Netzwerk zur Beobachtung von Gewalt an der Grenze). Das Netzwerk veröffentlichte im Januar 2020 einen ersten Jahresbericht, in dem Folter von People on the Move durch kroatische Behörden an den EU-Außengrenzen angeprangert wird.

2019 gab es Anquatschversuche gegen den Beschuldigten mit der Intention, Informationen über andere Geflüchtete sowie über AYS herauszufinden. Polizist*innen wollten sich mit ihm inoffiziell treffen. Als er keine Infos an die Cops geben wollte, haben sie mit dem Entzug seines Asylstatus und Abschiebung in Irak gedroht.

Der Entzug des Aufenthaltsstatus wurde am 11. Mai 2020 von Gericht beschlossen, die Berufung dagegen war im November 2020. Das Ergebnis ist uns nicht bekannt. Beide Aktivist*innen haben Kroatien verlassen.

Räumung Autonome Fabrik ROG in Ljubljana (Slowenien)

Am 19. Januar 2021 wurde das soziale Zentrum – die Autonome Fabrik Rog (AT Rog) – mit vereinten Kräften privater Sicherheitsfirmen mit rechter Gesinnung und der Polizei brutal angegriffen und anschließend mit Bulldozern zerstört. Der Angriff wurde von der Stadtverwaltung von Ljubljana orchestriert. Ohne Vorwarnung und ohne jegliche Rechtsgrundlage wurden Häuser abgerissen und schwer beschädigt, Geräte, Werkzeuge und persönliche Gegenstände konfisziert und Menschen gewaltsam von ihrem Wohnraum verdrängt.

Mit der Räumung und Zerstörung des ROG ist ein weiterer wichtiger selbstorganisierter Raum zerstört , in dem politische Organisierung, Vernetzung stattfand und praktische Solidarität gelebt wurden. Das ROG war wichtig für die Bewegung in Slowenien, aber auch ein Knotenpunkt internationalen Aktivismus. In den Jahren um den sogenannten “Langen Sommer der Migration” war es ein wichtiger Ort sowohl für People on the Move, als auch für aktivistische Gruppen.

Hungerstreik im Lipa Camp Januar 2021

In den ersten Januartagen 2021 hatten sich hunderte Menschen im zuvor ausgebrannten Camp Lipa in Bosnien-Herzegowina zu einem Protest zusammengeschlossen. Sie demonstrierten gegen die katastrophalen Lebensbedingungen, die sie zum täglichen Kampf ums Überleben zwangen. Viele der protestierenden People on the Move traten schließlich in einen Hungerstreik, um für eine menschenwürdige Behandlung und Unterbringung, für offene Grenzen und internationale Medienaufmerksamkeit zu kämpfen.

Das Lager Lipa befindet sich in Westbosnien, nahe der Großgemeinde Bihać und der Grenze zum EU-Lande Kroatien. Isoliert und abgeschnitten von der Gesellschaft und medialer Öffentlichkeit, galt Lipa eigentlich als Notfalllager während der Covid-Pandemie und war dementsprechen desaströs schlecht ausgestattet und versorgt.

Hunderter Menschen mussten dort ausharren und waren Repressionen und Präsenz von Polizei und Militär dauerhaft ausgesetzt.

Umso mutiger war der Widerstand der Menschen in dem Camp. Wir versuchten ihn im Rahmen einer Kampagne in seiner Sichtbarkeit zu unterstützen. Forderungen dabei lauteten:

Kein neues Camp Lipa 2.0 (nach dem Brand), keine militärische Offensive, keine weiteren Scheinlösungen im Machtspiel zwischen EU und inner-Bosnischer Konflikte!

Den Menschen muss unmittelbar eine lebenswürdige Alternative geboten werden und die politisch Verantwortlichen zur ihrer Verantwortung gezogen werden!

Evakuiert alle Lager! Jetzt!

Fall: Amir & Razuli

Amir und Razuli, zwei geflüchtete Personen aus Afghanistan, versuchten im März 2020 Griechenland mit einem Schlauchboot zu erreichen und wurden dabei von der griechischen Küstenwache brutal angegriffen. Diese versuchte, sie mit Gewalt in die Türkei zurückzudrängen. Durch den Angriff sank das Boot und die Küstenwache musste sie an Bord nehmen. Amir und Razuli wurden zusätzlich zu ihrer eigenen Einreise willkürlich wegen “Beihilfe zur illegalen Einreise” und “Provokation eines Schiffbruchs” angeklagt. Nach einem halben Jahr in Untersuchungshaft wurden sie am 8. September 2020 schließlich zu 50 Jahren Gefängnis verurteilt.

Das Berufungsverfahren findet am 17. März 2022 auf Lesbos statt. You cant evict solidarity wird den Prozess kritisch beobachten und darüber berichten.

In Griechenland – und ganz Europa – wird Flucht scharf kriminalisiert. Menschen werden immer wieder willkürlich vor Gericht gezerrt. Die Prozesse dauern durchschnittlich nur etwa 30 Minuten, führen zu einer durchschnittlichen Strafe von 44 Jahren und Geldstrafen von über 370.000 Euro. Nach offiziellen Zahlen des griechischen Justizministeriums befinden sich derzeit fast 2.000 Menschen aus diesem Grund in griechischen Gefängnissen

Fall: Mohamed & Hamza

Hamza und Mohamed sind marokkanische Staatsbürger, die auf der Suche nach Schutz und besseren Lebensbedingungen aus ihrem Land geflohen sind. Insbesondere Hamza Haddi ist ein bekannter politischer Aktivist, der auf politisches Asyl in Europa hoffte. In Marokko wird er wegen seiner Aktivitäten während des Arabischen Frühlings sowie seines Engagements bei der marokkanischen Menschenrechtsvereinigung AMDH politisch verfolgt. Er wurde bereits dreimal inhaftiert und ist, zusammen mit weiteren Familienmitgliedern, mehrfach von den marokkanischen Behörden ins Visier genommen und eingeschüchtert worden. Hamza wird politisch verfolgt.

Da es den meisten Menschen auf der Flucht unmöglich ist, legal nach Europa einzureisen und Asyl zu beantragen, waren auch Hamza und Mohamed dazu gezwungen, sich an Bord eines Bootes zu begeben und dabei ihr Leben zu riskieren.

In Griechenland angekommen, wurden sie sofort von der griechischen Grenzpolizei verhaftet. Doch damit nicht genug. Hamza und Mohamed wurden des Schmuggels von zwei Personen – einer davon Hamzas eigenem Bruder – beschuldigt und am 04. Februar 2020 von einem griechischen Gericht infolge ihrer eigenen Flucht als “Schmuggler” und wegen “Beihilfe zur illegalen Einreise” zu 4 Jahren und 1 Monat Haft verurteilt.

We stay in solidarity!

Gerechtigkeit für die Moria 16!

 

Weiter unten auch in Spanisch, Farsi, Griechisch und Italienisch!

Am 10.07.2018 wurden 16 Menschen willkürlich von der Polizei verhaftet, nachdem im Hot-Spot Camp Moria auf der Insel Lesbos ein Streit eskalierte, mit dem keiner der Verhafteten etwas zu tun hatte. Auf die Verhaftung folgten Anklagen wegen Brandstiftung, gefährlicher Körperverletzung und Beschädigung fremden Eigentums. Nun, am 07.02.2022, wird der Fall dreieinhalb Jahre später im Revisionsverfahren vor dem Gericht in Mytilini, Lesbos, verhandelt.

Dieses Vorgehen der griechischen Repressionsorgane hat System: sobald Geflüchtete gegen die katastrophalen Unterbringungsbedingungen oder die Unmenschlichkeit der europäischen Asylpolitik protestieren, reagiert die Polizei mit heftiger Gewalt und willkürlichen Verhaftungen, wie zum Beispiel beim Fall der Moria35 und der Moria8 ebenfalls im Frühjahr 2018. Ähnlich verhält es sich, wenn es zu Konflikten oder Auseinandersetzungen im Camp kommt. Hier greift die Polizei nicht ein, verhaftet dann jedoch nachträglich und in einem brutalen Polizeieinsatz willkürlich Menschen ohne Hinweise auf deren Beteiligung am Vorfall.

Die Prozesse, die an solche Verhaftungen anschließen, sind geradezu zynische Karikaturen von Gerichtsverfahren: Entlastende Zeug*innen werden nicht zugelassen. Den Angeklagten wird nicht und nur teilweise übersetzt, sodass sie häufig nicht einmal verstehen können, was passiert. Schließlich führen widersprüchliche Aussagen von Vertreter:innen der Polizei, Feuerwehr oder Küstenwache und zweifelhaften Zeug*innen zu Verurteilungen mit extremen Strafen. So wurden beispielsweise im Fall der Moria6 im März und Juni 2021 sechs junge Menschen ohne jegliche Beweise für die Brände, die das Camp Moria im September 2020 endgültig zerstörten, als Sündenböcke verantwortlich gemacht und zu langen Freiheitsstrafen verurteilt.

Auch im ersten Prozess gegen die sogenannten Moria16 im Jahr 2018 sollte ein weiteres abschreckende Exempel statuiert werden, unabhängig davon was wirklich am 10.7.2018 im Camp geschehen ist. Einer der Angeklagten beschreibt die Situation der Verhaftung folgendermaßen:

Es gab einen Kampf im Lager zwischen einigen wenigen Leuten, der mehr als zwei Stunden dauerte […] Die Polizisten lachten über die Leute. Für sie war es wie ein Online-Film. Wir baten sie um Hilfe, aber sie lachten uns nur aus, machten Fotos und nahmen uns auf […] Schließlich eilten sie ins Lager, aber zu den Leuten, die nicht in diesen Kampf verwickelt waren, und sie griffen die unschuldigen Menschen an. Wir hatten keine Möglichkeiten zu entkommen, […]. Die Polizei brachte uns zur Polizeistation, schlug uns, behandelte uns sehr schlecht und nannte uns Angreifer. Mehrere Stunden lang waren unsere Hände und Füße gefesselt. Wir konnten nicht mit ihnen kommunizieren, weil wir ihre Sprache nicht kannten und sie ohne Grund ein Verfahren für jeden von uns eröffneten.”

Nun kann das vorherige Urteil am 07.02.2022 revidiert werden. Eine kritische Prozessbegleitung und Gegen-Öffentlichkeit sind dringend notwendig, damit die Angeklagten des Falles der Moria16 endlich Gerechtigkeit erfahren. Die Kriminalisierung und willkürlichen Gerichtsprozesse, in denen Menschen zu Sündenböcken gescheiterter Migrationspolitik und ihren Folgen gemacht werden, müssen in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt werden.

Wir werden in diesem Fall und weiteren Fällen solidarisch an der Seite der kriminalisierten Menschen stehen, diese so gut wie möglich unterstützen und daran mitwirken, ihre Geschichten sichtbar zu machen.

Wir fordern Gerechtigkeit und Freiheit für die Moria16 – und für alle Anderen, die in unfairen Prozessen meist unschuldig zu jahrelangen Haftstrafen verurteilt werden!

Ein Artikel, der direkt nach de Prozess in der Schweiz veröffentlicht wurde: https://www.swissinfo.ch/ger/ausschreitungen-im-fluechtlingslager-moria-auf-lesbos/44248252

——————————————-Griechisch——————————————————-

Δικαιοσύνη για τους Moria 16!
Στις 10/07/2018, 16 άτομα συνελήφθησαν χωρίς λόγο από την αστυνομία μετά από την όξυνση μιας σύγκρουσης στο πρώην hot – spot της Μόριας στο νησί της Λέσβου. Κανένας από τους συλληφθέντες δεν είχε καμία σχέση με το συμβάν. Μετά τη σύλληψη ακολούθησαν οι βαριές κατηγορίες του εμπρησμού, επικίνδυνης σωματικής βλάβης και φθορά ξένης περιουσίας. Στις 07/02/2022, τρεισήμισι χρόνια αργότερα, η έφεση της προηγούμενης απόφασης εκδικάζεται στο δικαστήριο της Μυτιλήνης στη Λέσβο. Η προσέγγιση των ελληνικών κατασταλτικών αρχών συστηματικά, μόλις οι πρόσφυγες διαμαρτυρηθούν για τις καταστροφικές συνθήκες φιλοξενίας ή την απάνθρωπη ευρωπαϊκή πολιτική ασύλου, η αστυνομία αντιδρά με άγρια βία και αυθαίρετες συλλήψεις, όπως συνέβη και στην περίπτωση των 35 της Μόριας, αλλά και σε μία δεύτερη υπόθεση που αφορούσε τους 8 της Μόριας – επίσης την άνοιξη του 2018. Τις περισσότερες φορές, όταν υπάρχουν συγκρούσεις η διαμάχες στον καταυλισμό, οι αστυνομικοί δεν παρεμβαίνουν εκείνη τη στιγμή, αλλά στη συνέχεια, εκ των υστέρων και με βίαιες αστυνομικές επιχειρήσεις, συλλαμβάνουν αυθαίρετα άτομα χωρίς στοιχεία για την εμπλοκή τους στο περιστατικό. Οι δίκες που ακολουθούν τέτοιες συλλήψεις είναι παρωδίες των δικαστικών διαδικασιών. Αρχικά, οι μάρτυρες υπεράσπισης δεν γίνονται δεκτοί για να μπορέσουν να απαλλαγούν οι κατηγορούμενοι. Οι κατηγορούμενοι δεν λαμβάνουν καμία μετάφραση σε μεγάλο βαθμό, με αποτέλεσμα συχνά να μην μπορούν καν να καταλάβουν τι συμβαίνει. Τέλος, οι αντιφατικές καταθέσεις της αστυνομίας, της πυροσβεστικής ή της ακτοφυλακής και οι αμφισβητούμενοι μάρτυρες οδηγούν σε καταδίκες με ακραίες ποινές. Για παράδειγμα, στην υπόθεση των 6 της Μόριας τον Μάρτιο και τον Ιούνιο του 2021, έξι νέοι άνθρωποι κατηγορήθηκαν ως αποδιοπομπαίοι τράγοι χωρίς κανένα αποδεικτικό στοιχείο για τις πυρκαγιές που κατέστρεψαν το στρατόπεδο της Μόριας τον Σεπτέμβριο του 2020 και καταδικάστηκαν με τεράστιες ποινές φυλάκισης.
«Έγινε ένας καβγάς στον καταυλισμό μεταξύ μερικών ατόμων που διήρκησε πάνω από δύο ώρες […] Οι αστυνομικοί γελούσαν. Για αυτούς ήταν απλά σαν μια ταινία που την βλέπουν στο διαδίκτυο. Τους ζητήσαμε βοήθεια, αλλά εκείνοι απλώς γελούσαν μαζί μας, έβγαζαν φωτογραφίες και μας κατέγραφαν […] Τελικά, εισέβαλαν στο καμπ, αλλά επιτέθηκαν σε άτομα που δεν συμμετείχαν σε κανέναν καβγά, σε αθώους ανθρώπους. Δεν είχαμε καμία δυνατότητα να ξεφύγουμε […]. Η αστυνομία μας πήγε στο αστυνομικό τμήμα, μας χτύπησε, μας φέρθηκε πολύ άσχημα και αποκάλεσε εμάς ως δράστες του συμβάντος. Τα χέρια και τα πόδια μας ήταν δεμένα για πολλές ώρες. Δεν μπορούσαμε να επικοινωνήσουμε με τους αστυνομικούς γιατί δεν γνωρίζαμε την γλώσσα τους και απλά δημιούργησαν μια υπόθεση γεμάτη κατηγορίες χωρίς κανέναν λόγο».
Η προηγούμενη απόφαση μπορεί να αναθεωρηθεί στις 07/02/2022. Η παρακολούθηση της διαδικασίας και η δημοσιότητα της είναι αναγκαία, ώστε οι κατηγορούμενοι της υπόθεσης Moria16 να μπορέσουν να δικαιωθούν. Η ποινικοποίηση και οι αυθαίρετες δικαστικές υποθέσεις που δημιουργούνται εναντίον ανθρώπων που γίνονται αποδιοπομπαίοι τράγοι των αποτυχημένων μεταναστευτικών πολιτικών και των συνεπειών τους πρέπει να τεθούν στο επίκεντρο της δημοσιότητας.
Θα σταθούμε αλληλέγγυοι/ες στους κατηγορούμενους σε αυτή την υπόθεση, όπως και σε άλλες. Θα τους υποστηρίξουμε όσο το δυνατόν περισσότερο και θα προσπαθήσουμε όσο περισσότερο μπορούμε για να γίνουν ορατές οι ιστορίες τους.
Απαιτούμαι δικαιοσύνη και ελευθερία για τους Moria16 – και για όλους τους άλλους που καταδικάζονται σε πολυετή φυλάκιση με άδικες δίκες, που είναι ως επί το πλείστον αθώοι!

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عدالت برای موریا ۱۶!

در تاریخ ۱۰/۰۷/۲۰۱۸، پس از تشدید اختلاف در محل سابق کمپ موریا در جزیره لسبوس، ۱۶ نفر به طور خودسرانه توسط پلیس دستگیر شدند که هیچ یک از دستگیرشدگان ارتباطی با درگیری نداشتند. این دستگیری با اتهامات آتش سوزی، آسیب بدنی خطرناک و آسیب به اموال دیگران همراه بود. اکنون، در تاریخ ۷/۰۲/۲۰۲۲ سه سال و نیم بعد، پرونده در دادگاه تجدید نظر در دادگاه میتیلینی، لسبوس در حال رسیدگی است.

این رویکرد ارگان های سرکوبگر یونان دارای یک سیستم است: به محض اعتراض پناهندگان به شرایط فاجعه بار اسکان یا غیرانسانی بودن سیاست پناهندگی اروپا، پلیس با خشونت شدید و دستگیری های خودسرانه واکنش نشان می دهد، به عنوان مثال در پرونده‌هایی مثل: موریا۳۵ و موریا ۸، همچنین در بهار ۲۰۱۸، که اکثراً وقتی در اردوگاه درگیری یا اختلاف می‌افتاد، پلیس مداخله نمی‌کرد، اما بعد از واقعه، در یک عملیات وحشیانه، پلیس افراد را بدون هیچ مدرکی دال بر دست داشتن آنها در حادثه دستگیر می‌کردند.

محاکمه‌هایی که به دنبال چنین دستگیری‌هایی صورت می‌گیرد، کاریکاتورهای کاملا بدبینانه از روند دادگاه را نشان می‌دهند: شاهدان تبرئه کننده، پذیرفته نمی‌شوند. متهمان اصلاً ترجمه دریافت نمی کنند یا فقط به طور جزئی دریافت می کنند، به طوری که اغلب حتی نمی‌توانند بفهمند چه اتفاقی دارد می‌افتد. در نهایت، اظهارات متناقض نمایندگان پلیس، آتش نشانی یا گارد ساحلی و شاهدان مشکوک منجر به محکومیت هایی با مجازات شدید می شود. به عنوان مثال، در پرونده موریا۶ در ماه مارس و ژوئن ۲۰۲۱، ۶ جوان بدون هیچ مدرکی برای آتش‌سوزی‌هایی که سرانجام کمپ موریا را در سپتامبر ۲۰۲۰ ویران کرد، به عنوان قربانی متهم شدند و به حبس‌های طولانی محکوم شدند.

همچنین در اولین محاکمه موریا۱۶ در سال ۲۰۱۸، بدون توجه به آنچه واقعاً در تاریخ ۱۰/۰۷/۲۰۱۸ در کمپ اتفاق افتاده بود، باید یک نمونه میخکوب کننده دیگر را بیان کرد. یکی از متهمان وضعیت بازداشت را اینگونه توصیف می کند:

“در اردوگاه بین چند نفر دعوا شد که بیش از دو ساعت طول کشید […] پلیس ها به مردم می خندیدند. برای آنها مثل یک فیلم آنلاین بود. ما از آنها کمک خواستیم، اما آنها فقط خندیدند، و از ما، عکس و فیلم گرفتند […] در نهایت به داخل اردوگاه هجوم آوردند، اما به سوی افرادی که در این دعوا شرکت نداشتند و به مردم بیگناه حمله کردند. ما هیچ امکانی برای فرار نداشتیم، […]. پلیس ما را به کلانتری برد، کتک زد، با ما خیلی بد رفتار کرد و ما را مهاجم خطاب کرد. چند ساعت دست و پایمان بسته بود. چون زبانشان را نمی دانستیم نمی‌توانستیم با آنها ارتباط برقرار کنیم و بی دلیل برای هر کدام از ما پرونده باز کردند.»

حال ممکن است حکم قبلی در تاریخ ۷/۰۲/۲۰۲۲ تجدید نظر شود. نیاز به نظارت دقیق محاکمه و تبلیغات رسانه‌ای فوری هست تا متهمان پرونده موریا۱۶ سرانجام به عدالت برسند. جرم انگاری و پرونده های دادگاه های خودسرانه که در آن مردم قربانی سیاست های نافرجام مهاجرت می شوند و پیامدهای آن باید در کانون توجه عمومی قرار گیرد.
ما در همبستگی با افراد مجرم شناخته شده در این پرونده و سایرین خواهیم ایستاد، تا حد امکان از آنها حمایت خواهیم کرد و برای نمایان ساختن داستان های آنها تلاش خواهیم کرد.

ما خواهان عدالت و آزادی برای موریا۱۶ هستیم، و برای همه کسانی که در محاکمات ناعادلانه به سالها حبس

محکوم شده اند، عمدتاً بی گناه!
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Giustizia per i 16 di Moria!

Il 10.07.2018, 16 persone sono state arbitrariamente arrestate dalla polizia dopo l’escalation di una disputa nell’ex campo hotspot di Moria sull’isola di Lesbo, con la quale nessuno degli arrestati aveva nulla a che fare. All’arresto sono seguite accuse di incendio doloso, lesioni personali gravi e danneggiamento di proprietà di altre persone. Ora, il 07.02.2022, tre anni e mezzo dopo, il caso è in appello presso il tribunale di Mytilini, Lesbo.

Questo approccio degli organi repressivi greci ha una logica: appena i profughi protestano contro le catastrofiche condizioni di alloggio o la disumanità della politica europea in materia di asilo, la polizia reagisce con feroce violenza e arresti arbitrari, come ad esempio nel caso dei Moria35 e dei Moria8 – anche nella primavera 2018.
Per lo più, quando ci sono conflitti o controversie nel campo, i poliziotti non intervengono, ma poi, dopo il fatto e in brutali operazioni di polizia, arrestano arbitrariamente alcune persone, senza alcuna prova del loro coinvolgimento nell’incidente.

I processi che seguono a tali arresti sono vere e proprie caricature ciniche dei procedimenti giudiziari: non sono ammessi testimoni di discolpa. Gli imputati non ricevono alcuna traduzione, oppure la ricevono solo in parte, tanto che spesso non riescono nemmeno a capire cosa stia succedendo. Infine, dichiarazioni contraddittorie di rappresentanti della polizia, dei vigili del fuoco o della guardia costiera e dubbi testimoni portano a condanne con pene estreme. Ad esempio, nel caso dei Moria6 a marzo e giugno 2021, sei giovani, usati come capro espiatorio, sono stati accusati senza alcuna prova per gli incendi che hanno distrutto il campo di Moria nel settembre 2020, e condannati a lunghe pene detentive.

Inoltre, il primo processo ai Moria16 del 2018 è un altro esempio deterrente, a prescindere da quanto sia realmente accaduto nel campo il 7/10/2018. Uno degli imputati descrive la situazione dell’arresto così:

“C’è stata una rissa nel campo tra poche persone che è durata più di due ore […] I poliziotti ridevano delle persone. Per loro è stato come un film in diretta. Abbiamo chiesto loro aiuto, ma loro si sono messi a ridere verso di noi, ci hanno fatto delle foto e ci hanno registrato […] Alla fine si sono precipitati nel campo, ma indirizzandosi a persone che non erano coinvolte in questa rissa, hanno attaccato gli innocenti. Non avevamo possibilità di scappare, […]. La polizia ci ha portato in questura, ci ha picchiati, ci ha trattato molto male e ci ha chiamato aggressori. Per diverse ore abbiamo avuto mani e piedi legati. Non abbiamo potuto comunicare con loro perché non conoscevamo la loro lingua e hanno aperto un caso per ognuno di noi senza motivo”.

Ora, il precedente verdetto potrebbe essere rivisto il 07.02.2022. Urgono un’osservazione critica del processo e una contro-narrativa affinché gli imputati del caso Moria16 ricevano finalmente giustizia. La criminalizzazione e le cause giudiziarie arbitrarie in cui le persone diventano capri espiatori delle fallimentari politiche migratorie e delle loro conseguenze devono essere portate al centro dell’attenzione pubblica.
Saremo solidali con le persone criminalizzate in questo caso e in altri, le sosterremo il più possibile e lavoreremo per rendere visibili le loro storie.

Chiediamo giustizia e libertà per i Moria16 – e per tutti e tutte le altre persone che sono condannate ad anni di reclusione in processi iniqui, per lo più innocentemente!

no border – no nation – just people: Spendenaufruf im Dezember 2021

no borderno nationjust people: Spendenaufruf im Dezember 2021

 

Liebe Freund*innen, Genossen*innen und alle da draußen, denen das Schicksal von Menschen auf der Flucht und die unmenschliche Situation an den Grenzen nicht egal ist,

erst einmal herzlichen Dank an euch alle, dass ihr letztes Jahr im Winter (erneut) so viel gespendet und damit eure Solidarität mit Menschen auf der Flucht gezeigt habt. Immer wieder berührt uns diese breite Anteilnahme und zeigt, dass wir viele sind und gemeinsam etwas gegen die aktuellen Zustände an den EU-Grenzen tun können. Wir wollen euch in diesem Schreiben schildern, was 2021 aus unserer Perspektive an den EU-Grenzen geschehen ist, wo Unterstützung benötigt wird und wo wir durch unsere Arbeit unterstützen konnten.

 

Das Lager Moria 2.0 und Gerichtsurteile nach dem Brand im alten Lager Moria

Wie ihr vermutlich mitbekommen habt, haben nach dem Brand in dem ehemals größten Geflüchtetenlager Europas Moria auf der griechischen Insel Lesbos im Herbst 2020 tausende Menschen ein Dach über dem Kopf verloren und saßen teilweise und inmitten der Pandemie ohne jegliche Versorgung auf der Straße. Der Hoffnungsschimmer, dass sich ein schreckliches Lager wie Moria nicht wiederholen würde nachdem es abgebrannt war, wurde schnell im Keim erstickt als die griechische Regierung in kürzester Zeit das neue Camp Kara Tepe auf Lesbos errichtete. Kaum vorstellbar und doch traurige Realität: die humanitären Bedingungen und die Repression im Lager, das auf einem ehemaligen Militärübungsplatz direkt am Wasser liegt und in denen die Menschen in Zelten dem Winter schutzlos ausgeliefert sind, sind noch schlimmer als im alten Lager. So entstand schnell der Name “Moria 2.0”. Schon jetzt ist die solidarische Unterstützung der Menschen vor Ort u.a. von der No Border Kitchen Lesbos massiv erschwert, trotzdem unterstützen diese die Menschen, wo es geht.

Nach dem Brand in Moria wurden innerhalb weniger Tage sechs Jugendliche der afghanischen Minderheit der Hazara zu Sündenböcken gemacht und zu Verantwortlichen des Feuers erklärt. In kürzester Zeit und ohne tiefergehende Untersuchungen wurden die sechs Jungs (fünf von ihnen minderjährig) in Untersuchungshaft genommen und im März und Juni diesen Jahres schließlich zu hohen jahrelangen Haftstrafen verurteilt. Es gibt in ihrem Fall ist keine belastbaren Beweise und der Prozess ist politisch stark aufgeladen, sodass wir den gesamten Fall als unfair und nicht rechtsstaatlich bewerten. Wir haben den Fall gemeinsam mit anderen Gruppen solidarisch von hier und vor Ort begleitet und stehen nach wie vor in Kontakt mit den Angehörigen der Inhaftierten.

 

Die Situation an der polnisch-belarussischen Grenze

Polen – Belarus – Afghanistan und Nordirak. Die Machtübernahme der Taliban in diesem Sommer zwingt derzeit tausende Menschen aus Afghanistan zur Flucht, nachdem internationale Kräfte sich dieses Jahr Hals über Kopf aus dem Staub gemacht und viele verzweifelte Menschen – ob sogenannte Ortskräfte oder nicht – zurückgelassen haben. Die Situationen für Frauen*, (Menschenrechts-)Aktivist*innen, Künstler*innen etc. ist katastrophal und aktuell droht eine allgemeine Hungersnot in Afghanistan. Zusätzlich ist die Lage für viele Kurd*innen bzw. Jezid*innen im Nordirak auch nach der Zurückschlagung des sogenannten IS prekär, sodass auch von dort viele Menschen versuchen nach Europa u.a. zu ihren Familien hierherzukommen, während die EU sich mit aller Gewalt abschottet.

Diese verzweifelte Situation hat der belarussische Diktator Lukatschenko genutzt, um die fliehenden Menschen als Macht-Spielball zu instrumentalisieren und die EU zu erpressen. So wurden und werden Tausende visa- und quaratänefrei aus Afghanistan, Irak, Türkei und anderen Staaten nach Minsk geflogen und an die polnische Grenze gebracht. Dort angekommen sitzen sie an der Grenze fest und werden von den polnischen und belarussischen Grenzschutzeinheiten und Militär mit aller Gewalt illegal hin- und hergepusht, dabei wurde gegen Kinder und Familien Tränengas und Wasserwerfer bei Temperaturen um den Gefrierpunkt eingesetzt. Die EU und Deutschland verwehren ihnen das Recht auf Asyl und schauen zu wie Menschen in den Wäldern erfrieren, während gleichzeitig jegliche NGOs, medizinische Notversorgung, Presse oder Nahrungsmittel blockiert und kriminalisiert wird. Die Situation erinnert an das Sterbenlassen durch die EU im Mittelmeer. Doch auch an der belarussisch-polnischen Grenze sind Aktivist*inen vor Ort und versuchen, Kontakt zu den Menschen, die dort festsitzen aufzunehmen und sie zu unterstützen, so u.a. die polnische Grupa Granica.

 

Bosnien: Der Winter kommt

 Die starken Regenfälle in Bosnien betreffen nach wie vor große Teile des Landes und überschwemmen die behelfsmäßigen Camps, die sich People on the Move (PoM) einrichten. Viele Menschen vor Ort, beispielsweise in den Regionen um Bihać und Velika Kladuša, sind auf die Unterstützung bei grundlegenden Bedürfnissen, wie Trinkwasser und Essen, und medizinische Versorgung angewiesen. Noch dazu wird auch hier der kommende Winter immer präsenter. Eine der wichtigsten Ressourcen ist Feuerholz, das auch hier schwierig zu bekommen ist, und wofür Unterstützer*innen immer neue Wege der Finanzierung suchen müssen.

Gewalt wird hier zur Normalität gemacht: Täglich unterstützen aktivistische Gruppen vor Ort mehrere PoM-Gruppen, für die Pushbacks durch (Grenz-)Polizei Alltag sind. Diese Pushbacks sind illegal und machen deutlich, dass das Grundrecht auf Asyl in der Europäischen Union nicht mehr existiert. EU-Grenzschutzbehörden führen diese Praxis systematisch täglich durch. Unsere Kontakte berichten über die gewaltvollen Eingriffe der Grenzpolizei, bei denen sie psychische und physische Gewalt erfahren. Oft werden ihnen dabei zusätzlich persönliche Gegenstände, auf die sie grundlegend angewiesen sind, abgenommen, unter anderem Handys und Powerbanks.

 

Unsere Antwort heißt Solidarität

Dennoch nehmen Aktivismus und Widerstand gegen das brutale Grenzregime nicht ab. Noch immer gibt es an verschiedenen Orten, wo Menschen feststecken, Unterstützungsstrukturen und praktische Solidarität. Menschen organisieren sich gemeinsam, dokumentieren Gewalt und Pushbacks, schaffen eigene Öffentlichkeit, wenn die Medien Geschehnisse nicht mehr zeigen und es werden ganz praktische Sachen wie Lebensmittel zum Kochen, medizinische Versorgung, Kosten für Anwält*innen zur Verteidigung basaler Rechte gedeckt.

Unsere Solidarität wird niemals enden. Die Situation für Menschen auf der Flucht wird immer prekärer, der Zugang zu teilweise einfachen Bedürfnissen wird auch durch die Pandemie stark eingeschränkt – und die Spendengelder sind fast aufgebraucht.

Deshalb wenden wir uns heute nochmal an euch mit der Bitte, uns (weiterhin) zu unterstützen.

 

Was haben wir mit euren Spenden in 2021 erreicht?

 Die No Border Kitchen Lesbos und weitere lokale Initiativen haben in 2021 erneut – u. a. mit euren Spenden und insgesamt vielen tausend Euro Spendengeldern – die dort festsitzenden Menschen durch warme Mahlzeiten, Getränke, Decken und Kleidung praktisch solidarisch unterstützt. Wir können ihnen zwar nicht ihre Würde zurückgeben, aber das Gefühl, dass sie nicht alleine sind, und, dass es in Europa auch Menschen gibt, die sich mit ihnen solidarisieren.

Wir haben mit euren Spenden des Weiteren auch die Arbeit sozialer Initiativen entlang der sogenannten Balkanroute, in Griechenland und der Türkei sowie an der polnischen Grenze zu Belarus unterstützt. Dazu unterstützen wir auch Orte, in denen Geflüchtete wohnen, die Menschen auf der Flucht unterstützen bzw. sich für die Rechte Geflüchteter und für Bewegungsfreiheit einsetzen.

Wir konnten durch eure Unterstützung Vieles bewegen. Um unsere Vorhaben auch jetzt und in Zukunft weiter realisieren zu können, bitten wir alle unsere Freund*innen, Genoss*innen und solidarische Menschen, uns nach ihren Kräften und Möglichkeiten mit Spenden zu unterstützen oder zu überlegen, wie und wo ihr in eurem Umfeld Gelder besorgen könnt, damit bei uns weiterhin der Kessel dampft.

Teilt diesen Aufruf gerne auch überall.

In Solidarität,

You can’t Evict Solidarity als Teil der Kampagne “No Border – No Nation – Just People”

 

Infos zur Situation an den Grenzen:

http://balkanroute.bordermonitoring.eu

https://cantevictsolidarity.noblogs.org

https://noborderkitchenlesvos.noblogs.org

 

Spendenkonto:

Kontoinhaber*in: VVN/BdA Hannover

Verwendungszweck: just people

Bank: Postbank Hannover

IBAN: DE67 250 100 3000 4086 1305

BIC: PBNKDEFFXXX

(Verwendungszweck beachten!)

 

[Vial15] Pressemitteilung: Abschließendes Urteil gegen die Vial 15

Heute, am 29. Juni 2021, wurden alle Angeklagten vom Vorwurf der Brandstiftung mit Gefährdung von Menschenleben sowie dem Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung im Hotspot Lager Vial auf Chios freigesprochen! Vier Personen wurden von allen Anklagepunkten freigesprochen, acht Personen wurden wegen Widerstand und den Ausschreitungen im Camp sowie eine Person wegen Zerstörung öffentlichen Eigentums verurteilt. Einer der Angeklagten wurde am ersten Tag vom Verfahren ausgeschlossen, weil er minderjährig ist. Eine weitere Person konnte nicht aufgefunden und verhaftet werden und war daher bei der Verhandlung nicht anwesend. Die neun Personen, die verurteilt wurden, erhielten eine Bewährungsstrafe von 3,5 Jahren, gegen die die Anwälte Berufung einlegen werden. Alle 15 Personen werden nun zurück nach Athen und Chios überstellt und dann, teilweise auf Bewährung, freigelassen.

Das Gerichtsverfahren war Folge von Verhaftungen im Zusammenhang von Protesten von Lagerbewohner*innen gegen die katastrophalen Lebensbedingungen im Hotspot-Lager Vial. Die Proteste fanden im April 2020 statt, nachdem über das Lager Vial eine Ausgangssperre verhängt worden war, ohne dass die Bewohner*innen ausreichend mit dem Nötigsten versorgt wurden. Die Wut der Menschen im Lager brach sich Bahn, als eine irakische Frau in einem Isolationscontainer starb, ohne ausreichend medizinisch behandelt worden zu sein.

Alle Angeklagten, die nun offiziell von den Brandstiftungsvorwürfen freigesprochen wurden, wurden jedoch 14 Monate in Untersuchungshaft festgehalten und neun von ihnen sind immer noch nicht von allen Vorwürfen freigesprochen. Und das, obwohl die Staatsanwaltschaft während des gesamten Verfahrens keine stichhaltigen Beweise für die Schuld der Angeklagten vorlegen konnte und sich bei der Verurteilung auf die fragwürdige Identifizierung eines Mitarbeiters einer Sicherheitsfirma des Lagers Vial stützte. Auch der 15. Angeklagte – der von der Asylbehörde offiziell als minderjährig anerkannt wurde – blieb 14 Monate in Untersuchungshaft, obwohl die maximale Dauer der Untersuchungshaft für Minderjährige in Griechenland sechs Monate betragen darf. Er wurde schließlich entlassen, wartet aber immer noch auf seinen Prozess vor einem Jugendgericht.

Der Prozess war von Unregelmäßigkeiten durchzogen. Zunächst erschien der Security Mitarbeiter, Hauptzeuge der Staatsanwaltschaft, nicht vor Gericht. Er behauptete, die Angeklagten erkannt zu haben, obwohl es dunkel war und die Menschen im Lager aufgrund von Corona und wegen des starken Rauchs und Tränengases ihre Gesichter verdeckt hatten. Als er am nächsten Tag endlich im Gericht eintraf und vernommen wurde, führten die Richter ein höchst fragwürdiges Identifizierungsverfahren durch: Sie riefen die zehn Angeklagten, die der Zeuge angeblich erkannt hatte, namentlich auf und forderten sie nacheinander auf, sich zu erheben und ihre medizinischen Masken abzunehmen. Der Zeuge bestätigte lediglich jedes Mal, dass er sie wiedererkennen würde und musste sie somit nicht eigenständig identifizieren. Gleichwohl sagte er aus, die Angeklagten nicht beim Legen von Feuer gesehen zu haben. Der zweite Zeuge der Staatsanwaltschaft konnte keinen der Angeklagten identifizieren.

Dank der Verteidiger konnte gezeigt werden, dass die Vorwürfe unplausibel und wenig fundiert waren. Auch ist es der Solidarität und den Bemühungen der Zeug*innen der Verteidigung zu verdanken – Personen, die zur Zeit des Brandes mit den Angeklagten im Lager Vial gelebt hatten und viermal auf eigene Kosten zur Aussage nach Lesvos reisten – dass der Hauptanklagepunkt schließlich fallen gelassen wurde. Zwei der Verteidiger erklärten:

“Wir freuen uns sehr über das Ergebnis. Wir sind stolz, dass wir das Gericht dazu gebracht haben, unsere Bitten um einen fairen Prozess anzuhören und hoffen, dass dies keine Ausnahme bleibt, sondern von nun an die Regel sein wird. Trotzdem sind wir traurig darüber, dass diese Menschen für ein Verbrechen, das sie nicht begangen haben, eineinhalb Jahre in Untersuchungshaft saßen. Wir wünschen ihnen eine bessere Zukunft in Griechenland mit Gerechtigkeit und Solidarität.”

Dimitris Choulis, Human Rights Legal Project Sámos und Alexandros Georgoulis

Der Prozess reiht sich ein in eine Geschichte von Gerichtsverfahren gegen Migrant*innen, die sich gegen die unmenschliche Behandlung, der sie auf den griechischen Inseln ausgesetzt sind, wehren. Nur zwei Wochen zuvor wurden die Moria 6 in einem unfairen Prozess mit fadenscheinigen Beweisen verurteilt, das Lager Moria auf der Insel Lesbos angezündet zu haben.

Während die Geflüchteten verurteilt wurden, wurde niemand für den Tod der Frau im Lager Vial und all die unbekannten Todesfälle in weiteren Lagern und auf See zur Verantwortung gezogen. Stattdessen sind es wieder Geflüchtete, die zu Sündenböcken für die unmenschliche Politik der Einsperrung in Lagern und Gefängnissen gemacht werden. Das eigentliche Verbrechen, Menschen in unerträgliche Lebensbedingungen zu zwingen und sogar ihren Tod in Kauf zu nehmen, wird von keinem Gericht angerührt. Das Problem sind nicht die selbstorganisierten Proteste gegen diese Repression und die Lagerstrukturen. Das Problem ist die Existenz der Lager!

 

[Vial15] Freiheit für die Vial 15 auf Chios!

Am Dienstag, den 22. Juni, findet der Prozess gegen die Vial 15 vor dem Gericht in Mytilini auf der Insel Lesbos statt. 15 Menschen aus verschiedenen Ländern werden beschuldigt, in der Nacht vom 18. auf den 19. April 2020 im EU-Hotspot-Camp Vial auf der Insel Chios randaliert und Feuer gelegt zu haben. Die Festnahmen folgten Protesten gegen die unmenschlichen Bedingungen im Lager Vial, nachdem eine Frau in einem Isolationscontainer gestorben war.

Den 15 Angeklagten wird Brandstiftung mit Gefährdung von Menschenleben, Zerstörung von Privateigentum, Körperverletzung und Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Wie bereits in vielen vorausgegangenen Fällen, wie z.B. kürzlich im Prozess gegen die Moria 6, wurden auch sie ohne stichhaltige Ermittlungen und auf der Basis zweifelhafter Indizien verhaftet.

Der Großteil der Angeklagten wurden erst im Verlauf der folgenden 3 Wochen nach dem Feuer verhaftet. Der einzige „Beweis“, der gegen die meisten von ihnen vorliegt, ist die Aussage eines Polizeibeamten, der sie in der Polizeidatenbank aufgrund ihres Aussehens, Größe und Frisur erkannt haben will. Die Festnahmen stützen sich auf diese zweifelhafte Grundlage, obwohl die Proteste bei Nacht stattfanden und die Demonstrant*innen ihre Gesichter mit Schals und Masken bedeckt hatten – einerseits als COVID-19 Prävention, andererseits aufgrund der Rauchentwicklung im Lager und um sich vor dem massiven Tränengasbeschuss durch die Polizei zu schützen. Nur wenige der Angeklagten wurden noch am selben Tag des Feuers verhaftet, einzig aufgrund der Tatsache, dass sie Feuerzeuge oder Messer bei sich trugen – Gegenstände, die in einem Camp alltäglich sind und zum Kochen und Rauchen benötigt werden.

Zum Zeitpunkt der Festnahmen lebten etwa 7000 Menschen in Vial, einem Lager, dessen Infrastruktur nur für 1000 Menschen ausgelegt ist. Die meisten Menschen sind gezwungen in einem inoffiziellen Bereich in Zelten oder selbstgebauten Hütten unter fatalen hygienischen Bedingungen leben. Die 15 Personen wurden während der ersten Welle der COVID-19-Pandemie verhaftet, einer Zeit großer Unsicherheit und Unklarheit, wie sich das Virus auf die Situation der Lagerbewohner*innen auswirken würde. Die griechischen und europäischen Behörden, die die Lager verwalten, reagierten auf die Pandemie vor allem mit Versuchen die Bewohner*innen der Lager durch strenge Ausgangssperren und Geldstrafen unter Quarantäne zu stellen. Während die Menschen über Monate im Lager eingesperrt waren, wurden kaum medizinische oder hygienische Vorkehrungen getroffen, wodurch sie sich noch mehr im Stich gelassen fühlten.

Nach dem Tod einer 47-jährigen Frau aus dem Irak eskalierte die Situation und Proteste brachen aus. Die Frau starb Berichten zufolge an Herz- oder Lungenversagen und war zwei Tage zuvor mit Bradykardie und Herzrhythmusstörungen ins Krankenhaus eingeliefert, auf Covid-19 getestet und mit Medikamenten versorgt worden.  Nach ihrer Rückkehr ins Lager Vial wurde sie als Isolationsmaßnahme in einem der neuen Container außerhalb des Lagers eingesperrt und erlitt eine Panikattacke. Ihr Ehemann fand sie später tot im Container.

Niemand wurde bisher für den Tod der Frau im Lager Vial zur Rechenschaft gezogen. Auch die zahlreichen anderen bekannten und unbekannten Todesfälle in den griechischen Lagern und die Todesfälle auf See kamen nicht zur Anklage.

Stattdessen sollen nun 15 Personen, die aufgrund fadenscheiniger Beweisgrundlagen inhaftiert wurden, für die Zerstörung der Lagereinrichtungen den Kopf hinhalten und als Schuldige markiert werden. Bereits seit einem Jahr und zwei Monaten werden sie in Untersuchungshaft festgehalten. Zweimal wurde die Gerichtsverhandlung wegen der aktuellen COVID-19 Situation verschoben. Bereits zum dritten Mal werden sie nun für den Prozess in Handschellen zur Polizeistation in Mytilini gebracht.

Obwohl es keinerlei glaubwürdige Beweise für die Schuld der Angeklagten gibt, ist zu befürchten, dass sie verurteilt werden. Sie werden als Sündenböcke für die europäische und griechische Migrationspolitik kriminalisiert, die unerträgliche Lebensbedingungen in Lagern auf den griechischen Inseln schafft. Auch in den kürzlich stattgefundenen Prozessen gegen die Moria 6 mussten wir erleben, wie die Angeklagten in einem politischen Schauprozess voller Fehler und mit mangelhaften Beweisen zu fünf bzw. zehn Jahren Haft verurteilt wurden.

Wir sind es leid, diese sinnlose Zerstörung von Menschenleben mit anzusehen. Die Kriminalisierung der Proteste von Migrant*innen muss aufhören.

Das Verbrechen ist nicht, dass Vial und Moria in Flammen standen, das Verbrechen ist die Existenz dieser Camps!

Freiheit für die Vial 15!

[Moria6] #FreeTheMoria6: Moria 6 sentenced to 10 years imprisonment after fire in Moria camp

Press Release 13/06/2021 from the Solidarity Campaigne #FreeTheMoria6

(German and Spanish below)

Moria 6 sentenced to 10 years imprisonment after fire in Moria camp

Göttingen/Chios/Lesvos, 13.06.2021

Yesterday, Saturday 12 June, four teenage asylum seekers were found guilty of ‘arson with risk to human life’ and sentenced to ten years imprisonment at Chios court after the fire in Lesvos’ Moria camp. Despite documents proving that three of the accused were minors at the time of arrest, they were tried as adults. Two of the six defendants had already been sentenced in March at the juvenile court in Lesvos.

Over 70 European organisations and hundreds of individuals had made the call for a fair and transparent trial. Despite a lack of clear evidence of the four defendants’ involvement in the multiple fires, they were found guilty after a two-day trial.

Yesterday’s verdict came as no surprise to international trial observers who criticised the lack of evidence and spoke of an unfair trial procedure. Only 15 people were allowed in the courtroom. The public, including journalists, a delegation of international observers, and a representative of the UNHCR, was prevented from observing proceedings. At least six police officers were in the room – a disproportionate number that was not necessary to secure the court. A strong crowd of people showed their support for the defendants in front of the court building.

The six defendants were presented as guilty from the moment of their arrest. The Minister of Migration and Asylum, Notis Mitarakis, had already stated in an interview with CNN on 16 September 2020 that ‘The camp was set on fire by six Afghan refugees who were arrested.’

None of the fifteen prosecution witnesses who testified in court had seen the defendants on the night of the alleged crime. Defence lawyer Natasha Dailiani (Legal Center Lesvos) stated: ‘The only witness who identified the accused did not present himself to the court. His written testimony was full of inconsistencies.’ Lawyers claimed that the witness had only given police six first names, common among the population of the camp, which was the basis for their arrest.

Nevertheless, the three judges and four jurors unanimously ruled that the defendants were guilty of arson with endangerment to human life, and the aggravating circumstance of the destruction of private property.

The four accused had already been in pre-trial detention for nine months before the trial. A request by their lawyers to have the case heard by the Juvenile Court was rejected. Witnesses for the defence spoke of outward harassment by the court.

The two other defendants, officially recognised as minors, had already been sentenced to five years’ imprisonment by the Lesvos juvenile court in March 2021 in what observers labeled an unfair trial.

After the end of today’s trial, Annina Mullis, trial observer on behalf of Democratic Lawyers Switzerland (DJS) and European Lawyers for Democracy and Human Rights (ELDH), summarised:

“Based on the impressions gathered outside the court building and the detailed information provided by the lawyers, I agree with their assessment that the trial as a whole does not meet the standards of a fair trial.”

Defence lawyer Effie Doussi states,

“We will exhaust all legal remedies to ensure that the accused get a fair trial and a clear verdict showing that they are innocent.”

Oda Becker, an activist and member of the Free the Moria 6 solidarity campaign, has followed both trials and is in ongoing contact with those affected along with their family and friends. Commenting on the trial she said, “We will continue to support the wrongfully convicted boys and their families in solidarity! The case of the Moria 6 is not the first time that migrants have been arbitrarily arrested and charged in Greece. This practice has long been part of the inhumane EU border regime. However, in the current political environment, the criminalisation of migration has reached a new level, as have the illegal pushbacks of migrants by the authorities.”

Further information and contact:

Valeria Hänsel (speaker of the campaigne)

E-Mail: freethemoria6@riseup.net

Twitter: #FreeTheMoria6

Blog: https://freethemoria6.noblogs.org/


Politisches Urteil gegen vier jugendliche Geflüchtete der Moria 6 nach Brand im Lager Moria +++ Trotz Mangel an Beweisen Verurteilung zu Haftstrafe von 10 Jahren +++ Prozessbeobachter_innen kritisieren Unregelmäßigkeiten im Verfahren und die Vorverurteilung der Angeklagten

Göttingen/Chios. 12.06.2021

Nach dem Brand im Lager Moria wurden am heutigen Samstag vier jugendliche Geflüchtete auf Chios wegen “Brandstiftung mit Gefährdung von Menschenleben” trotz Minderjährigkeit zu 10 Jahren Gefängnishaft verurteilt. Zwei der insgesamt sechs Angeklagten waren bereits im März vor dem Jugendgericht in Lesbos verurteilt worden. Nach dem heutigen Urteil kritisieren internationale Prozessbeobachter*innen den Mangel an Beweisen und sprechen von einem unfairen Verfahren, bei dem die Öffentlichkeit ausgeschlossen wurde. Vor dem Gerichtsgebäude zeigten dennoch dutzende Menschen ihre Solidarität mit den Angeklagten.

Die lautstarke Forderung von über 70 europäischen Organisationen und hunderten Einzelpersonen nach einem transparenten Prozess wurde nicht erfüllt. Trotz des Fehlens eindeutiger Beweise für die Beteiligung der vier Angeklagten an den mehrfachen Bränden, wurden sie nach einem zweitägigen Prozess schuldig gesprochen.

Es waren nur 15 Personen im Gerichtsaal zugelassen; Öffentlichkeit, Jourrnalist_innen und angereiste juristische Prozessbeobachter_innen wurden ausgeschlossen. Gleichzeitig waren mindestens sechs Polizeibeamt_innen im Raum – eine unverhältnismäßige und unnötige Anzahl, die zur Sicherung des Gerichts nicht notwendig gewesen wäre.

Die insgesamt sechs Angeklagten waren von vornherein als Schuldige präsentiert worden. So hatte auch der Minister für Migration und Asyl, Notis Mitarakis, bereits am 16. September 2020 in einem Interview mit CNN erklärt: “Das Lager wurde von sechs afghanischen Flüchtlingen angezündet, die verhaftet worden sind.”

Aber keiner der 15 Belastungs-Zeug_innen, die vor Gericht ausgesagt haben, hatte die Angeklagten in der angeblichen Tatnacht gesehen. Das Gericht stützte sich einzig auf die schriftliche Aussage eines nicht mehr auffindbaren Zeugens, der die Angeklagten gesehen haben will, wie sie in der ersten Brandnacht im Camp Moria Feuer gelegt hätten. Seine Aussage ist jedoch voller Widersprüche. So legten die Anwält_innen zum Beispiel dar, dass der „abwesende Hauptzeuge“ nur gängige Vornamen von Personen aus dem Lager benannt hatte, auf deren Grundlage die Polizei sechs Personen festnahm. Diesbezüglich erklärte die Verteidigerin Natasha Dailiani (Legal Center Lesvos): “Der einzige Zeuge, der die Angeklagten identifiziert hat, hat sich dem Gericht nicht gestellt. Seine schriftliche Zeugenaussage war voller Ungereimtheiten.”

Dennoch entschieden die drei Richter und vier Schöff_innen einstimmig, dass die Angeklagten der Brandstiftung mit Gefährdung von Menschenleben in Verbindung zur Zerstörung von Privateigentum schuldig seien. Die vier Beschuldigten saßen bis zum Prozess bereits neun Monate in Untersuchungshaft. Trotz der vorliegenden Dokumente, die die Minderjährigkeit von drei der Angeklagten belegten, wurden sie nicht als solche anerkannt. Der gestrige Antrag ihrer Anwält_nnen den Prozess vor dem Jugendgericht zu verhandeln wurde abgelehnt. Die beiden offiziell als Minderjährige anerkannte Angeklagten waren bereits im März 2021 vom Jugendgericht auf Lesbos zu fünf Jahren Haft verurteilt worden; schon damals hatten Beobachter_innen von einem unfairen Prozess gesprochen. Nach Ende des heutigen Verhandlungstages hält Annina Mullis, die den Prozess für die Demokratischen Jurist_innen Schweiz (DJS) und die European Lawyers for Democracy and Human Rights (ELDH) beobachtet hat, zusammenfassend fest: „Gestützt auf die vor dem Gerichtsgebäude gesammelten Eindrücke und auf die detaillierten Angaben der Anwältinnen teile ich deren Einschätzung, dass das Verfahren insgesamt den Vorgaben an ein faires Verfahren nicht standhalten kann.“

Verteidigerin Effie Doussi erklärt: “Wir werden alle Rechtsmittel ausschöpfen, damit die Beschuldigten einen fairen Prozess bekommen und ein klares Urteil, dass die Beschuldigten Menschen unschuldig sind.”

Oda Becker ist Aktivistin und Mitglied der Solidaritätskampagne, hat beide Prozesse verfolgt und steht im kontinuierlichen Kontakt zu den Betroffenen sowie ihrem sozialen Umfeld. Zum Prozess sagte sie: “Wir werden die zu Unrecht verurteilten Jungs und ihre Familien weiter solidarisch unterstützen! Der Fall der Moria 6 ist nicht das erste Mal, dass Migrant_innen in Griechenland willkürlich verhaftet und angeklagt wurden. Diese Praxis ist schon lange Teil des unmenschlichen EU-Grenzregimes. Im aktuellen politischen Umfeld hat die Kriminalisierung von Migration jedoch eine neue Stufe erreicht, ebenso wie die illegalen Pushbacks von Migrant_Innen durch die Behörden.”

Für alle, die für Gerechtigkeit und gegen Rassismus kämpfen, ist der heutige Tag eine schwere Niederlage. Die Verurteilung der vier Jugendlichen ist ein weiteres schockierendes Beispiel, wie Menschen auf der Flucht kriminalisiert werden, um von der Verantwortung derer abzulenken, die die Existenz eines Lagers wie „Moria“ überhaupt erst möglich machen.

Weitere Informationen und Kontakte:

Valeria Hänsel, Migrationsforscherin und Sprecherin von #FreeTheMoria6

E-Mail: freethemoria6@riseup.net

Twitter: #FreeTheMoria6

Blog: https://freethemoria6.noblogs.org/


Los 6 de Moria condenados a 10 años de prisión tras el incendio en el campo de Moria

Göttingen/Quíos/Lesbos, 13.06.2021

Ayer, sábado 12 de junio, cuatro adolescentes solicitantes de asilo fueron declarados culpables de “incendio con riesgo para la vida humana”, tras el incendio del campamento de Moria en Lesbos. El Tribunal de Quíos los condenó a diez años de prisión. A pesar de los documentos que prueban que tres de los acusados eran menores en el momento de la detención, fueron juzgados como adultos. Dos de los seis acusados ya habían sido condenados en marzo en el tribunal de menores de Lesbos.

Más de 70 organizaciones europeas y centenares de particulares habían reclamado un juicio justo y transparente. Tras dos días de juicio, y a pesar de la falta de pruebas claras de la implicación de los cuatro acusados en los múltiples incendios, fueron declarados culpables.

El veredicto de ayer no sorprendió a los observadores internacionales del juicio, que criticaron la falta de pruebas y lo calificaron como un procedimiento judicial injusto. Sólo se permitió la presencia de 15 personas en la sala. Se impidió al público, incluidos periodistas, una delegación de observadores internacionales y un representante del ACNUR, presenciar el juicio. Además, había por lo menos seis policías en la sala, un número desproporcionado que no era necesario para proteger el tribunal. Una gran multitud de personas mostró su apoyo a los acusados frente al edificio del tribunal.
Los seis acusados fueron presentados como culpables desde el momento de su detención. El Ministro de Migración y Asilo, Notis Mitarakis, ya había declarado en una entrevista con la CNN el 16 de septiembre de 2020 que “el campo fue incendiado por seis refugiados afganos que fueron detenidos”.

Ninguno de los quince testigos de la acusación que declararon ante el tribunal había visto a los acusados la noche del supuesto crimen. La abogada de la defensa, Natasha Dailiani (Legal Center Lesvos), declaró que “el único testigo que identificó a los acusados no se presentó ante el tribunal. Su testimonio escrito estaba lleno de incoherencias”. Los abogados afirmaron que el testigo sólo había dado a la policía seis nombres de pila, comunes entre la población del campo, lo que sirvió de base para su detención.

No obstante, los tres jueces y los cuatro miembros del jurado dictaminaron por unanimidad que los acusados eran culpables de “incendio con peligro para la vida humana”, y la circunstancia agravante de “destrucción de la propiedad privada”.
Los cuatro acusados llevaban ya nueve meses en prisión preventiva antes del juicio. La petición de sus abogados de que el caso fuera juzgado por el Tribunal de Menores fue rechazada. Los testigos de la defensa dijeron que recibieron acoso y presiones por parte del tribunal.

Los otros dos acusados, reconocidos oficialmente como menores, ya habían sido condenados a cinco años de prisión por el tribunal de menores de Lesbos en marzo de 2021, en lo que los observadores calificaron de juicio injusto.
Tras el final del juicio de hoy, Annina Mullis, observadora del juicio en representación de Abogados Democráticos Suiza (DJS) y Abogados Europeos por la Democracia y los Derechos Humanos (ELDH), resumió:

“Basándome en las impresiones recogidas fuera del edificio del tribunal y en la información detallada proporcionada por los abogados, estoy de acuerdo con su valoración de que el juicio en su conjunto no cumple las normas de un juicio justo”.
La abogada de la defensa, Effie Doussi, afirma que “agotaremos todos los recursos legales para garantizar que los acusados tengan un juicio justo y un veredicto claro que demuestre su inocencia”.

Oda Becker, activista y miembro de la campaña de solidaridad “Free the Moria 6”, quien ha seguido los dos juicios y está en contacto permanente con los afectados así como con sus familiares y amigos, dijo comentando el juicio: “¡Seguiremos apoyando en solidaridad a los chicos condenados injustamente y a sus familias! El caso de los 6 de Moria no es el primero en el que los migrantes son detenidos y acusados arbitrariamente en Grecia. Desde hace tiempo esta práctica forma parte del inhumano régimen fronterizo de la UE. Sin embargo, en el actual entorno político, la criminalización de la migración ha alcanzado un nuevo nivel, al igual que las detenciones ilegales de migrantes por parte de las autoridades”.

Más información y contacto:

Valeria Hänsel (portavoz de la campaña)

E-Mail: freethemoria6@riseup.net

Twitter: #FreeTheMoria6

Blog: https://freethemoria6.noblogs.org/


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#FreeTheMoria6 – Nach dem Brand im Moria Camp: Forderung nach einem fairen und transparenten Prozess für die angeklagten Moria 6 auf der Grundlage der Unschuldsvermutung!

Statement auf Englisch, Griechisch, Deutsch, Farsi, Französisch, Spanisch veröffentlicht unter: https://freethemoria6.noblogs.org/

#FreeTheMoria6 – Nach dem Brand im Moria Camp: Forderung nach einem fairen und transparenten Prozess für die angeklagten Moria 6 auf der Grundlage der Unschuldsvermutung!

Am 11. Juni 2021 findet auf der griechischen Insel Chios der Prozess gegen vier der sechs jugendlichen Migranten statt, die beschuldigt werden, das Camp Moria niedergebrannt zu haben. Vom Moment ihrer Verhaftung an und vor dem Start eines ordentlichen Gerichtsverfahrens wurden sie in der Öffentlichkeit als Schuldige präsentiert. Zwei mitangeklagte Minderjährige wurden bereits im März zu Gefängnisstrafen verurteilt, trotz mangelnder Beweise und einem von Unregelmäßigkeiten durchzogenen Gerichtsverfahren.

Wir sind zutiefst besorgt darüber, dass ihr Recht auf einen fairen und gerechten Prozess, basierend auf der Unschuldsvermutung, nicht gewährleistet ist und sie stattdessen zu Sündenböcken für die unmenschliche EU-Migrationspolitik gemacht werden. Wir stehen in Solidarität mit den Moria 6 und gegen das tödliche europäische Grenzregime!

Am 8. September 2020 brannte – angefacht durch einen starken Wind – das berüchtigte Camp Moria auf der griechischen Insel Lesbos vollständig ab. Die großflächigen und langanhaltenden Brände, die gut dokumentiert und nahezu live über soziale Medien übertragen wurden, brachten die anhaltende Politik der Abschreckung durch unmenschliche Bedingungen in Europas Hotspot-Lagern in der Ägäis zurück in das mediale Rampenlicht. (Fußnote 1)

Anstatt das Feuer als unvermeidliche Katastrophe in einer tödlichen Lagerinfrastruktur zu sehen, verhaftete der griechische Staat sechs junge afghanische Migranten und präsentierte sie als die Schuldigen und alleinige Auslöser des Feuers womit versucht wurde, eine weitere öffentliche Debatte über die Lebensbedingungen im Lager und die politische Verantwortung im Keim zu ersticken. Die Brände ereigneten sich zu einer Zeit, als die Zahl der im Lager lebenden Menschen 12.000 erreicht hatte, Bewegungseinschränkungen seit fast sechs Monaten in Kraft waren und sich eine wachsende Angst vor Covid-19 im Lager ausbreitete. Eine Woche vor dem Brand war die erste Person positiv getestet worden. Anstatt die infizierten Menschen aus dem Lager zu bringen und die Lebensbedingungen für die Eingeschlossenen zu verbessern, plante die Regierung, das gesamte Lager mit einem doppelten Nato-Hochsicherheitszaun komplett abzuriegeln und ging gewaltsam gegen jeden Protest vor. (Fußnote 2)

Die Behörden leugnen nicht nur jegliche Verantwortung, es besteht auch Grund zur Annahme, dass die Angeklagten keinen fairen und gerechten Prozess erwarten können. Sie wurden von den Behörden vom Moment ihrer Verhaftung an als schuldig dargestellt. Der griechische Minister für Migration und Asyl erklärte nur eine Woche nach dem Brand, dass “das Lager von sechs afghanischen Flüchtlingen in Brand gesetzt wurde, die verhaftet wurden”, was ihr Recht auf einen fairen Prozess unter der Unschuldsvermutung verletzt. Fünf der Moria 6 waren minderjährig, als sie verhaftet wurden, aber nur zwei von ihnen wurden vom griechischen Staat als solche anerkannt und infolgedessen nach dem Jugendstrafrecht behandelt.

Die Befürchtungen von Prozessbeobachtenden haben sich bereits bewahrheitet, als die beiden offiziell als Minderjährige anerkannten Personen im März 2021 vor Gericht standen. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich die beiden bereits seit fast sechs Monaten in Untersuchungshaft, der gesetzlichen Höchstdauer für Minderjährige, und hätten folglich bald entlassen werden müssen. In einer eilig einberufenen Gerichtsverhandlung, die grundlegende prozessuale Standards der Fairness missachtete (Fußnote 3), wurden sie trotz fehlender Beweise für schuldig befunden und zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt.

Der Fall der Moria 6 ist nicht das erste Mal, dass MigrantInnen in Griechenland willkürlich verhaftet und angeklagt wurden (siehe den Fall der Moria 35). Diese Praxis ist schon lange Teil des unmenschlichen EU-Grenzregimes. Im aktuellen politischen Umfeld hat die Kriminalisierung von Migration jedoch eine neue Stufe erreicht, ebenso wie die illegalen Pushbacks von MigrantInnen durch die Behörden.

Wir fordern einen fairen und transparenten Prozess am 11. Juni!

Wir stehen in Solidarität mit den Moria 6 und gegen das tödliche europäische Grenzregime!

Wir fordern die EU und den griechischen Staat auf, Verantwortung für die unmenschlichen Lager, die sie mutwillig geschaffen haben, und für das menschliche Leid, das daraus resultiert, zu übernehmen!
– Stoppt die Abschottung der Menschen am Rande der EU!
– Schluss mit dem EU-Türkei-Deal!
– No more Morias!
– Free the Moria 6!

++ Unterschreibt den Aufruf, teilt  die Infos, organisiert Solidaritätsaktionen unter dem Hashtag #FreeTheMoria6 ++

Alle Gruppen und Initiativen, die unterschreiben wollen, schicken bitte bis spätestens 5. Juni 2021 eine E-Mail an freethemoria6@riseup.net

[Lesbos] Erneute Verurteilung eines Geflüchteten als “Schmuggler” zu 146 Jahren Haft

Wir teilen einen Artikel von boderline-europe (https://www.borderline-europe.de/unsere-arbeit/lesbos-mohamad-h-zu-146-jahren-haft-verurteilt?l=en):

Prozessbericht – Lesbos: Mohamad H. zu 146 Jahren Haft verurteilt

Am Donnerstag, den 13. Mai 2021, wurde der Geflüchtete Mohamad H. vom Gericht in Mytilene, Lesbos, zu 146 Jahren Gefängnis verurteilt. Das Urteil wurde gefällt, obwohl weitere Geflüchtete, die mit im Boot saßen, im Zeug*innenstand erschienen und aussagten, dass sie Mohamad ihr Leben verdanken. Die Anwälte werden Berufung einlegen.

“Warum haben Sie nicht einfach ein Ticket gekauft und sind mit der Fähre nach Griechenland gekommen?” – In dieser einen einzige Frage des Richters an Mohamad wird auf schockierende Weise die Absurdität, der grausamen Zynismus und die völlige Realitätsferne deutlich, die den Verhaftungen und anschließenden Prozessen gegen Schutzsuchende als “Schmuggler” in Griechenland, aber auch überall sonst, zugrunde liegen.

Am Donnerstag, den 13. Mai 2021, fand in Mytilene auf Lesbos der Prozess gegen den 27-jährigen Geflüchteten Mohamad H. statt. Wie bereits berichtet, wurde Mohamad H. im Dezember 2020 direkt nach seiner Ankunft als “Fahrer” des Bootes, mit dem er und 33 weitere Passagiere versuchten, Griechenland zu erreichen, verhaftet, und damit des “Transports von Drittstaatsangehörigen ohne Einreiseerlaubnis in griechisches Hoheitsgebiet” (Schmuggel) angeklagt, mit den erschwerenden Umständen der Gefährdung des Lebens von 31 Personen und der Verschuldung des Todes von zwei Personen. Als das Boot in Seenot geriet, hatte er versucht, es irgendwie sicher an Land zu steuern und das Leben aller an Bord zu retten, obwohl er selbst Geflüchteter und keine Erfahrung in der Seefahrt hatte. Tragischerweise kenterte das Boot und zwei Frauen starben (mehr lesen).

Bei der Verhandlung erschienen acht Personen, die mit Mohamad H. im selben Boot waren, vor Gericht, um für ihn auszusagen. Zwei von ihnen wurden als Zeugen zugelassen. Sie gaben an, dass Mohamad einer von ihnen ist, der nur versucht hat, das Leben aller zu retten, dass der Schmuggler ein türkischer Mann war, der sie im Meer zurückgelassen hat und dass der Schiffbruch durch die Handlungen des Schmugglers und der türkischen Küstenwache verursacht wurde, die sie nicht gerettet hat, obwohl sie um Hilfe gerufen haben.

Der Richter jedoch bestand auf der Tatsache, dass in der Vorverhandlung zwei Zeug*innen den Angeklagten als “Fahrer” angegeben hatten, obwohl die Verteidigung darauf hinwies, dass die Übersetzung während der Vorverhandlung problematisch war, da sie auf Englisch und nicht auf Somali stattfand, sowie auf die Tatsache, dass die Zeug*innen den Angeklagten nicht als den Schmuggler, sondern eben als die Person, die das Boot in einer Notsituation fuhr, identifiziert hatten.

Auch Mohamad H. wiederholte noch einmal, dass er selbst Geflüchteter und nicht der Schmuggler sei. Er erklärte, dass er gar nicht wisse, wie man ein Boot steuere und es auch nicht steuern wollte und dass er das Steuer nur deswegen übernommen habe, um sich und seine Mitreisenden vor dem Ertrinken zu retten. Er tat dies, ohne zu wissen, dass das bloße Steuern nach griechischem Recht ein Verbrechen darstellt.

Hierauf entgegnete der Richter mit der Frage: “Wie ist es möglich, dass Sie nicht wussten, dass das, was Sie taten, illegal war? Warum haben Sie dann nicht einfach ein Ticket gekauft und sind mit der Fähre nach Griechenland gekommen?”

Angesichts der Tatsache, dass es keine sicheren und legalen Wege gibt, nach Europa einzureisen und Asyl zu beantragen, ist diese Frage nicht nur grotesk und völlig realitätsfremd, sondern zynisch und grausam. Es ist die europäische Politik der Abschreckung und der geschlossenen Grenzen, die Menschen in seeuntaugliche Boote und auf lebensgefährliche Routen und dazu zwingt, ihr Leben und das ihrer Familien zu riskieren. Vielleicht sollte jemand dem Gericht erklären, wie das europäische Ayslsystem funktioniert, bevor es einen Schutzsuchenden zu 146 Jahren verurteilt, weil er “nicht einfach ein Ticket gekauft und mit der Fähre nach Griechenland gekommen ist”.

Die Staatsanwaltschaft forderte, Mohamad H. nur für das Verbrechen des Artikels 30- Abs. 1 Punkt a. (Gesetz 4251/2014) schuldig zu sprechen: “Transport von Drittstaatsangehörigen ohne Einreiseerlaubnis in griechisches Hoheitsgebiet”. Dennoch bestanden die Richter auf der ursprünglichen Anklage, Mohamad H. auch der erschwerenden Umstände (Punkte c und d des Artikels 30) schuldig zu sprechen – “Gefährdung des Lebens von Menschen” und “Verschuldung des Todes”. Sie akzeptierten den mildernden Umstand, dass Mohamad keine Vorstrafen hat, was dazu führte, dass die lebenslangen Haftstrafen sowie die Geldstrafe entfielen. Im Detail verhängten sie 15 Jahre Haft für jede verstorbene Person (2 Frauen) und 8 Jahre für jede Person an Bord (31 Personen). Einem Prinzip folgend, das im griechischen Recht “Zusammenlegung von Strafen” genannt wird, resultiere dies in einem Urteil von 146 Jahren.

Die Verteidigung, die Anwälte Dimitris Choulis und Alexandros Georgoulis, werden Berufung gegen das Urteil einlegen.

 

[Moria6] Podcast zum Fall und Prozess der Moria 6

Hier findet ihr den am 30.04.2021 zuerst ausgetrahlten Podcast zum Fall und Prozess der Moria 6 zum Nachhören.

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YOU CAN’T EVICT SOLIDARITY, ein Podcast für grenzenlose Solidarität | Folge 1: Die Moria 6 – erste Verurteilungen nach den Bränden im Lager Moria im September 2020

(Sollte er nicht vollständig abspielen, findet ihr ihn auch nochmal hier: https://www.radiostimme.at/still-in-solidarity-ii-gerichtsprozess-zum-brand-in-moria/)

Mit dieser Folge startet der Podcast der Antirepressions-Kampagne You can’t evict solidarity mit der ersten Folge im Stadtradio Göttingen!
Nachdem im September 2020 das europäische Hotspot-Lager Moria auf Lesvos komplett niederbrannte, wurden willkürlich 6 Jugendliche verhaftet. Zwei von ihnen wurden nun ein Jahr später ohne jegliche Beweise verurteilt.
Wir sprechen über die katastrophalen Zustände im Lager, über die Brände im September 2020, über die menschenverachtenden Abschottungs- und Einsperrpolitiken der EU und des griechischen Staates, über Proteste und Widerstände der Betroffenen und über die krassen Repressionen, die willkürlich gegen Geflüchtete verhängt werden.

You can’t evict solidarity ist eine Antirepressions-Kampagne, die Menschen auf der Flucht nach Fällen staatlicher oder anderer institutioneller Repression unterstützt. Mehr Infos findet ihr auf dem Blog cantevictsolidarity.noblogs.org

Hier findet ihr den Song “Dead Rabbits” und das Video von Mohammed Hussein: https://www.youtube.com/watch?v=QNCxVVT2FK8

Den Sampler “The Balkan Route” vom NoBorders Music Collective mit den Tracks “Fuck Being A Refugee” von Amine Oucheri, Anon & Kasoz und “Dile Min Biaxiva (Kurdish Cowboy Version)” von Salman Duski findet ihr hier: https://musicnoborders.bandcamp.com/

Den Track “Να κάνουμε έφοδο” von Daisy Chain könnt ihr euch hier anhören: https://daisychaingr.bandcamp.com/